Buchrezension: Peter Zumthor. Mari Lending. Die Geschichte in den Dingen
Geschichte, Zeit, Ort und Erinnerung im Werk des Architekten Peter Zumthor. Mit Fotografien von Hélène BinetZwischen 2014 und 2017 trafen sich, auf Einladung des Schweizer Architekten Peter Zumthor, er selbst und die norwegische Architekturhistorikerin Mari Lending zu einem längeren Gespräch. Basis dieses zeitlich gedehnten Dialogs war die Arbeit und schließlich die Fertigstellung des Zinkminenmuseum Allmannajuvet in Südnorwegen. In den Gespräch geht es – wie so oft mit Zumthor – über alles das, was die Metaebene eines Architekturprojektes ist. Die allerdings, anders vielleicht als im wortwörtlichen Sinne verstanden, bei Peter Zumthor immer auch eine starke innere Verbindung zur Sache hat.
Es ging um das Innere der Architektur, also ihr Wesen, die Geschichte, Zeit und Vergänglichkeit, die erzählten Geschichten und ihr Ort und es ging um die Spuren im Material; was in der Publikation anschaulich wird über eine Bilderserie der Fotografin Hélène Binet, die die gepflasterten Wege des griechischen Architekten Dimitris Pikionis auf der Athener Akropolis in schwarzweiß-Fotografien ins Szene setzt. Hélène Binet ist die bevorzugte Fotografin von Peter Zumthor, ihre Wege-Fotos waren auch in der von Zumthor kuratierten Ausstellung „Dear to me” in Bregenz zu sehen. Spuren in allem aufspüren, Spuren materialisieren und damit konservieren und möglicherweise gar retten vor dem Verschwinden, das ist der Anspruch des Schweizers, den er in allen seinen Arbeiten umsetzt und wirkmächtig sein lässt.
Natürlich scheint ein Gespräch mit Peter Zumthor nicht zu glücken, wenn er hier nicht auch die Literatur (vornehmlich die der deutschen Autoren), die Musik oder die Kunst in das Nachdenken über sein Werk miteinbeziehen kann, also den ganzen Bildungskanon einer westeuropäisch geprägten, humanistischen Schulbildung. Was dem hier abgedruckten „Gespräch” nicht sonderlich gut tut, die Sätze wirken hölzern, nachträglich mit dem Wissen sämtlicher Universallexika angereichert. Niemand, auch nicht Peter Zumthor, spricht so. Doch der Schweizer ist Perfektionist, er möchte ganz offenbar die maximale Kontrolle über das, was ihm durch den Kopf geht und was der Mund schließlich artikuliert.
Ein Briefwechsel, der Austausch von Geschriebenem für den nächsten Dialog, wie er sein höchstes Niveau in der deutschen Klassik hatte? Warum nicht ein solcher Briefwechsel, wie er in dem wunderbaren Zwiegespräch zwischen den Künstlern John Berger und John Christie 1997 stattgefunden hatte und der uns in der schönen Publiaktion “I send you this cadmium red” überliefert ist?!
Das nächste Mal vielleicht. Mitnehmen wird man am Ende der Lektüre eines: Peter Zumthor war zu Beginn seines Arbeitens ein gläubiger, aber unwissender Modernist. Jetzt ist er ein Architekt, der seine Arbeit im Fluss der Geschichte sieht. Dass das kleine Büchlein (größeres Reclam-Format, besseres Papier) beinahe 30 € kostet, ist ärgerlich, offenbart es vor allem das eine: Ein Buch, in dem Peter Zumthor eine prominente Position hat, darf ruhig etwas mehr kosten. Schade. Be. K.
Peter Zumthor. Mari Lending. Die Geschichte in den Dingen. Mit Fotografien von Hélène Binet. Scheidegger & Spiess, Zürich 2018, 84 S., 14 Duplex-Abb., 29 €, ISBN 978-3-85881-558-3