Holz in der Stadt
Mehrfamilienhaus 3xGrün, Berlin-Pankow

Gerade der Holzbau bietet heute dank avancierter Mög­lichkeiten der Vorfertigung mit großer Präzision das Potential für neue Raumkonzepte. Drei junge Architek­ten aus Berlin wagten außerhalb ihrer eigenen, gut laufenden Büros mit einer Baugruppe in Berlin-Pankow ein Modellprojekt, das Stahl und Stahlbeton auf ein Minimum reduzierte und einen erstaunlicherweise unterzugslosen, 5-geschossigen Holzbau in der Innenstadt möglich machte.

Der Name 3xGrün erschließt sich wohl kaum jedem Be­sucher der Pankower Görschstraße. Graue Faserzement­platten, verspringende Fensterreihen und lange Balkonbänder, aber auch viel Holz nimmt man hier und dort wahr, was nicht ganz in das Bild des gewöhnlichen Berliner Wohnungsbaus zu passen scheint. Und tatsächlich handelt es sich bei dem neuen Haus Görschstraße 48/49 um einen Experimentalbau aus Holz, der in hohem Maße auf Vorfertigung, Partizipation und Flexibilität setzte. Sein etwas prosaischer Titel 3xGrün steht für Angebote an Freiräumen, für sehr großzügig bemessene Balkone, einen Gemeinschaftsgarten und eine Gemeinschaftsterrasse auf dem Dach.

Mit ihrem 2008 gegründeten privaten „Institut für urbanen Holzbau“ gelang Christoph Roedig, Philipp Koch und Daniel Rozynski ein Holzhaus mit Modellcharakter zu verwirklichen, dessen Baugruppe nicht nur sehr individuelle Grundrisse, sondern auch die Fassaden auswählen konnten.13 Wohnungen zwischen 98 m² und 190 m² auf
einer Wohnfläche von 1 870 m² waren das Ergebnis. Sechs Maisonettewohnungen, fünf davon im Erdgeschoss, die alle von der Straße direkt erschlossen werden, sowie eine im dritten und vierten Obergeschoss, während alle Etagenwohnungen über ein einladendes Foyer mit zwei Treppenhäusern - Brandschutz! – zu erreichen sind. Dank großzügiger Festverglasungen und loftähnlicher Räume erscheinen alle Wohnungen im Innern größer als sie mit ihrer lichten Höhe von 2,80 m wirklich sind. Der Clou? Türen von 2,25 m Höhe und Decken, die durchgängig holzsichtig und unterzugslos sind, die allein mit einer dünnen Brandschutzlasur beschichtet wurden. Überraschende Holzdecken zumal, die zur Gartenseite die Fassade durchstoßen, um dort überaus großzügige Balkone mit einer Tiefe von mehr als 2m zu ermöglichen. Die Küchen und Schlafbereiche sind fast durch­gängig zur Gartenseite, die Wohnbereiche zur Straße orientiert. Von der Vielfalt ihrer Wohnungszuschnitte ist Außen nur wenig zu erkennen.


Die Konstruktion

Mit einem süddeutschen Hersteller von kreuzverleimten Brettschichtdecken wollten die Architekten ihre Holz-

konstruktion ursprünglich realisieren. Doch trotz zweier zusammengelegter Bauparzellen und einem Haus mit

35m Länge war ihm die Größe ihres Projektes zu klein und geografisch zu entfernt für ein attraktives Preisangebot. Ein anderer Hersteller und eine lokale Zimmerei sprangen ein, die gemeinsam mit den Architekten und ihrem Tragwerks­planer Michael Kühl von IFB Berlin ihr Konzept eines weit­gehend präfabrizierten Holzbaus zu optimieren halfen.

Als ein 5-geschossiger Holzbau ist 3xGrün konzipiert, der nur im Bereich seiner zwei Treppenhauskerne, der Brandwände und Maisonetten des Erdgeschosses auch Stahlbeton aufweist. Quasi auf einem Stahlbetontisch entstand der Holzbau, womit man das Problem der durch Lasten und Feuchtigkeit hoch beanspruchter Gebäudeteile wie Fundament, Keller und Brandwand löste und sich zugleich für die Maisonetten größere Grundrissfreiheiten eröffnete. Die vertikale Lastabtragung erfolgt über eine Holzskelettkonstruktion mit Stützen aus Brettschichtholz und deckengleichen Unterzügen in Kerto S. Für die kreuzverleimten Fertigpaneele aus 189 mm starkem Leno-Brettschichtholz erwies sich eine Größe von durchschnittlich 6x3 m als die ökonomisch sinnvollsten Variante. Die Außenwände wurden hingegen mit 36 cm starken Holzrahmen–bzw. Fensterelementen ausgefacht.

Vorfabrikation hat viele Vorteile

Weitgehend vorfabriziert wurden alle groß-­formatigen Elemente. Die Stahlbetonwände als Halbfertigteile, die Holzdecken von einem Systemhersteller und die weiteren Wandelemente von einer Berliner Zimmerei geliefert. Für die Außenwände wählte man eine hinterlüftete Faserzementplattenfassade in den Obergeschossen und eine Lärchenholzbrettschalung für das Erdgeschoss, die auch die stärker von Wetterverhältnissen abhängige Bauzeit vor Ort und Baukosten erheblich zu reduzieren half.

Konsequent wurden alle Planungsabläufe systematisiert und auch die Entscheidungsprozesse mit den Bauherren vereinfacht. Die Vorfertigung insbesondere der Holzbauteile ermöglichte eine präzise Konstruktion und Koordination mit den Stahlbetonhalbfertigteilen. Der Kniff von Stahlgewindeschrauben statt der üblichen Blechteile, die sonst heute zumeist Stützen und Decken im Holzbau miteinander verbinden, reduzierte hier nicht nur den Stahlanteil des Holzbaus erheblich, sondern auch die Notwendigkeit von Vorbohrun­gen und damit mögliche Anschlussprobleme auf der Baustelle.

Während sonst mehrgeschossige Holzbauten weitgehend eingekapselt sind und holzsichtige Oberflächen ausschließen, ist
hier viel Holz, inbesondere die Decken mit
ihrem Material, vor allem auch von Außen sehr gut sichtbar. Dank eines objektbezogenen Brandschutzgutachtens gelangen
bemerkenswerte Abweichungen von der Muster­holzbauricht­linie. So wurde die Kapselklasse der Außenwände von K60 auf K30 gesenkt und die LenoHolzdecken mit einer transparenten B1-Beschichtung ausgeführt.

Mit einem findigen wie flexiblen Grundrissraster von drei Raumzonen, deren Mittelzone oft die Bäder aufnahm, löste man das Problem der geringeren Spannweiten des Holzbaus und ließ die Stützen im Innern in Trockenbauwänden verschwinden. Mit einer kaum sichtbaren Schallfuge, der Entkop­p-lung der leichteren Holzdecken von den Wänden, sowie einer 6 cm starken Splittschüttung fand man effektive Lösungen für den Schallschutz im Wohnungs­bau.

Mit 2 100 bis 2 200 € brutto pro m² Wohnfläche inklusive des Grundstückspreises
Sgelang den Architekten Christoph Roedig, Philipp Koch und Daniel Rozynski ein Holzhaus mit Modellcharakter. Ein marktfähiger, elementierter Prototyp, der bald Nachfolger in anderen urbanen Situationen finden soll. Gegenüber anderen Berliner Baugruppenprojekten schufen sie attraktive Eigentumswohnungen, sowie gemeinschaftliche Räume. Claus Käpplinger, Berlin

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