Buchrezension: Reparatur
Anstiftung zum Denken und MachenDie etwa taschenbuchgroße, allerdings ziemlich dicke Publikation kommt sehr solide gemacht daher: handwerkliche Bindung, steife Pappdeckel, Farbgeruch aus dem Inneren. Wer das Handwerkliche des Buchmachens in dieser Weise nicht kennt wird denken: Ist das ein Buchschaden und kann man das noch retten?
Man kann. Nicht dieses Buch, denn das ist wunderbar handwerklich gemacht. Aber all die Sachen, die kaputt in der Ecke liegen, immer zwischen man könnte ja mal und wohin darf ich es entsorgen auf der Kippe. Der Stuhl mit dem wackeligen Bein, das Regal mit dem zerbrochenen Brett, der alte Goldfüller, der nicht mehr schreiben will, die stumpfe Säge, die nicht mehr will, der Einkaufskorb mit Loch oder die Haustürklingel, die nicht mehr klingelt. Und ja: der Akku im Telefon, der nicht mehr will oder der Staubsauger, der Geräusche macht … Und diese Reihe ließe sich endlos fortsetzen bis zu dem Punkt, der seit geraumer Zeit unter dem Stichwort der „Obsolenz“ diskutiert wird. Und nichts anderes meint, als dass die Hersteller der meisten Produkte deren Verfallsdatum gleich mitdesignt haben.
Dem steht seit längerem eine Do it yourself-Bewegung entgegen, die sich in jüngerer Zeit durch Repair-Cafés u. ä. einen weiteren diskursiven Ableger ins Boot geholt hat: Unsere Konsumgesellschaft, die vom Wegwerfen lebt, versucht ganz am Rande eine Subkultur von so genannten „Makern“ zu entwickeln, die möglicherweise zeigt, dass das Wegwerfen nicht die Zukunft sein kann.
Die hier vorliegenden Publikation nun geht dieser großen Thematik auf zweierlei Wegen nach: Zum einen über ein längeres Gespräch zwischen Architekten, Kuratoren und Ausstellungsdirektoren, zum anderen über die Dokumentation von Arbeiten, die den Reparaturgedanken in reale Reparaturen übersetzt hat; im Rahmen eines Hochschulseminars. Dass letzte Arbeiten zum überwiegenden Teil tatsächlich nichts mehr sind, als Reparaturen und nur die wenigsten hier einem konzeptionellen, auch durchaus neuschöpferischem Anspruch folgen zeigt vielleicht, wie weit weg das Reparieren im alltäglichen Leben schon unter die Wahrnehmungshorizonte gerutscht ist. Und so der Akt der Wiederinfunktionsetzung einem exotisch anmutenden Ritus zu entspringen scheint. Dass zudem viele der Arbeiten das Reparieren dann der Ersatzproduktion ganzer Teile durch einen 3D-Drucker zuschreiben, erscheint ebenfalls nicht sonderlich wegweisend, ist doch gerade der 3D-Druck in der Lage, Einzelwerkstücke en demand zu produzieren, was einer Ressourcenschonung alles andere als zuträglich ist.
Das Gespräch ist leider zu sehr konsensual, hier hätte man sich eher doch unterschiedliche Positionen gewünscht, insbesondere fehlen die Einschätzungen von Produktdesignern großer Konsumgüterfirmen, von Geschäftsführern der Industrieverbände etc. So bleibt am Ende ein schönes Buch, das schöne Arbeiten zeigt, dem Problem der Dauerhaftigkeit, dem Phänomen der Patina oder der Langeweilemoderation durch das scheinbar immer Neue etc. aber kaum nachgeht. Vorschlag für die 2. Auflage: einfachste Anleitungen drucken für das handwerkliche Instandsetzen von Kleidung (Knöpfe annähen, Farben, Schnitte ändern), Möbeln (Fügetechniken, Klebstoffe, Säge-, Schraubarbeiten),mechanischen und elektrischen Geräten (Löten, Schrauben, Schaltpläne) oder möglicherweise auch Büchern (Trennen, Heften, Nähen, Kleben, Bügeln). Be. K.
Reparatur. Anstiftung zum Denken und Machen. Hrsg. Silke Langenberg, Einführung von Klaus Kreulich, Hochschule München, Beiträge von Wolfgang M. Heckl, Silke Langenberg, Andres Lepik u.a., Gestaltung von Xuyen Dam, Tim Tauschek. Dt./engl. Hatje Cantz, Ostfildern/London 2018, 432 S., 305 Abb., 25 €, ISBN 978-3-7757-4397-6