Das Schatzhaus im Meer
Museum für Islamische Kunst

Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa al Thani, eröffnete am 22. November 2008 in der katarischen Hauptstadt Doha das neue Museum für Islamische Kunst. Das Gebäude wurde auf einer künstlich geschaffenen Halbinsel errichtet. Es birgt einzigartige Kunstschätze aus dem 7. bis 19. Jahrhundert.

In Zeiten von Nachhaltigkeit und Shrinking Cities über einen neuen „Louvre“ in Abu Dhabi, eine neue Oper in Dubai oder ein gigantisches Museum in Doha zu schreiben, scheint überflüssig zu sein. Wenn dazu ein internationaler Zukauf an den üblichen Architektenstars getätigt wird – was soll es? Nein, mit Doha verhält es sich anders, wie der Kommentar der ZEIT unter der Überschrift verrät: „Wir sind der bessere Westen: Das kleine Katar probt die große Veränderung. Nirgendwo sonst zeigt sich das neue Selbstbewusstsein des Islams klarer als hier. Und ein strahlendes Symbol gibt es dafür auch schon: Das Museum für Islamische Kunst“. In Katar will man zu einem Globalplayer der Welt werden, indem man bilden, erziehen und den schönen Künsten ein Forum bietet. Dieses grandiose Museum zu erklären, ist komplex. So beschränken wir uns auf vier wichtige Anmerkungen.


Anmerkung Eins: Der alte Mann, das Meer und die Moschee

Ieoh Ming Pei ist der Grand Seigneur der Museumsbaukunst, 91 Jahre alt, in China geboren, in der Welt zu Hause. Und so könnte man leichtfertig die Geschichte vom weltenbummelnden Architektenstar und dem Ölgeld erzählen. Pei aber ging mit der Geduld des Altersweisen an die Aufgabe, reiste ein halbes Jahr durch die islamische Welt, suchte nach Vorbildern, für einen Ort, der seinen Genius Loci erst entwickeln wird, wenn aus dem Hauptstadtdorf des Emirates, Doha, die erwünschte Kultur- und Weltmetropole geworden ist. Vordergründig nimmt sein Museum Bezüge auf die Sabil der Ibn-Tulun-Moschee in Kairo, einem Brunnen für rituelle Waschungen aus dem 13. Jahrhundert. Hintergründig ist es vielleicht das Bild einer Sandburg im Flimmern der Wüstensonne. In beiden Fällen handelt es sich um klare archaische Formen. Das passt zu Pei‘s Architektursprache. Das ultimative Schatzhaus der islamischen Kunst, so wie es bisher nicht existierte, als Museumsmoschee oder als Turm der klaren Form, eine Art Anti–Babylon, weil hier unterschiedliche (Bau-)Kulturen vereint werden.

Anmerkung Zwei: Urbanismus, Maßstab und Monumentalismus

I.M. Pei hat sich an dieser Stelle um den Städtebau der jungen Metropole verdient gemacht. Um es, wie ursprünglich im Wettbewerb gefordert, nicht buchstäblich im „Meer“ der gläsernen Bürotürme an der Corniche, der Uferstraße, ertrinken zu lassen, erfand er einen neuen Standort. Jetzt steht das Museum auf einer künstlichen Insel im Wasser. Und hat sich dem Investitionswahn drüben an der Corniche entzogen. Auf Fotos erscheint das Museum klein und gediegen, was täuscht. Es ist monumental genug, sich zu behaupten. Sie tritt selbst­bewusst auf, verrät, dass Doha keine Demokratie sein will, sondern eine Monarchie ohne Parlamente, dafür mit der Staatsreligion des sunnitischen Wahhabismus. Der Museumsberg aus phantastischem Granit gerät zum Lichtpunkt, wo im Dienste der Kunst die Stärke des Staates gezeigt wird. Sei es an der Landungsbrücke mit seinen beiden stolzen Türmen in der Kontur schlanker Minarette oder in der Palmenallee zum Haupteingang, die jede europäische Schlossallee in den Schatten stellt. Oder mit übersteigerter Grandezza jenes Palmenringes, der das Ufer der hinter dem Museum ebenfalls neuen künstlichen Halbinsel einfasst.


Anmerkung Drei: Skulptur, Raum und Ornament

Die große Halle setzt das Spektakel fort. Ihr Eingang liegt am Ende der Palmenallee im Hauptgebäude, das leicht aus der Achse gedreht wurde. Das erweitert nochmals den Straßenraum und steigert die Dramatik. Das Ensemble der Kuben gipfelt in einem zentralen Turm, der ebenfalls gedreht ist und ein Geheimnis hütet. Es wird drinnen aufgelöst, dort ist in 55?m Höhe eine Kuppel, also ein Kreis, ins Rechteck eingeschrieben. Ein plastisches Kunstwerk: Am höchsten Punkt der Kuppel aus rostfreiem Stahl strömt durch eine runde Öffnung gezielt Licht ein, das von der Kuppelinnenwand vielfältig reflektiert wird. Mit abnehmender Höhe verändert sich die Kuppel, ihre Wand nimmt zunächst die Form eines Achtecks an, dann die eines Quadrats, die auf vier dreieckigen Säulen ruhen. Dieses artifizielle Raumwerk wird durch zwei andere Maßnahmen überlagert: Zum einen durch zwei gerundete gegenläufige Treppen, die zu den Galerieräumen führen und zum anderen durch durch eine 45 m hohe Glaswand, die von allen fünf Stockwerken des Atriums Ausblicke auf den Golf und Doha West Bay bietet.


Anmerkung Vier: Ein ganz normal funktionierendes Museum; aber besser

Die gigantische Halle erschließt das fünfstöckige Hauptgebäude mit den Galerien. Es ist durch einen zentralen Innenhof mit dem so genannten Education Wing, in dem eine große Bibliothek liegt, verbunden. Das Museum für Islamische Kunst ist das Flagg­schiff­projekt der Museumsbehörde von Katar, die das Land unter der Führung von Sheikha Al Mayassa zum kulturellen Zentrum des Nahen Ostens machen will. Auch das teilt sich in den Ausstellungsräumen mit: eine im Westen nie erreichte und auch nicht bezahlbare Groß­zügigkeit für die meist kleinteiligen in Vitrinen ausgestellten Artfakte.

Was von außen streng gefasst erscheint, weitet sich innen zu großartiger Offenheit. Von außen mag das Bauwerk eher karg wirken. So wollte es Pei, aber er und das Pariser Büro von Jean-Michel Wilmotte & Associés leisten sich innen eine edle Beschwingtheit. Zunächst in der großen Halle mit ornamentaler Geometrie. Danach durch eine üppige Ausstellungsfläche oder durch eine sehr sublime Oberflächenbehandlung der Ausstellungswände in den Galerien.

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