Campusarchitektur. Die Erweiterung des Kanzleramts
Auf die Frage, warum man die Erweiterung des Bundeskanzleramtes nicht über einen Architektenwettbewerb gesucht habe, antwortete die Präsidentin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung und stellvertretende Bauherrin, Petra Wesseler, auf der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt, dass man ja schon den besten Entwurf habe. Und ergänzte, dass es juristisch schwierig geworden wäre, wenn man an den Architekten des Bestandsbaus, Schultes und Frank Architekten, vorbeigegangen wäre. Was die auf der Pressekonferenz anwesenden Architekten nachdrücklich bejahen.
Immerhin hatte man im Vorfeld der Erweitungsplanung Variantenuntersuchungen angestellt. Fünf Orte für die Erweiterung standen zur Diskussion, am Ende wurde es der Kanzlergarten, der angesichts der beklagten Raumnot in der Schaltzentrale der politischen Macht wie ein unzeitgemäßer Luxus wirkt. 400 Büroräume sollen hier in dem Neubau untergebracht werden, der in seinem Gestus dem FIAT-Werk Lingotto in Turin ähnelt, allein, es fehlt die Rennbahn mit Steilkurve auf dem Dach. Aber sie ist sie da, diese sportliche Dynamik … die der 1990er-Jahre! Denn das, was Schultes Frank Architekten Mitte Januar der Presse präsentierten, ist das Bauteil in der städtebaulichen Konzeption des „Band des Bundes“ von 1992, das damals – und morgen dann – den westliche Abschluss bildet.
Es gibt Differenzen zu 1992, die sind den gestiegenen Sicherheitsanforderungen geschuldet: eine geschlossene Erdgeschossfassade beispielsweise. Neben den Büroräumen, deren Grundrisse im Anschnitt einmal kurz gezeigt wurden („Wir dürfen eigentlich gar keine Pläne zeigen!“, so Axel Schultes), soll es eine Kantine für den gesamten Komplex geben, ein multifunktionaler Versammlungsraum, Service-Räume, eine Kita für die Kinder der Angestellten und Autoabstellplätze. Das wird unter dem Park im Innenrund des insgesamt sechsgeschossigen Neubaus untergebracht werden.
Und weil der Neubau auf der grünen Wiese errichtet wird, kommt er als „Kanzleramts-Campus“ daher, dessen Planung in wenigen Wochen beginnen wird. Die Architekten haben dafür rund vier Jahre inklusive Ausschreibung und Vergabe berechnet. Dann soll mit dem Bauen begonnen werden, für das wiederum vier Jahre veranschlagt sind. Geplante Eröffnung ist – Stand November 2018 – 2028. Dass die insgesamt 460 Mio. € Realilsierungskosten nicht ausreichen werden, wurde sowohl von Bauherrn- wie Architektenseite mehrmals geäußert: „Die Gesamtkosten für das Projekt lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht belastbar beziffern.“ Und könnten beim Doppelten dessen landen, was der Kanzlerbau damals mit rund 300 Mio. € gekostet hat.
Notwendig wird die Erweiterung des 2001 bezogenen Kanzleramtsgebäudes, da sich die Aufgaben des Bundeskanzleramtes seither deutlich verändert haben. Themen sind hier Energiewende, Terrorismusbekämpfung, Migration, Cyberkriminalität oder die große Zukunftsaufgabe Digitalisierung. Die Mitarbeiterzahl ist so von 410 auf rund 750 gewachsen, was neben einer signifikanten Überbelegung des Hauptgebäudes, das für maximal 460 Arbeitsplätze ausgelegt ist, dazu geführt hat, dass etwa 200 MitarbeiterInnen in anderen Bundesbauten untergebracht werden mussten.
Axel Schultes spielte das Projekt ein wenig herunter (reiner Zweckbau) und nutzte die Pressekonferenz, um wieder einmal auf die eigentliche Fehlstelle im demnächst vielleicht vollendeten „Band des Bundes“ hinzuweisen: auf das Bürgerforum. Das in dem Entwurf vom „Band des Bundes“ als Arena daherkommt und das zwischen Kanzleramt und Abgeordnetenhäusern (Stephan Braunfels Architekten) den Dialog zwischen Regierenden und Regierten lebendig machen soll. Doch während mit dem Erweiterungsbau ein wesentlicher Teil des Spreebogenwettbewerbs 25 Jahre später realisiert wird, müssen wir noch ein paar Jahre auf den Lückenschluss warten. Dem heute 75jährigen Axel Schultes wäre das zu gönnen, der Pflege einer zurzeit eher polemisch geführten Gesellschaftsdebatte zu wünschen. Ob das ständig zunehmende Sichverschanzen dazu beiträgt? Im Gegenteil. (mit Bildern auf DBZ.de) Be. K.