Holz-Brutalist

Cowan Court, Cambridge/GB

Cowan Court ist neuester Teil des Churchill-College auf dem Campus in Cambrigde. Das College ist das Resultat eines der größten Architekturwettbewerbe der 1960er-Jahre in Großbritannien, den das Büro Sheppard Robson u. a. gegen die Smithsons gewann und heute als Klassiker des Brutalismus gilt. 6a architects haben darauf sehr konsequent mit ihrem (Holzbau)Entwurf für ein Studentenwohnheim geantwortet.

Nachdem 6a achitects 2008 bereits in die Endrunde für einen Schulbauwettbewerb in Oxford gelangt waren – hier aber am Ende ausschieden –, konnten sie weiter östlich in England, nun im ebenfalls traditionsreichen Cambridge, im gleichen Jahr den internationalen Wettbewerb für einen Entwurf eines Studentenwohnheims für sich entscheiden. Der Neubau, der mit 68 Zimmern auf die wachsende StudentInnenzahl reagiert, passt sich dabei auf ganz eigene wie perfekt gemachte Weise in die gebaute Campuslandschaft ein. Der Bestand, der wegen seiner architektonischen Qualitäten unter Denkmalschutz steht, gliedert sich in zehn Hofbauten (Courts), die sich mit anderen Gebäuden zu einem die Grünanlagen östlich und nördlich fassenden Ensemble fügen. Auf dem Grün finden sich einige Tennisplätze. Mit dem Neubau von
6a architects, der zwischen Tradition und sehr subtiler Gegenwärtigkeit oszilliert, wird das Grün nun von Südosten weiter geschlossen.

Städtebau

Vielleicht ist es etwas hoch gegriffen, die eher landschaftliche Situation im Westen Cambridges mit Begriffen des Städtebaus fassen zu wollen. Dennoch ist der Entwurf der in London ansässigen Architekten ein städtebaulicher. Er reagiert auf die vorhandenen Achsen, auf Höhen und die Volumetrien der Courts nicht anders, als wäre der Kontext ein urbaner. Der neue Court – die erste Erweiterung der Anlage seit knapp 60 Jahren – ist im Grundriss beinahe identisch mit dem der großen Courts des Bestandes. Mit allerdings einigen wesentlichen Ausnahmen. So sind die knapp 27 m langen Fassadenseiten leicht nach innen eingezogen, sind statt der Erker und Balkone
Erkerfenster eingebaut, wurden die Ziegelwände zwischen den sichtbaren Betonstützen durch Eichenbretter ersetzt wie auch die Attikaverkleidung (Kupferblech im Bestand) durch ein mit seiner Maserung spielendes Holzbretterband, ebenfalls Eiche.

Der Haupteingang des neuen Studentenwohnheims ist zum Bestand hin ausgerichtet, zusätzlich gibt es eine kleine Tür, über welche die südlich anliegende Wohnbebauung zu erreichen ist.

Holz

Nun arbeiten 6a architects gerne mit Holz, wobei ihre Entwürfe in der jüngsten Vergangenheit Holz eher als gestalterisches oder auch konzeptionelles Element behandelt haben. Insbesondere das der japanischen Holzbearbeitung abgeschaute Karbonisieren der Holzober­flächen, das sie erstmals und intensiv in der Kunstgalerie „Raven Row“ (London, 2009) ausprobierten. In Cambridge wurde dieser Prozess bei der Holzfassade nicht angewendet. Allerdings sind die Fassadenbretter alte (und sehr gebrauchte) Planken alter Güterwagons der französischen Staatsbahn, deren ganzer Gestus durchaus den dunkel gebrannter Holzoberflächen hat. In diese fast finstre Anmutung hinein sind die großen Fenster mit ihren hellen Eichenholzrahmen gesetzt (in Deutschland vorgefertigt). Ebenfalls findet man das helle Holz bei den raumhohen Glastüren vor dem Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss sowie an den kleinen Nebeneingängen. Die zum Hof hin liegenden Fenster vor den Fluren der oberen Geschosse sind ebenfalls mit dem hellen Eichenholz gefasst, der überdeckte Wandelgang vor der Erdgeschossfassade ist dreiseitig von dunklerer Eiche gefasst.

Hybridkonstruktion

Der Dreigeschosser ist eine Hybridkonstruktion. Die Erschließungskerne und davon ausgehende weitere Teile (Brüstungen, Decken, Stützen, einzelne Wandabschnitte) wurden aus Betonfertigteilen
konstruiert, der große Rest ist eine Holzständerkonstruktion. Die Innenwände und Teile der Fassade (Fensterelemente) wurden als gedämmte Rahmenkonstruktionen in Brettschichtholz ausgeführt. Die Fassadenteile sind vorgefertigt und wurden per LKW aus Deutschland auf die Baustelle geliefert.

Der wegen unterschiedlicher Materialausdehnung wichtige Übergang von Holz- zu Betonkonstruktion wird insgesamt in definierten Grenzen beweglich gehalten. Während die Stützen in verzinkten Stahlschuhen stehen, können die Balken über Stahlwinkel zur
Betonkonstruktion arbeiten, ohne dass es zu problematischen Zwängungen kommt. Die mit Mineralwolle gedämmte Außenwand ermöglicht mit der 3-fach-Verglasung annähernd ein Niedrigenergielevel, das in England noch nicht selbstverständlich ist.

Die von der Fassade zum Innenhof durchlaufenden Brettschichtholzbalken liegen auf den Innenwänden auf. Das erlaubt eine leicht schlankere Dimensionierung der sichtbar gelassenen Unterzüge. Dass nicht an jeder Stelle alles auf einen Nutzen hin optimiert wurde, zeigen die Stützen in den vier Ecken des Neubaus: Hier trägt jede Stütze zwei Balken und stellt damit einen allerdings sehr subtilen
Bezug zum Bestand gegenüber her, wo die Stahlbetonstützen ebenfalls zwei Balken tragen. Und dort ganz offenbar das Lasten und Tragen sichtbar abbilden in der für die Jahre typischen Bauklotzdirektheit, in schalungsrauer Sichtbetonqualität.

Brandschutz

Und weil es immer noch Bedenkenträger gibt, die beim Holzbau immer auch sofort gut brennende Häuser vor Augen haben: Nein, massives Holz brennt schlecht an. Und ja: Selbst brennendes Holz hat lange noch eine hohe Resttragfähigkeit. Den brandbeeinflussenden Aspekt der Karbonisierung von Holzoberflächen hatten wir oben schon besprochen. Doch natürlich fragten wir bei 6a architects auch hier nach und Tom Emerson gab lapidar zurück: „We added 25 mm extra depth to all exposed timber surfaces. Thats all!“

Fazit

Mit der Vorfertigung (auch die Bäder wurden auf der Baustelle fertig montiert und dann als komplette Einheit in die Konstruktion gehoben), der Wiederverwendung von Holz für die Fassade, der Minimierung der individuellen Flächen zugunsten der allerdings auch sehr kargen Allgemeinflächen bis hin zur Realisierung eines Niedrigenergielevels haben die Architekten das erreicht, was sie wollten: einen möglichst kleinen CO2-Fußabdruck hinterlassen (wozu am Ende auch der kleine, noch junge Birkenwald im Courtyard beiträgt). Und ein starkes, respondierendes Gegenüber zu einem übermächtigen Bestand geschaffen. Beides ist wohl gelungen, der Holz-Brutalist ist nicht weniger als eine klare Antwort auf die Fragen, die die Brutalisten vor einem halben Jahrhundert schon uns allen gegeben haben: ehrlich sein und keine Umwege machen. Und dabei immer wieder alles neu (er)finden. Be. K.

Baudaten

Objekt: Cowan Court
Standort: Churchill College, Cambridge/GB Typologie: Bildungsbau Bauherr, Nutzer: Churchill College, Cambridge/GB
Architekt: 6a architects, London/GB, www.6a.co.uk
Mitarbeiter (Team): Tom Emerson, Stephanie MacDonald (Direktoren), Takeshi Hayatsu (Projektleiter), Owen Watson, Cecile David, Rory Corr, Martin Knassen, Ali Greig, Karolina Sznajder
Generalunternehmer: SDC Builders, Bedford/GB, www.sdc.co.uk
Bauzeit: März 2015 – Juli 2016

Fachplaner

Tragwerksplaner: Price&Myers,

Düsseldorf, www.pricemyers.com
ELT-Planer: Max Fordham, London/GB;

www.maxfordham.com
Fassadenplaner: Harry Montresor Partnership, North Wraxall/GB,

www.montresorpartnership.co.uk
Projektmanagement: Gleeds, London/GB, www.gleeds.co.uk
Landschaftsarchitekt: Jonathan Cook Landscape Architects, London/GB, www.jcla.co.uk
Planungsberater: Beacon Planning, Cambridge/GB, www.beaconplanning.co.uk

Projektdaten

Grundstücksgröße: 5 000 m²
Grundfläche: 2 420 m²
Hauptnutzfläche: 2 420 m²
Brutto-Rauminhalt: 8 970 m³

Baukosten

Gesamtkosten: 10,6 Mio. €
Hauptnutzfläche: 4 380 €/m²
Rauminhalt: 1 181 €/m³

Energiebedarf

U-Wert Außenwand = 0,1 W/m²K
U-Wert Grundplatte = 0,15 W/m²K
U-Wert Dach = 0,15 W/m²K
Uw-Wert Fenster = 0,8 W/m²K
Uw-Wert Glas = 1,0 W/m²K

Hersteller

Eichenholzfenster: Flexwood Joinery,

www.flexwoodjoinery.com Eichenholztüren: JP Stone Ltd.,

www.jpstoneuk.com
Dach: Kalzip GmbH, www.kalzip.com
Metallelemente Fassade: Aalco Metall,

www.aalco-metall.de

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