DEMO:POLIS – Das Recht auf öffentlichen Raum. Eine Ausstellung
Die „Ära der alten Gewissheiten“, so ist im Einleitungstext zur Ausstellung zu lesen, sei vorbei. Dann betritt in diesem Text in immer neuer Bezugssetzung der Begriff „öffentlicher Raum“ die Szene und zwar so, als sei dieser dann eben doch eine alte Gewissheit. Was ist aber der für alle offene, also von jedem und jederzeit betretbare Raum? Was macht ihn aus im Diskurs über die Stadt und ihre Auszeichnung vor allen anderen Orten gerade durch das Öffentliche?
Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – haben sich die Kuratoren der aktuell noch laufenden Ausstellung in der Akademie der Künste, Hanseatenweg, das Ganze vorgenommen. Öffentlicher Raum als politisches Spannungsfeld, als Ort, an welchem „die
Öffentlichkeit [...] neue Ansprüche an die Grundprinzipien der Demokratie und an die Gestaltung des öffentlichen Raums“ stellt.
Versicherungskonformität, Besitzstörung
Den öffentlichen Raum könnte man auch als die immer zu füllende Leerstelle in einer zunehmend segementierten und verschlossenen Stadt bezeichnen. Ihn zu gestalten war einmal die Aufgabe von Städteplanern und Architekten. Heute erscheinen sie am großen Ganzen gescheitert zu sein. Oder als verlängerter Arm einer Verwaltung, die sich in paradoxer Weise Handlungsspielräume erkaufen möchte durch die Veräußerung von Gemeineigentum. Öffentlicher Raum soll dabei nicht verschwinden. Er wird allerdings zweckrationalisiert zum Aktivum des Stadtlandschaftsmanagments, mit dessen Hilfe das Überleben der Städte als prosperierende Zentren gesichert werden soll. Damit verwandelt sich die Stadt der Bürger in eine Torte, die aufgeteilt wird und deren Stücke so mehr und mehr in privates Eigentum übergehen. Ohne dass daraus Verantwortung des Eigentümers für das Ganze, die so genannte „Stadtgesellschaft“ entstünde. Regularien der Eigentumsverwaltung zielen eher auf die Herstellung eines den Ansprüchen der Versicherungen konformen Zustands. Und natürlich hat der Eigentümer das Hausrecht, das die Durchsetzung eines „Anspruchs wegen Besitzstörung“ überhaupt erst möglich macht.
Projekteüberblick
Viel Stoff zum Nachdenken also. Und so hätte man in Berlin jede Menge Untersuchungen zur Privatisierung, Ökonomisierung oder zur Aufrüstung und Verfeinerung der Überwachungstechnologien, -systeme und -strategien erwarten können. Doch das findet sich eher im gut gemachten Katalog (Park Books, Zürich). Der ist – wie so oft bei anspruchsvollen Ausstellungen – unverzichtbar, das zentrale Thema über Besitzstände weiter aufzubohren. In der Akademie zeigen Pläne und Modelle, Fotos und Filme, wie Spezialisten und die Bürger selbst die Demopolis gestalten und nutzen. Die Ausstellung zeigt Raumgestaltungen kleinerer Plätze und ganzer Küstenstreifen. Wir sehen Dokumentationen von Demonstrationen und kritischen Kunstaktionen und erhalten ausschnittweise Einblicke in die Arbeit erfolgreicher Bottom-Up-Initiativen zur Wahrung des Öffentlichen. Dazu bieten die Kuratoren auch im Mai noch ein umfangreiches Mitmach- und Lernprogramm mit Konzerten, Vorträgen oder so genannten „Arbeitssitzungen“.
Dogma vom Eigentum
Wohin ein Besuch führen sollte? Ganz gewiss zu der Erkenntnis, dass der öffentliche Raum nur noch ein Mythos ist, den zu entkleiden dringend notwendig ist. Möglicherweise hat es den öffentlichen Raum idealiter nie gegeben? Möglicherweise ist er schon verloren, weil wir nichts tun. Denn selbst wenn wir glauben, wir wären als Bürger und einigermaßen gleichberechtigte Mitglieder der Stadtgesellschaft diejenigen, die noch Kontrolle und Einfluss auf die Leerstellen im privatisierten Stadtraum hätten, müssen wir gerade auch mit Blick auf die in Berlin präsentierten Arbeiten erkennen, dass viele der hier gezeigten Projekte meist nur die Behandlung von Symptomen darstellen. Ursachen für den Verlust des Städtisch-Öffentlichen sind: Vereinzelung und die Angst vor dem Anderen, oberflächenbrilliantes Hightech, das Brüche glättet, Parteiinteresse und Legislaturdenken, monofokale Bildung, Angst vor Veränderung (Besitzstandswahrung) und nicht zuletzt das Dogma vom Eigentum, das mehr noch als Religionsfriede oder gelebte Partnerschaft allen städtischen Dingen die stärkste Wurzel ist. Ja, wir haben ein Recht auf öffentlichen Raum. Und die Pflicht, ihn als Gemeinraum für die offene Stadtgesellschaft vor schleichender Vereinnahmung zu retten. Be. K.