Das Wetter geschickt genutzt
Lamellenhaus in Konstanz
Ein Gebäude nach der Sonne auszurichten, ist eigentlich selbstverständlich. Beim Lamellenhaus des Düsseldorfer Architekten Thomas Pink gewinnt diese Grundregel jedoch eine neue Bedeutung: Die geschosshohen Glastafeln der Fassade folgen individuell dem Sonnenstand – wie eine Sonnenuhr.
In vielen Bürobauten verlässt man sich noch immer auf teuere Klimatechnik und ignoriert den Einfluss des Wetters. „Der Kontakt zur Natur geht verloren“, sagt Thomas Pink. Mit dem Lamellenhaus in Konstanz zeigen Petzinka Pink Architekten, dass es auch anders geht: nicht starr und statisch, sondern flexibel – dank einer Lamellenfassade, die sich mit der Sonne bewegt.
Das Grundstück liegt nicht weit vom Bodensee entfernt an der Stadtgrenze zu Konstanz. Der neue Büro- und Verwaltungsbau des dänischen Pharmakonzerns Nycomed bildet den Eingang des Areals. Den Besucher empfängt ein frei stehender, scharfkantiger Quader, dessen Haut aus Aluminium und Glas mit der Präzision eines Werkstücks ausgeschnitten scheint. Vier identische, im Erdgeschoss windmühlenartig versetzte Flügel umschließen ein innenliegendes Atrium. Ein Lichthof belichtet Restaurant und Cafeteria im Gartengeschoss.
Die gläserne Empfangsebene springt zurück und durchzieht den Quader wie ein scharfer Schnitt. Über Freitreppen gelangt man auf eine Aussichtsplattform aus Betonwerkstein, die einen weiten Blick über die Bodenseelandschaft öffnet. „Die Deckenuntersichten mit ihren extremen Anforderungen an integrativer Technik haben wir wie eine Fassade mit entworfen“, erzählt Thomas Pink. Das Ergebnis: eine Außenhaut wie aus einem Guss, die nahtlos umklappt und als Untersicht weiterläuft. Diese visuelle Stringenz verstärkt die Wirkung des Gebäudes als weithin sichtbare Landmarke.
Die zweibündigen Bürotrakte in den Obergeschossen werden über vier jeweils um 90° gedrehte Treppenkerne erschlossen. Das Atrium überspannt ein Membrandach aus UV-durchlässigen PTFE-Folien. Dank des leicht überhöhten Dachrandes kann das Dach je nach Windrichtung flexibel zum Durchlüften genutzt werden. Nachts klappen die Lüftungselemente wie Kiemen auf und kühlen das Gebäude.
Statt einer Lüftungsanlage halten thermisch aktivierte Betonböden und -decken die Grundtemperatur im Gebäude konstant. Dank Dreifachverglasung und hochwärmegedämmter Pfosten konnten zusätzliche Heizkörper vor den Fenstern entfallen. Die Fassade besteht aus drei raumhohen, geschossweise versetzten Elementen: einer Festverglasung, einem Öffnungsflügel und einem 22 cm tiefen Dämmpaneel. Das Paneel kann bei Bedarf mit einem dezentralen Lüftungsgerät nachgerüstet werden, das heizt, kühlt, lüftet und Wärme zurückgewinnt.
Der eigentliche Clou des Hauses sind jedoch die raumhohen, drehbaren Glastafeln (3,20 x 1,35 m) vor der Fassade, die dem Sonnenstand folgen und mit Hilfe von Sensoren auf Regen- und Windverhältnisse reagieren. „Die Lamellen stehen nur ganz selten parallel zur Fassade“, weiß Thomas Pink. Durch die sechzigprozentige Bedruckung ist selbst bei geschlossenen Lamellen eine gute, blendfreie Durchsicht möglich. Eine Transparenz, die Nutzer, Architektur und Natur visuell auf ästhetische Weise miteinander verknüpft.