DBZ Heftpate Eike Becker, Berlin
Nachverdichtung ist das Gebot der Stunde

Nachverdichtung ist das Gebot der Stunde. Politische, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte sprechen für eine deutlich kompaktere Bauweise. Doch es ist auch ein Thema, an dem sich die Geis-ter scheiden: Kommunen wollen dringend benötigten Wohnraum schaffen, Projektentwickler und Investoren ihre Gewinne erhöhen,
Architekten Städte lebenswerter machen, neu Hinzuziehende eine preisgünstige Wohnung finden und Anwohner wollen nicht durch zusätzliche Nachbarn, Baustellen und Lärm gestört werden. Ein Spannungsfeld aus unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungen, in dem das Miteinander zum Wohle aller immer wieder neu verhandelt werden muss.

In Deutschland wird aus meiner Sicht zu niedrig, zu schmal, zu locker und insgesamt zu luftig gebaut. Städte können besser werden, wenn ihre Bewohner enger zusammenrücken. In den attraktivsten Metropolen der Welt leben die Menschen wesentlich dichter zusammen als hierzulande. Urbane Verdichtung muss allerdings politisch gewollt und ganzheitlich neu geplant werden. Dann könnten auch deutlich dichtere Städte zu Orten mit hoher Lebensqualität und gemeinschaftlichem Leben werden.

Dichtere Städte erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen, die etwas miteinander anfangen können, auch zusammenkommen. Dichte fördert die menschliche Interaktion und damit wirtschaftliche Innovation. So ist die Wahrscheinlichkeit, ein höheres wirtschaftliches Niveau, engere soziale Bindungen oder ein stärkeres subjektives Wohlbefinden zu erreichen, in der Stadt größer als in der Einfamilienhaussiedlung im Außenbezirk.

Das setzt eine Verbesserung der Aufenthalts- und Freiraumqualitäten voraus: Autostraßen reduzieren, Rad- und Fußgängerwege ausbauen, Erdgeschosse öffnen, Dachgärten anlegen und die Parks an veränderte Spiel- und Freizeitaktivitäten anpassen. Straßen und
Plätze müssen in dichten Städten deutlich mehr bieten als Raum für hupende Autokorsos, Schnäppchenjäger und Latte Macchiato-Trinker. Sie müssen zu vielfältigen Orten für Bewegung, Begegnung, diversen Angeboten und für Inspirationen werden.

Gefragt sind Nutzungen, die Menschen zusammenbringen, Gemeinschaft und Nachbarschaft fördern. Das kann der Waschsalon mit angeschlossenem Café sein, die Gemeinschaftsküche zum Kochen mit Freunden, die Fahrradwerkstatt im Quartier, der Gemüsegarten im Hinterhof oder die Fischzucht auf dem Dach. All das erhöht die Lebensqualität der Bewohner und fördert ihren Zusammenhalt.

Wachstum und Verdichtung werden in großen Städten zwangsläufig stattfinden. Das kann eher zufällig als zusätzliche Belastung für die Bürger geschehen. Oder aber bewusst vorausschauend und zukunftsweisend geplant werden. In ganz Deutschland werden aktuell Milliarden in neue Quartiere investiert. Warum können diese Projekte nicht gleich als smarte und ökologische Modell-Quartiere ausgerichtet werden? Die städtischen Wohnungsunternehmen könnten Vorreiter für Smart Home, Smart Health, Elektromobilität und Carsharing sein. Die Digitalisierung bietet zudem die Chance für eine ganz neue Generation nachhaltiger Neubauten, Altbauten und Quartiere: vernetzt, kreislauffähig, emissionsfrei und energieneutral.

Meine Vision für die Stadt der Zukunft: die nachhaltige, pluralistische, durchmischte, innovative und kreative Stadt, die auf gerechte Weise alle ein- und keinen ausschließt, die diverse gesellschaftliche Gruppen zusammenbringt und sich über Teilhabe definiert.

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