Wohn- und Geschäftshaus C13, Berlin
Vor wenigen Jahren bauten Tom Kaden und Thomas Klingbeil Europas ersten innerstädtischen, siebengeschossigen Holzbau, der konstruktiv und städtebaulich neue Wege wagte. Dies gilt nun vermehrt für ihr neues Gebäude, einen urbaner Holzbau mit unterschiedlichen Nutzungen, der einer 18 m breiten Baulücke entlang einer 47 m langen Brandwand überraschend vielfältige Lebensräume abgewinnt. Mit seiner Holz-Hybrid-Bauweise erweist sich das Projekt „C13“ als höchst innovativ – funktional ebenso wie konstruktiv.
Konzipiert von Tom Kaden und Thomas Klingbeil sowie gebaut von Kaden + Partner ist das Projekt „C13“ – dessen Name von seinem Standort, der Christburger Straße 13 im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg herrührt – in vielen Aspekten ungewöhnlich. Einmal mehr folgten hier die Architekten in Konstruktion und Städtebau nicht dem Vorgegebenen. Ein wilhelminischer Großblock mit einer Schule im Blockinneren und einer 18 m breiten Baulücke entlang einer 47 m langen Brandwand war ihnen Grund genug, um nach einer neuen baulichen Lösung zu suchen. Hier wollten sie weder wie gewohnt ein Vorder- und Hinterhaus in die Lücke setzen und damit erneut den Block völlig schließen, noch die sehr monotonen Lochfassaden des 19. Jahrhunderts oder des früheren Senatsbaudirektors Hans Stimmann repetieren.
Vielmehr sollten Anwohner und Passanten von ihrer neuen Stadtverdichtung profitieren, indem eine ungewöhnliche Baulücke zwar bebaut, aber ganz bewusst nicht geschlossen werden sollte, um weiterhin – und vielleicht sogar noch spannender als zuvor – an den oft sehr unterschiedlichen Berliner Lebenswelten zwischen Straße und Hinterhöfen Anteil nehmen zu können. Wozu die Architekten gute Argumente nicht zuletzt gegenüber ihrem Bauherrn fanden, der christlichen „Stiftung Bildung.Werte.Leben“, die sich hier dezidiert ein Gebäude aus dem regenerativen Material Holz wünschte.
Städtebau durch Brandschutz
Eine Entscheidung, die dem Projekt auf erstaunlich vielfältige Weise zugute kam. Denn ein Mehrgeschosser in Holzbauweise erfordert in Deutschland stets materiell davon getrennte Fluchtwege aus einem feuerbeständigem Material. Während andere Architekten diese brandschutztechnisch erforderliche Trennung oft mittels eines Erschließungskerns aus Beton innerhalb des Hauses lösen, entschied sich Tom Kaden dazu, diese Trennung keineswegs „unsichtbar“ zu machen, sondern bei seinen Gebäuden immer wieder alle Erschließungs- und Fluchtwege geradezu demonstrativ mit einer offenen Blockspalte nach außen zu kehren. Woraus sich beim Projekt „C13“ ein ungeahnt urbaner Raum mit ganz eigener Qualität entwickelte: eine 47 m tiefe Raumspalte in einem Berliner Block, entlang derer sich nun alle Erschließungswege des Hauses erstrecken. Überraschend vielgestaltig füllen zwei Treppenhäuser, ein Fahrstuhlturm
sowie zahlreiche offene Galerien und Brücken die Tiefe des Raumes aus und laden zur Entdeckung einer sehr abwechslungsreichen
Hauslandschaft ein. Nicht eine, sondern gleich zwei Hauptfassaden gewann dadurch das Haus „C13“, dessen Mix unterschiedlicher Nutzungen über 3 685 m² Bruttogeschossfläche nicht weniger ungewöhnlich ist.
Flexible Nutzungsmöglichkeiten
Denn hier finden sich nicht nur sieben Miet- und Eigentumswohnungen, eine größere Wohngemeinschaft für Studierende, mehrere Arzt- und Therapiepraxen, ein Familienzentrum, mit darin integrierter Kita, sondern darüber hinaus noch ein zweigeschossiges Bistro mit einem flexibel teilbaren Event- und Konferenzbereich. Zwei konstruktiv klar getrennte Häuser, die aber visuell nur als ein einziges Haus wahrgenommen werden, machten diese erstaunliche Mischung von Funktionen möglich, deren räumliche Organisation um zwei große Lichthöfe entlang der langen Brandwand nicht nur unterschiedliche Außenräume hervorbrachte, sondern auch mögliche Konflikte der Nutzungen auf ein Minimum zu reduzieren half. Dem Material Holz gewannen die Architekten konstruktiv erstaunliche Lösungen ab, in enger Zusammenarbeit mit dem Tragwerksplaner Tobias Götz vom Büro Pirmin Jung in Rain/Sinzig, Siegfried Kohler des Vorarlberger Holzbau-Unternehmens Oa.sys sowie dem Brandschutzingenieur Dirk Kruse von Dehne Kruse.
Betonsockel und aufgehender Holzmix
Dabei erwiesen sich einmal mehr alle Beteiligten als unorthodox, indem sie sich ganz bewusst für eine Ausführung des Keller-, Erd- und teilweise auch des 1. Obergeschosses in Ortbeton entschieden und den Holzbau erst darüber beginnen ließen, um dessen Empfindlichkeit gegenüber Bodenfeuchtigkeit zu umgehen. Darüber entstand jedoch straßenseitig ein siebengeschossiges Gebäude in massiver Brettsperrholz-Bauweise (BSP) und hofseitig ein fünfgeschossiges in einer günstigeren Holztafelbauweise. Dabei wurden alle Vorteile einer zeitgemäßen Holzbauweise, mit ihrer hohen Präzision und Termintreue, dank wetterunabhängiger Vorfertigung und einer daraus folgenden extrem kurzen Bauzeit vor Ort eindrucksvoll genutzt.
Zu hoch für Holz – eigentlich
Da mit 22 m Höhe das Vorderhaus in Gebäudeklasse 5 Sonderbau fiel, erfüllte zu Beginn der Planungen allein das Hinterhaus die Gebäudeklasse 4, bis zu der maximal die Berliner Bauordnung einen mehrgeschossigen Holzbau erlaubt. Weshalb die Realisierung von „C13“ eine kreative Interpretation der Bauordnung und zugleich einen sehr umfangreichen Brandschutznachweis von
Dirk Kruse erforderte, um optionale Erleichterungen aufgrund eines „Gebäudes besonderer Art und Nutzung“
zu erhalten. Alle tragenden und aussteifenden Wände sowie Stützen mussten dennoch eine Feuerbeständigkeit von F90 erfüllen und für jede Nutzungseinheit war ein
individueller Flucht- und Rettungsplan zu erstellen.
Verbundholz-Konstruktion
Die tragenden Massivholzwände (100 mm) des siebengeschossigen Gebäudes wurden für die Kapselklasse K260 raumseitig mit einer doppelten Lage Gipsfaser-Platten (2 x 18 mm) verkleidet, während dieselben nach außen gewandten Elemente mit 12,5 mm dicken Steinwolldämmplatten und einem mineralischen Putz (10 mm) ausgestattet wurden. Einen anderen Wandaufbau besitzen die tragenden Holztafelwände des fünfgeschossigen Gebäudes: sie erhielten raumseitig die gleiche Gipsfaserplatten-Verkleidung, da ihre Mineralfaserdämmung im Wandhohlraum ausreichenden Schutz vor Entflammung bietet. Einer Gipsfaserplatte (18 mm) folgen nun dort nach außen eine Steinwolledämmplatte (10 mm) sowie ein mineralischer Putz gleicher Stärke.
Zusätzlich kamen bei beiden Häusern ab dem 2. Obergeschoss verkleidete Holzwerkstoffstützen (360 x 360 mm) aus Brettschichtholz und Furnierschichtholz sowie Holzbetonverbund-Decken (HBV-Decken) aus Brettschichtholz (140 mm) mit einer darunter liegenden Ortbetonschicht (100 mm) zum Einsatz. Da größere Spannweiten für viele Nutzungen ausdrücklich gewünscht waren, wurden die HBV-Decken um Stahlträger ergänzt. Mit der Verzahnung der BSP-Wände mit den Holzbetonverbund-Decken fanden Tobias Götz und Siegfried Kohler zu einer besonders innovativen Lösung, um die Steifigkeit der Konstruktion zu erhöhen und zu verhindern, dass sich die unterschiedlichen Materialien gegeneinander verschieben. Eingefräste Ausschnitte auf den Unterseiten der BSP-Wandelemente fügen sich so hier passgenau in die Kerven der Holzverbund-Decken, die beim Betonieren der Verbunddecken zudem noch direkt miteinander vergossen wurden. Eine Lösung, die sich gegenüber den gewohnten Nagelverbindungen als überlegen erweist, indem sie weit bessere und steifere Verbindungen von Decke und Wand herstellt.
Nachhaltig, bestandsintegriert, modern
Im „C13“ kamen weder chemischer Holzschutz noch Dampfsperren aus Kunststoff zum Einsatz. Mit seiner kontrollierten Be- und Entlüftung, einer Fußbodenheizung und einem Gasbrennwertkessel sowie einer Zweischeiben-Isolierverglasung (U-Wert: 1,1 W/(m2K)) erreicht es zudem den Standard KfW-Effizienzhaus 40. Und die aktuelle EnEV-Anforderung von 0,977 W/(m2K) unterschreitet dieser Holz-Hybridbau mit seinem durchschnittlichen U-Wert von 0,534 W/(m2K) deutlich. Seine integrale, kooperative CAD-Planung mit millimetergenau vorproduzierten und just-in-time verarbeiteten BSP-, Holztafelbau- und Holzbeton-Elementen ermöglichte nicht zuletzt eine uneingeschränkt zeitgenössische Architektur, die an den Bestand anknüpft und darüber hinaus die weiße Moderne ins 21. Jahrhundert transformiert – und zugleich einen wertvollen Stadtbaustein darstellt für ein urbanes Miteinander unterschiedlicher Nutzungen in einem Haus. Claus Käpplinger, Berlin
KG 400 (brutto): 940 140 €
Endenergiebedarf: 226,37 kWh/m²a nach EnEV 2007
Jahresheizwärmebedarf: 193,44 kWh/m²a nach EnEV 2007
U-Wert Bodenplatte = 0,263 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,146 W/(m²K) Uw-Wert Fenster = 1,100 W/(m²K)
Luftwechselrate n50 = 0,5/h