Das Mercure in Potsdam wackelt

Totgesagte leben länger. Im Falle des Pots-damer Hotelturms aus DDR-Zeiten, dem Mercure, ist das wohl so. Jüngst unternahm die Potsdamer Stadtspitze wieder einmal einen Anlauf, den Abriss des ehemaligen Interhotels im Rat durchzusetzen. Doch Potsdams Stadtverordnete hatten die Entscheidung über den Kauf und späteren Abriss vertagt. Sie entledigten sich des Problems zunächst, indem sie es in den Bauausschuss und den Hauptausschuss überwiesen. Von dort kam dann die Zustimmung zur städtischen Vorlage, die im Wesentlichen mit der Festlegung von Sanierungszielen für das Hotelgrundstück – einer „Wiese des Volkes“ – den Hotel-eigentümer daran hindern könnte, notwendige Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Langfristig liefe das auf eine Art von wirtschaftlicher Austrocknung des Hotels hinaus.

Damit ist die Zukunft der „sozialistischen Stadtkrone“ von 1969 oder des „Klotzes am Schloss“ kaum heller geworden (Architekten: Kollektiv unter Sepp Weber). Allerdings wurde das Hotel, 60 m hoch und nur durch eine mehrspurige Straße von der Schlossfront getrennt, nach der Wiedervereinigung schon mehrfach abgerissen – im Kopf. Zuletzt wollte der SAP Gründer und Financier der Schlossfassaden auf dem Platz des Hotels sein Kunstmuseum bauen. Doch die Pläne des Schloss-Mäzenen kamen in der Öffentlichkeit nicht gut an. Jetzt baut er auf der anderen Schlossseite das – wie alle anderen Bauten am Alten Markt – zerstörte Palais Barberini, dem Original verwandt, für seine Sammlung wieder auf (Architekten: Hilmer & Sattler und Albrecht).

Aber nicht allein Mäzene, auch Teile der Architektenschaft sind sich offenbar darin einig, das Hochhaus in nächster Zukunft verschwinden zu lassen. So ist auch in den sieben Entwürfen der „Planungswerkstatt im Dialog – Lustgarten“ kein Hochhaus vor dem Schloss, sondern mehr Grün vorgesehen. Für die Teilnehmersetzung am Werkstattverfahren mit Bürgerbeteiligung war eine Gutachterrunde zuständig.

Das erweiterte Grün soll die schon genannte „Wiese des Volkes“ werden. Das klingt ein wenig nach Sozialismus, ist von den Abrissbefürwortern aber wohl so gemeint, dass sich hier das (Wahl)Volk eine Wiese für alle erkämpft hat. Wahrscheinlich wäre die Frage „Erhalt oder Abriss“ längst geklärt, wäre die Ende 1999 erlassene Sanierungssatzung „Potsdamer Mitte“ nicht mit einem blinden Fleck verabschiedet worden. Die Satzung gilt auch für den Lustgarten und behandelt im Wesentlichen eine Rekonstruktion der historischen Stadtlandschaft um das wiederaufgebaute Schloss herum. Zum Hotel-Turm gibt es in der Satzung jedenfalls nichts, wahrscheinlich war den Mitte-Planern der „Klotz“ längst schon aus den Augen geraten im Schwelgen über die schöne alte Zeit.

Vielleicht kann sich Potsdam auf eine Halbierung des Turms einigen? Oder auf den Vorschlag zurückkommen, den im April 2012 Potsdamer Studenten machten: das Hotel in ein Studentenwohnheim umzuwandeln. Damit könnte der Kommerzialisierung und der Ausverkauf der Mitte Potsdams durch die Stadt selbst gestoppt werden. Potsdam könnte zeigen, dass es zu seiner Geschichte steht, unkonventionelle Lösungen beherrscht und auf den Nachwuchs setzt. Imagegewinn. Andere Städte zahlen dafür mehr, als sie eigentlich können. Be. K.

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