Le Grand und Konsorten
Die Buchmesse bietet hochwertiges Fanmaterial

Weil man Architektur nicht ausstellen könne, gab der Kurator der diesjährigen und immer noch international wichtigsten Architekturschau in Venedig, Aaron Betsky, das Softmotto „Beyond Architecture“ aus; und ließ damit die Teilnehmer alles und nichts machen, auch Architektur ausstellen. Was aber können Bücher machen, die sich mit Architektur befassen? Können sie Gebautes zwischen zwei Pappdeckel fassen, den ganzen Planungsaufwand, den Duft der Baustellen, das Raue der Oberflächen, die Weite und Differenz eines jeden Ausblicks (oder die Enge)? Es geht scheinbar, denn auf der 60. Frankfurter Buchmesse taten das einige Verlage. Zwar stellen die europäischen wie auch nordamerikanischen, japanischen und mittlerweile auch chinesischen Verlage nur einen Bruchteil der insgesamt 7 373 Aussteller aus 100 Ländern, und sicherlich sind die für den Architekten im weitesten bedeutungsvollen Bücher nur eine Maginale in den 123 496 Neuerscheinungen aus insgesamt gezeigten 402 284 Produkten (inklusive Merchandising-Artikel). Doch manche Marginale hat das Zeug zu ganz Gro­ßem, die jährlichen Auszeichnungen hervorragend gemachter Druckwerke gehen meist an die Produkte der kleinen Verleger.

Es gab, im Gegensatz zum letzten Jahr, Wunderbares zu entdecken, vielleicht braucht es eben auch zwei Jahre, um Erwähnenswer­tes auf den Markt zu hieven. Denn gehoben muss immer noch werden, teils auch schwer, das in Frankfurt von den Besuchern angeblich lange erwartete und also mit seinem jet­zigen Erscheinen umjubelte E-Book spielt im Architektur-/Kunstbuchbereich auf absehbare Zeit keine Rolle. Also die wirklichen, und teils auch schweren Bücher. Ich beginne mit den leichteren, und hier mit dem Taschenbuch aus dem Wiener Metroverlag „Adolf Loos. Wie man eine Wohnung einrichten soll. Stilvolles über scheinbar Unverrückbares“. Die hier versammelten Texte lesen sich mit Gewinn für die alltägliche Arbeit und beweisen nachdrücklich, dass das von politischen Kreisen zurzeit beklagte Vorvorgestrige um Einiges mehr an tiefgehendem Witz verfügt, als jede noch so zeitgenössische Epistel zu Wohnen und Leben und Spaßhaben. Damit wäre ich auch schon bei einem Verlag, der sich diese ganze exklusive Fröhlichkeit auf jeden Buchtitel druckt: dem Tectum Publisher aus Antwerpen. Obwohl sicherlich von läizistischer, fast möchte ich schreiben hedonistisch neokapitalistischer Verlegerhaltung geprägt, drucken die genannten Männer und Frauen über ihre dickleibigen Fotosammlun­gen von Hotels, Bars, Nackten, Uhren oder Appartements das Wort „Bible“. Alles sollen wir hier finden, alles, was teuer ist und Spaß macht. Und wie schon die Bibel in ihrer dicken Gänze ermüdet, so auch Augen und Arme beim stundenlangen Weiterblättern.

Aber der Trend zum „die 100“ beziehungsweise „die 1000 besten, schönsten, hippesten XYZ-Bauten“ scheint gebrochen, übersatt wenden sich potentielle Leserkreise bereits neuen Bücherweiden zu. Wir anderen können uns auf eine Monografie über das Büro Marcel Meili, Markus Peter, 1987-2008 beim Zürcher Verlag Scheidegger & Spiess freuen. Hier ebenfalls eine wirklich bildgewaltige Reise zu den „Historischen Häusern im Engadin“ sowie demnächst zwei Bände über so unterschiedliche Architekturereignisse wie Venturis Las Vegas und Corbusiers (Pierres?!) Chandigarh.

Große Vorfreude auch, wenn der Blick nach Köln zu Walther König geht. Hier gibt es eine Monografie zum Kultarchitekten Valerio Olgati, aber auch „den ganzen Riemen“, ein Textkonvolut von einem Mann, der gleichfalls Kult ist, und der auf der Buchmesse mit einigen aktuellen Veröffentlichungen bedacht wurde: Joseph Beuys. Ja, der Beuys ist durch­aus für die Architektur relevant, mindestens so viel wie der große Aldo van Eyck, dessen theoretisches Werk jetzt ebenfalls mit einer (zweibändigen) sorgfältig editierten Publikation gewürdigt wird, endlich, muss man sagen (bei Boom/Sun, Amsterdam 2008). Endlich auch eine umfassende Darstellung der Geschichte des legendären Büros „Team 10“, zu dessen Mitgliedern solche Berühmtheiten wie Peter und Alison Smithson, Georges Candilis, Aldo van Eyck, Giancarlo De Carlo oder Stefan Wewerka gehörten, und das mit dem Tode von Jacob Bakema 1981 aufgelöst wurde (NAi Publisher).

Birkhäuser, Flaggschiff der seriösen Architekturpublikation in Basel, erweitert seine Reihen zu Bautypologien, Materialien und Konstruktionen, steuert zum Thema Landschaftsarchitektur und Design bei, und kündigt eine Monografie über Daniel Libeskind an. Und schenkte den Neugierigen erste Blicke in den seit langem angekündigten vierten Band über DAS Basler Büro, das, so der Verlag, geschrieben wurde für ein auch „am Werk von HdM interessiertes Publikum.“

Benedikt Taschen erschreckt die Fans von Jean Nouvel mit sagenhaften 500 € für zwei großformatige Bände im Kunststoffschuber, dafür sind sie auf 1 000 Exemplare limitiert und signiert; sicherlich eine Frage der Zeit, bis Birkhäuser mit seinen Stars ähnlich verfährt. Wirklich applaudieren möchte man zu der Großtat, die Kultzeitschrift Arts & Architecture als 4C-Reprint gut budgetierten Bibliotheken komplett wieder zugänglich zu machen, und wir können uns die Hefte dann ausleihen.

Zuletzt aber nicht der letzte ist ein riesiger Band über Corbusier: Le Grand, auf den hinzuweisen hier Pflicht ist. Erschienen bei Phaidon nimmt er den Architekten als Person ins Visier, erzählt seine Lebensgeschichte über auch sehr persönliche Fotografien, Anekdoten, Texte.

Das sind in der Menge wenige, doch wichtige Bücher. Ich werde Sie Ihnen vorstellen in den kommenden Ausgaben der DBZ; und alle weiteren dazu sowieso. Be. K.


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