Campus Moos,
Rüschlikon/CH
Im neuen Sekundarschulhaus im schweizerischen
Rüschlikon, einer Gemeinde nahe Zürich, wird auf Ganztagesschule, Lernlandschaft und digitale Medien gesetzt. Wandtafel und starre Raumstrukturen gehören hier der Vergangenheit an.
Kilchberg und Rüschlikon sind zwei Nachbargemeinden am Westufer des Zürichsees. Beide Gemeinden – mit zusammen um die 14 000 Einwohnern – betrieben früher eigene Sekundarschulen. Aufgrund der Konkurrenz der internationalen Privatschulen im unmittelbaren Umfeld sanken an beiden Standorten jedoch die Schülerzahlen. Dies führte zur Idee der gemeinsamen Schule – die beiden Seegemeinden schlossen sich zur Auslobung eines Architekturwettbewerbs zusammen und luden fünf Generalplanerteams ein.
Das Spezielle an der Aufgabe: Die Architektinnen und Architekten sollten eine Aufgabenanalyse erstellen und sich mit dem Ort befassen, jedoch wurden keine Pläne oder Skizzen gefordert.
Der erste Platz ging an E2A Architekten aus Zürich, die sich für die Aufgabe intensiv mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzten und im Stadtarchiv für die Gemeinde Überraschendes herausfanden: Die gegenüber liegende Primarschule Moos war in den frühen 1970er-Jahren (gebaut 1966 – 1971) bereits Teil eines größeren Masterplans gewesen. Die damals planenden Architekten Jakob Zweifel und Heinrich Strickler sahen verschiedene Etappen sowie auch den Bau eines Hochhauses vor. „Zwar sollte es damals ein Wohnhochhaus werden mit öffentlichen Räumen für die Gemeinde, als Quartierszentrum“, so Nils Döring, der Gesamtleiter des Generalplanerteams von E2A. „aber der Städtebau für die Anlage war mit diesem Plan quasi schon gemacht.“
E2A griffen die ursprüngliche Idee auf und entwarfen an der Stelle des Wohnhochhauses einen Schulneubau auf sieben Geschossen. Diese große Höhe mag auf den ersten Blick in einem kleinen Ort verwundern, kommt aber oft in den Seegemeinden vor: Aufgrund ihrer Lage am Hang haben die Orte meist ein Unterdorf mit historischem Teil in dörflicher Struktur und ein Oberdorf, in dem auch höher und voluminöser gebaut wird. Auf dem entstandenen Campus Moos passt sich das neue Bauvolumen gut ein, denn sein Fußabdruck ist klein und es befindet sich am Rand des Areals. Zudem konnten die alten Platanen auf dem Vorplatz erhalten werden, was das Ensemble stimmig macht und gewachsen erscheinen lässt.
Ein Erdgeschoss für Vieles
Vom Platz führt eine flache Rampe hinauf zum Eingangsgeschoss, das viele Funktionen erfüllt: Ankunftsort am Morgen, Kantine am Mittag, Spiel- und Ruhebereich in den Pausen und Veranstaltungsraum am Abend. Der große Hauptraum kann mit dem separaten Bühnenbereich für Musik und Theater verbunden werden, sodass im Gemeinschaftsbereich mehrere hundert Menschen Platz finden. Ein Saal für große Veranstaltungen der Schule oder auch für die Gemeinde – so erhält auch das Oberdorf ein eigenes Zentrum, wie es bereits im Masterplan vorgesehen war.
Im Regelgeschoss wünschte die Bauherrschaft ein flexibles und fortschrittliches Raumkonzept ohne spezialisierte Bereiche. Darauf ist auch die Statik des Gebäudes ausgelegt: Die Deckenlast wird über die Erschließungskerne und die geschosshohen Fassadenscheiben auf die Ecken des Gebäudes abgeleitet.
Dank dieser Brückenkonstruktion sind im quadratischen Grundriss keine Stützen vonnöten, jeweils die Hälfte der Klassenzimmer ist lediglich durch eine Glaswand vom Treppenraum abgetrennt. Den einzelnen Klassenzimmern sind jeweils Gruppenräume zugeordnet, die vom Zimmer und vom Gang aus erreichbar sind.
Entsprechend dem Wunsch nach flexiblen Lernlandschaften können die meisten Arbeitstische – das höhenverstellbare und rollende Möbelstück kam hier erstmals in der Schweiz zum Einsatz – aus dem Zimmer gefahren und nach Belieben im Bereich rund um die zentrale Wendeltreppe platziert werden. Der Brandschutz ist hierbei technisch gelöst: Im Brandfall werden in der offenen Zone Rolltore ausgefahren, wodurch die Wendeltreppe zum Hauptfluchtweg wird.
Von Geschoss zu Geschoss wirkt die runde Treppe auch wie ein Gelenk, um das sich der Grundriss jeweils um 90 ° dreht: Der Blick durch die breiten Lochfenster geht dadurch abwechselnd in den Wald, zum See, zu den Bergen oder zur Stadt. „Die Außenbezüge helfen bei der Orientierung und machen die vielen Etagen abwechslungsreich und lebendig“, erklärt Nils Döring die Idee dahinter. Zwei Ausnahmen gibt es: Im ersten Obergeschoss sind alle Gebäudeseiten mit den Zimmern der Schulverwaltung und der Bibliothek besetzt, sodass der Treppenraum keinen Außenbezug hat. Und im nur teilweise unter Terrain liegenden Untergeschoss befinden sich rund um den Mittelgang die Spinde der Schülerinnen und Schüler, dahinter liegen die tageslichthellen Werkstätten für Holz- und Metallbau.
Kreide war gestern
Neben der umfassenden Ausstattung an Räumlichkeiten und Mobiliar fällt besonders die Digitalisierung der Klassenzimmer auf – und damit ist nicht nur das WLAN im Haus gemeint. In den Gängen befinden sich die Rechner-Depots und -Ladestationen, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Schulcomputer nach dem Unterricht einstellen. Statt einer klassischen Kreidetafel gibt es in den Zimmern riesige elektronische Wandtafeln, die als Touchscreens direkt oder via Tablet beschrieben werden können. Auch die Inhalte muss niemand mehr mitschreiben, stattdessen versenden die Lehrerinnen am Ende der Schulstunde die Inhalte direkt an die Schüler-Laptops.
Zu all der Digitalisierung setzten die Architekten aber noch einen Gegenpol: Einer der wichtigsten Aspekte bei Entwurf und Realisierung war ihnen das Thema der didaktischen Architektur. Alles, was man aus Beton sieht, trägt auch – ob Wandscheibe oder Deckenunterzug. Auch Teile der Haustechnik sind offen geführt, damit verstanden werden kann, wie das Haus funktioniert. Nils Döring dazu: „Hier wird ausgebildet, deshalb fanden wir es wichtig, dass die Kinder nachvollziehen können, wie zum Beispiel Lasten im Gebäude abgetragen werden oder wie die Luft hereinkommt.“ Auch bei den im Gebäude verwendeten robusten Materialien ging es den Architekten um Einfachheit und Klarheit. Mit Beton, feuerverzinktem Stahl, Glas und Chromstahl haben sie Materialien gefunden, die authentisch wirken und die nicht angestrichen, behandelt oder verkleidet werden müssen.
Ein Areal, zwei Schulen
Im Rahmen des Neubauprojekts waren E2A zugleich damit beauftragt, die Primarschule Moos zu sanieren. Zweifel und Strickler, bekannt für ihre strukturalistische und brutalistische Betonarchitektur, hatten die Primarschule als reinen Betonbau geplant. In den 1980er-Jahren wurde dieser dann nachgedämmt und mit Metallplatten verkleidet. E2A gelang es bei der Sanierung, sich dem früheren Bild wieder anzunähern: Unter Berücksichtigung der heutigen energetischen Anforderungen planten sie eine neue Gebäudehülle mit grauen Faserzement-Betonelementen, die der ursprünglichen Wirkung des Hauses sehr nahe kommt.
Optisch schafft das eine gute Verbindung von Primar- und Sekundarschule, auch wenn die Häuser räumlich getrennte Orte bleiben. Dafür sorgt zum einen die natürliche Hanglage, denn der Neubau liegt direkt an der Straße und damit höher als die Bestandsbauten. Zum anderen säumen Alt und Neu einen Hof, der mit Spielplatz und Spielflächen thematisch eher der Primarschule zugeordnet ist. So bevölkern die größeren Kinder in der Pause den platanenbestandenen Vorplatz und die breite Eingangsrampe, auf der auch gesessen werden kann, während die Kleinen beim Spiel im Hof auch schon mal einen Blick auf die Zukunft erhaschen können. Katinka Corts, Zürich
Baudaten
Standort: Säumerstrasse 28, 8803 Rüschlikon/CH
Typologie: Schulhaus, Neubau
Bauherr: Zweckverband Sekundarschule Kilchberg/Rüschlikon
Nutzer: Sekundarschule Kilchberg/Rüschlikon
Architekt: E2A / Piet Eckert und Wim Eckert / Architekten ETH BSA SIA AG, Zürich/CH, www.e2a.ch
Mitarbeiter (Team): Wim Eckert, Piet Eckert, Nils Döring, Eric Rudolph, Oke Hauser, Andrea Kovács, Kirstyn Lindsay, Valentino Sandri, Tobias Weise
Bauleitung: Caretta + Weidmann Generalplaner AG, Zürich/CH
www.caretta-weidmann.ch
Generalunternehmer: Caretta + Weidmann Generalplaner AG, Zürich/CH
www.caretta-weidmann.ch
Bauzeit: 2014 – 2016
Fachplaner
www.luechingermeyer.ch
HLK: Todt & Gmür Partner AG, Schlieren/CH, www.tgp.ch
Sanitärplanung: Neukom Engineering AG, Adliswil/CH, www.neukom.net
Elektroplanung: R+B engineering ag, Zürich/CH, www.rbeag.com
Fassadentechniker: Buri, Müller + Partner GmbH, Burgdorf/CH,
www.burimueller.ch
Akustikplaner / Bauphysik: BB&A Buri Bauphysik & Akustik AG, Volketswil/CH,
www.bb-a.ch
Brandschutzplaner: Gruner + Wepf Ingenieure AG, Zürich/CH, www.gruner.ch
Landschaft: raderschallpartner ag landschaftsarchitekten bsla sia, Meilen/CH,
www.raderschall.ch
Gastroplanung: Rametall Ramseier + Ammann, Oberglatt/CH, www.rametall.ch
Projektdaten
Baukosten
Hersteller
Fenster/Verschraubungen: Hilti Deutschland AG, www.hilti.de
Sonnenschutz: Storama AG, www.storama.ch
Aufzug: Schindler Deutschland AG & Co. KG, www.schindler.com
Zutrittssysteme/Schließanlage: Kaba Star, www.kaba.ch
Waschtrog: Franke GmbH, www.franke.com
Leitungen, etc.: Geberit Vertriebs GmbH, www.geberit.de
Armaturen: KWC, www.kwc.ch
Duschwanne: WilhelmSchmidlin AG, www.schmidlin.ch
Duschtrennwände: Duscholux Sanitärprodukte GmbH, www.duscholux.com
Lavabos/WC: Keramik Laufen AG, www.laufen.com
Mobiliar Lagerraum/Handarbeit/Werkstatt/Hauswart: OPO Oeschger GmbH, www.opo.de
Arbeitstische, Schränke, Tische: Embru Deutschland GmbH, www.embru.de
Digitale Wandtafeln: Bischoff AG, www.bischoff-ag.ch
Wandtafeln: Knobel Schuleinrichtungen AG, www.knobel-zug.ch
Stühle, Stehpult: Stua s.a., www.stua.com; HAY, www.hay.dk; Mazuvo AG,
www.mazuvo.ch; rosconi GmbH, www.rosconi.de
Vorhänge: Kvadrat, www.kvadrat.de