Dachintegrierte Photovoltaik

Die Gewinnung von erneuerbaren Energien durch Photovoltaik hat in der Architektur eine besondere Bedeutung, weil der Umgang mit PV-Modulen einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Gebäude hat. Die Autoren stellen Systeme vor, mit denen sich PV-Module ohne gestalterische Abstriche in die Architektur integrieren lassen.

In 2018 wurde bereits etwa 9 % des Netto-Stromverbrauchs in Deutschland durch Solarstrom erzeugt. Als erste Kommune hat Tübingen sogar eine Photovoltaik-Pflicht eingeführt. Hier müssen Neubauten im Niedrigenergiehaus-Standard als KfW-Effizienzhaus 55 errichtet und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach nachgewiesen werden. Nach Feststellung der Stadtverwaltung ist Photovoltaik die billigste und beste Stromquelle. Entsprechend der EU-Richtlinie „Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden“ (EPBD, 2010) müssen Neubauten ab dem Jahr 2019 beginnend mit dem öffentlichen Bau als Niedrigstenergiegebäude geplant werden und ihren Energiebedarf zu einem wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen nach Möglichkeit am Standort oder in der Nähe decken. 2021 gelten die Anforderungen dann auch für privat genutzte Neubauten.

Solarstrom im Stadtquartier

Mit neuen Möglichkeiten zur Quartiersversorgung und dem Mieterstromkonzept ergeben sich durch den Einsatz von Photovoltaik in Verbindung mit Speicherung und der Elektromobilität dezentrale Lösungen, die die Wettbewerbsfähigkeit von Photovoltaik auch bei veränderter Förderkulisse mit stark gesunkenen Einspeisetarifen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sicherstellen. Auch ohne diese Förderung kann festgestellt werden, dass Photovoltaik im Gebäudebereich sinnvoll und praxisgerecht sowie wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Die Investitions- und Gestehungskosten von Solaranlagen sind in den letzten Jahren deutlich gesunken. Insbesondere der Eigenverbrauch lohnt sich für den Anlagenbetreiber. Nach Feststellung des BSW- Bundesverband Solarwirtschaft e. V. ist bereits seit 2013 der selbsterzeugte Strom günstiger als gekaufter Haushaltsstrom. Dieser Trend wird anhalten. Intelligente Mess- und Steuerungssysteme (Smart-Meter-Rollout) erleichtern dabei die Nutzung des selbsterzeugten Stroms. Mit modernen Stromspeichertechnologien und intelligentem Energiemanagement werden die Nutzer unabhängig vom externen Stromnetz und somit auch unabhängig von zukünftig steigenden Energiepreisen aus dem öffentlichen Stromnetz. Darüber hinaus ermöglichen es Stromspeicher, den erzeugten Solarstrom vor Ort effizienter zu nutzen, Lastspitzen zu verschieben, Stromnetze zu entlasten und den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität zu erleichtern. Mit fallenden Gestehungskosten und verbesserter Leistung sind diese Speichertechnologien zum Selbstverbrauch auch heute bereits attraktiv. Als Stromspeicher können auch Elektro-Fahrzeuge zählen, da Privat-Fahrzeuge in der Regel die meiste Zeit stehen. Werden die einzelnen dezentralen Stromspeicher mit­einander intelligent vernetzt, können virtuelle Stromspeicher in einer „Cloud“ entstehen. Überschüssiger Strom wird nicht klassisch eingespeist, sondern in die „Community“ abgegeben und benötigter Strom hieraus bezogen. Übersteigt der Energiebedarf eines Mitglieds seine eigene Solarstromreserve, hilft die vernetzte Gemeinschaft automatisch mit nicht benötigter sauberer Energie aus sonnigeren Regionen aus. Dabei wird nur überschüssige Energie verwendet, die nicht in der dezentralen Speichereinheit gespeichert werden kann. Da die Mitglieder ihre überschüssige Energie miteinander teilen, werden sie von den klassischen Stromversorgern unabhängig und können bessere Preise erzielen oder zusätzlich benötigten Strom zu günstigeren Preisen einkaufen.

Photovoltaik auf dem Dach

Gegenüber sogenannten Freiflächenanlagen ist die Nutzung von Photovoltaik im Baubereich besonders günstig. Es werden keine zusätzlichen Flächen versiegelt. Mit der Nutzung von Photovoltaik am Gebäude werden vor allem Dächer als prägendes Element der Architektur wieder interessant. Durch seine Dachneigung und Orientierung ist insbesondere das Steildach ein idealer Standort für die Integration von Photovoltaik-Anlagen. Mit modernen Wechselrichtern ist es auch möglich, Module ohne große Leistungsverluste in beschatteten wie unbeschatteten Bereichen zu installieren; so kann auch bei unterschiedlichen Orientierungen von Dachflächen die Generatorfläche vergrößert werden. Häufig entsteht aber durch sogenannte Aufdach-Anlagen ein gestalterischer „Wildwuchs“, der von Architekten und Bauherren kritisiert wird.

Photovoltaikanlagen sind den natürlichen klimatischen Umgebungsbedingungen des Standorts ausgesetzt. Wind, Schnee und Temperatureinwirkungen sind Beanspruchungen, die auf die Module und bei Aufdachanlagen auf die Gestell-­komponenten einwirken. Als Teil eines Gebäudes oder Bauwerks gelten die allgemeinen Anforderungen an die Stand- und Funktionssicherheit. So kann sich insbesondere bei Aufdach-Anlagen eine statische Auslegung sowohl der Tragkonstruktion wie auch der Anlagenbefestigung ergeben. Auch die Komponenten selber unterliegen den Qualitäts- und Zertifizierungsanforderungen der eingeführten technischen Regelwerke oder es sind allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen vorzulegen oder eine projektbezogene Zustimmung im Einzelfall durch die obersten Baubehörden der Länder einzuholen. Wesentliche Grundlagen für die Planung ergeben sich aus der VDI Richtlinie 6012 Blatt 1.4 „Befestigung von Solarmodulen und Kollektoren auf Gebäuden“ sowie aus den Merkblättern des ZVDH „Solartechnik für Dach und Wand“ und „Einbauteile bei Dachdeckungen“.

Schadenspotential von Aufdach-Anlagen

Neben den optischen Bedenken zu Aufdach-Anlagen zeigen Erfahrungen aus der Praxis, aber auch technische Bedenken. So erfolgt bei Aufdach-Anlagen häufig die Befestigung der Module einer PV-Anlage mit einfachen Dachhaken. Diese sind nicht immer den Belastungen auf dem Dach gewachsen und müssen zur sicheren Montage auf der Tragkonstruktion eines Sparrens durch die eigentliche Dachdeckung durchgeführt werden. Hierzu ist in der Regel eine Bearbeitung der Dachpfannen erforderlich. Dazu müssen in den Überdeckungsbereichen von Dachziegeln oder Dachsteinen die regensichernden Kopf- und Fußverrippungen mit der Flex oder einem Hammer bearbeitet werden. Diese Manipulation der Überdeckungsbereiche gefährdet die Regen­sicherheit des Bedachungsmaterials und wirkt sich vor allem bei flachen Dachneigungen aus. Ein Versagen der Deckung ist möglich, da vor allem die aufwendigen Verfalzungsbereiche und Regensperren für ihre Regensicherheit der Dachdeckung sorgen. Die Bearbeitung der Dachziegel oder Dachsteine führt möglicherweise auch zu Einschränkungen der Produktgewährleistung.

Als weiteres Problem ergibt sich bei einfachen Dachhaken durch die Inanspruchnahme der Biegesteifigkeit des Bedachungsmaterials. So liegen Dachhaken zum Teil auf den Dachpfannen auf und nutzen so die Tragfähigkeit des Bedachungsmaterials zur Lastableitung von Windsog- und Schneelasten. Es muss festgestellt werden, dass diese Lastableitung über das Bedachungsmaterial nicht geregelt ist und stets im Einzelfall betrachtet werden muss. Werden die Dachpfannen unzulässig belastet, kann es auch zum Verlust von Gewährleistungsansprüchen kommen – oft erst lange nach Inbetriebnahme der Solaranlage. So können feine Haarrisse während der Montage erst viel später zum Schaden der beschädigten Pfannen führen. Zur Reparatur der eigentlichen Dachdeckung ist dann die Solaranlage aufwendig zurückzubauen.

Deutlich sicherer als mit konventionellen Dachhaken ist die Befestigung der Module mit sogenannten Modulstützen, die sparrenunabhängig entsprechend der statischen Auslegung mit Sog-latten oder Brettern in die Dachdeckung integriert werden können. Die Stützen werden, abgestimmt auf das Dachpfannenformat, mit der eigentlichen Dachdeckung verlegt und fügen sich harmonisch in die Dachdeckung ein. Die Dachpfannen und Modulstützen werden vorab im Windkanal auf Regensicherheit getestet und zusammen mit einer Grundpfanne aus Aluminium und dem Befes-tigungsmaterial geliefert. Eine Bearbeitung der Dachpfannen ist somit nicht erforderlich, die geforderte Regensicherheit der Dachdeckung bleibt erhalten.

Bei der Planung von sogenannten Aufdach-Anlagen in Verbindung mit Aufdachdämmlösungen ist zu beachten, dass die besonderen Lasten aus Windsog, Schub oder Schneelast auch statisch sicher über die Konterlattung und die Dämmung in die Tragkonstruktion eingeleitet werden können. In der Regel ist eine Lastableitung der von der Solaranlage verursachten Zusatzlasten auf den Sparren über druckfeste Aufdachdämmungen kaum möglich. Bei Aufsparrendämmungen in Verbindung mit Modulstützen sind zusätzliche Befes-tigungselemente mit einem Nachweis in Form einer ETA (European Technical Assessment) einzuplanen, die die Unterkonstruktion verstärken und mit statisch geprüften Systemschrauben eine sichere Krafteinleitung in die Tragkonstruktion ermöglichen. Auch die Durchführung der Anschlussleitungen durch die Dachdeckung und Unterkonstruktion ist entsprechend der Anforderungen an die Regensicherheit, der Luftdichtheit sowie der Winddichtigkeit auszuführen.

Dachintegrierte Anlagen

Optisch ansprechende Lösungen werden allerdings erst durch eine Integration der Solaranlage in die Dachdeckung möglich. Dabei werden die Module an Stelle der Dachpfannen eingesetzt und ermöglichen so ein gut gestaltetes und harmonisches Deckbild. Grundsätzlich unterscheidet man hier rahmengebundene Lösungen und Solarelemente, die zusammen mit der Dachdeckung eingesetzt werden.

Als eigenständiges, „hartes“ Bedachungsmaterial übernehmen PV-Module auch die Eigenschaften der Dachdeckung, etwa die regen­sichernde Eigenschaft und den Brandschutz. Vorteilhaft ist, dass dabei die Dachdeckung nicht mit Unterkonstruktionsstützen durchdrungen wird und die Kräfte aus Windsog und Schnee direkt über die Dachlattenkonstruktion abgeleitet werden. Darüber hinaus ist das fertige Dach, z. B. mit einer PV-Indax-Anlage, leichter als ein Dach mit einer Aufdach-Anlage. Dies kann ein Vorteil in der Sanierung bei schwachen Tragkonstruktionen sein. Es entstehen keine zusätzlichen Lasten und es müssen keine Leitungen durch die Dachdeckung geführt werden. So können dachintegrierte Solaranlagen auch ohne zusätzliche Maßnahmen bei Aufdachdämmungen montiert werden. Zusätzliche Verstärkungselemente, um die entstehenden Lasten sicher durch das Schichtenpaket von Dachdämmung und Konterlattung zu führen, sind nicht erforderlich.­­

Rahmengebundene Lösungen

Rahmengebundene Lösungen werden vergleichbar einem Dachfenster in die Dachdeckungsebene eingebunden. So können diese Anlagen universell bei nahezu allen Dachdeckungsarten eingesetzt werden. Die Module übernehmen die Schutzfunktion der Dachdeckung und sind optisch ansprechend und technisch perfekt in die gesamte Dachdeckung eingebunden, da alle Anforderungen zum Brandschutz, zur Regensicherheit und vor allem zur Hinterlüftung erfüllt werden. Da die Systeme modular aufgebaut sind, können nahezu alle Dachgeometrien optimal mit Modulen belegt werden. Grundsets zum Einbau von zwei Modulen übereinander und zwei Modulen nebeneinander in einem Eindeckrahmen können zu größeren Einheiten sowohl in horizontaler als auch vertikaler Richtung beliebig erweitert werden. Für die perfekte Integration in die Dachdeckung kann die Lösung im Modulraster auch mit Wohnraum-Dachfenstern kombiniert werden. Die Standardmodule des Indax-Systems von Braas haben z. B. eine Nennleistung von 300 Wp und einen Wirkungsgrad von 18,44 % bei einer Decklänge von ca. 170,5 cm und einer Breite von ca. 100 cm.

Deckungselement-Lösungen

Für die besonders gelungene Integration von PV-Elementen in die Dachdeckung werden gängige flache Dachziegel- oder Dachsteinmodelle durch PV-Elemente ersetzt und diese direkt in die Dachdeckung eingebunden. Die Module werden dabei auf der vorhandenen Traglattung verlegt und befestigt. So ergibt sich neben der technisch perfekten Dachintegration ein vollkommen harmonisches Deckbild. Da die Modulreihen sowohl im Verband wie in Reihe verlegt werden können, ist eine Anpassung auch bei komplexen Dachgeometrien mit Walmdächern oder Dachverschneidungen einfach möglich. Die Systeme werden durch abgestimmte Wechselrichter und Verbindungskabel ergänzt und zeichnen sich durch eine  herausragende Ästhetik aus. Die Modulgröße entspricht dem Einsatz von ca. 6 – 8 Dachpfannen in der Fläche. Die ModuIe des Braas Systems PV-Premium z. B. sind aus monokristallinem SiIizium und haben eine NennIeistung von 100 Wp bei einem Wirkungsgrad von 16,34 %. Für die Berechnung der Leistung einer Anlage ergibt sich folgender Ansatz: 10 PV-Elemente sind erforderlich, um 1 kWp Anlagenleistung zu erhalten.

Bauaufsichtliche Zulassung

Zu beachten ist, dass nach Abschluss der Installation der Anlage von der Installationsfirma eine Übereinstimmungserklärung abgegeben wird. Diese bestätigt, dass die Photovoltaik-Indach-Systeme den Bestimmungen des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses einer zugelassenen Materialprüfungsanstalt entspricht und die Anlage nach den Vorgaben der systembezogenen Hersteller-Verlegeanleitung errichtet wurde.

Mit dachintegrierter Solartechnik können architektonisch ansprechende Lösungen gebaut werden. Als eigenständige Bedachung erfüllen sie alle Anforderungen an eine Dachdeckung und führen zu einer Renaissance des geneigten Daches. In Verbindung mit intelligenten Speichertechnologien leisten sie einen wertvollen Beitrag zum Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energie.

Gebäudenergiegesetz GEG

Auslöser für ein kommendes GEG (Gebäudeenergiegesetz) war die Richtlinie 2010/31/ des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. In der Folge sollten Energieeinsparungsgesetz (EnEG), Energieeinsparverordnung (EnEV) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) in einem GEG (Gebäudeenergiegesetz) zusammengeführt und dadurch praxisgerechter werden. Derzeit liegt den Ministerien ein Referentenentwurf zur Beratung vor. Nach dem aktuellen Diskussionsstand ergeben sich insbesondere aus den Themenfeldern „kostengünstiges“ und „energiesparendes“ Bauen deutliche Unterschiede in der Bewertung der Konsequenzen durch die einzelnen Ressorts.

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