Klimatechnik ist Klimaschutz
Energieoptimierung beginnt mit ganzheitlicher Planung

Energie und Klima optimiertes Bauen ist ein Gebot der Stunde. Die Verantwortung für eine Stabilisierung des Weltklimas stellt in diesem Zusammenhang neue Anforderungen an Architekten und Ingenieure.

Neben der Entwicklung innovativer Klima

systeme ist ein Umdenken in der Gestaltung der Planung- und Bauprozesse erforderlich. Es wäre für alle Beteiligten nützlich, wenn Architektur und Klimatechnik künftig mehr als bisher und vor allem von Anfang an Hand in Hand arbeiteten.

Im Mittelpunkt aller Planungen steht der Mensch. Das gilt für Architektur und Gebäu-deplanung ebenso wie für Klimatechnik- und Energieanlagenbau. Obwohl beide Fachgebiete das gemeinsame Ziel haben, für eine möglichst nachhaltige Behaglichkeit zu sorgen, wurden Architektur und Klimatechnik in der Vergangenheit vielfach seriell und nicht immer mit der angemes­senen Abstimmung geplant. Klimaingenieure sahen sich vielfach mit Architekturkonzepten konfrontiert, in die sie klimatechnische Anlagen „hineinplanen“ sollten, Architekten sahen sich mit Anforderungen von Klimafachleuten konfrontiert, die sich nicht mit der von ihnen gewünschten Gebäudeästhetik in Einklang bringen ließen. Integrale Planung ist die Alternative. Mit einem ganzheitlichen Planungsansatz schafft man die Voraussetzung für nachhaltiges Bauen, denn ein gut funktionierendes Gebäude ist schön und entspricht sowohl ökonomi-schen als auch ökologischen Anforderungen.

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hausladen ist Leiter des Lehrstuhls für Bauklimatik und Haustechnik an der Fakultät Architektur und zugleich Ingenieur in der Praxis. Er bringt es so auf den Punkt: „Moderne Gebäude haben veränderte Anforderungen, die Nutzer sind sensibler, die Energie wertvoller. Der Begriff des Raumklimas ist deshalb über technische und physikalische Aspekte hinaus zu erweitern, weiche Faktoren und subjektive Anforderun­gen sind mit einzubeziehen. Die Technik steht nicht mehr für sich allein, sondern ist Bestand­teil eines Systems, das aus dem Gebäude, der Technik und dem integrierten Know-how besteht.“ (www.climadesign.de).

Was heißt das praktisch? Klimatechnik ist eine Planungsaufgabe. Bereits in der Spezifikations- und Konzeptphase ist die Einbeziehung eines Klimaexperten erforderlich, der über die Gebäudetechnik hinaus die energetische und raumklimatische Performance von Gebäude und Fassade mit gestaltet und dafür sorgt, dass jede Projektplanung nach einem energetisches Gesamtkonzept erfolgt. Das beinhaltet Aspekte des Sonnenschutzes, bezieht die Klimagegebenheiten mit ein und berücksichtigt die Voraussetzungen im Hinblick auf Luft, Tem­peratur, Licht und Raumklima. Uwe Barth, Projektleiter bei Colt International, hält es für wichtig, dass Architekten die Palette der Mög­lichkeiten im Bereich Klimatechnik besser kennen: „Wenn ein Architekt innovative Klimatechnikkonzepte kennt, dann kann er frühzeitig daran denken, sie in die Planung der Gebäudeästhetik einzubauen. Macht er das nicht, dann gibt es meistens Probleme mit der Optik – und am Ende laufen ihm die Betriebkosten weg“. 

Innovationspotentiale mit Klimatechnik

Immer mehr Unternehmen investieren derzeit vor dem Hintergrund der Klimaproblematik und der Instabilität der Energiekosten in energiesparende Maßnahmen. Intelligente Klimaanlagen und Niedrigenergiekonzepte bieten hier große Innovationspotentiale. „Wenn wir einem Architekten sagen: In diesem Gebäude brauchst du keinen Heizkessel – dann leuchten seine Augen“, berichtet Uwe Barth. Klimakonzepte geben zudem Antworten auf aktuelle Trends, z. B. darauf, dass Heizlasten in Gebäuden immer mehr abnehmen, Kühllasten dagegen zunehmen. Wenn hier die „falschen“ Anlagen eingebaut werden, weil nicht alle Aspekte einer Planung berücksichtigt wurden oder die unterschiedlichen Einflüsse von Sonneneinstrahlung, Lüftung, Heizung und Klimatisierung unangemessen oder gar nicht aufeinander bezogen sind, kann dies Millionenschäden verursachen. Beispiele hierfür gibt es genug.

Ein nicht hoch genug einzuschätzendes Innovationspotential liegt für Unternehmen und Institutionen im Imagegewinn, der mit nachhaltigen Energiekonzepten einhergeht. Nicht nur der Umweltschutzgedanke, sondern auch Mitarbeiterverantwortung und Corporate Social Responsibility sind hier die Stichworte. Vor diesem Hintergrund wird das Ziel der Behaglichkeit zu einem umfassenden Komplex. Nicht nur die thermische Behaglichkeit ist hier gemeint, sondern ein allumfassendes Wohlbefinden der betroffenen Menschen inklusive ökonomischer, ökologischer und sozialer Aspekte.

Konkrete Planungsschritte

In der konkreten Planung gibt es mehrere Fragenkomplexe, die vor der Entscheidung für ein Klima-System abgearbeitet werden müssen. Dazu gehören die Einschätzung des Gebäudekomplexes gemäß Energiesparverordnung und eine individuelle Gebäudeanalyse. Bei der Erstellung einer TGA (Technische Gebäudeausrüstung) schöpfen die Planer meist aus ihren Erfahrungen. Für ein effizientes Klimakonzept ist aber vor allem die Frage interessant: Was passiert eigentlich in dem geplanten Gebäude? Wird es eine Produktionsstätte oder ein Lager, ein Bürogebäude, ein Gebäude mit viel Publikumsverkehr, werden Lebensmittel verarbeitet, wird es hier energierelevante Maschinen geben bzw. wie viele Menschen werden hier arbeiten? Bei der Bedarfsermittlung ist der Kunde der wichtigste Ansprechpartner. Er weiß am besten, was er braucht. Er kann definieren, was das Gebäude „können“ muss in Bezug auf Heizung und Kühlung, auf Schadstoff-emissionen oder Schall.

Eine weitere Frage ist die Analyse der Ressourcen. Ein Klimaexperte muss wissen, welche Ressourcen das Gebäude und seine Nutzung selbst anbieten (Serverräume, Produktionsbereiche, Fassadenstruktur etc.) und über welche Ressourcen das Grundstück verfügt (Wasser, Geothermie, Sonne, Wind, benachbarte Industrie oder Produktionsstätten etc.). Neben der Ermittlung der konkreten Fakten gilt es, die Kenntnisse der Kunden, die Erfahrung der Architekten und das Fachwissen der Klimaexperten miteinander zu verbinden. Deshalb sollten sich alle Beteiligten auf eine Form des Austausches verständigen. Hier kommt dem Architekten vielfach die Rolle eines Moderators zu. In kom­plexen Projekten kann er gut beraten sein, wenn er mit Kommunikationsfachleuten zusammenarbeitet. Besonders bei großen Industrieanlagen oder auch bei der Planung öffentlicher Gebäude gibt es vielfach ein großes öffentliches Interesse, besonders wenn es um die Themen Energie und Nachhaltigkeit geht. 

Intelligente Systemplanung

Auf die Situationsanalyse folgt die Planung eines auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Klimasystems. Dabei sollte auf die intelligente Kombination verschiedener Technologien gesetzt werden. Auf diese Weise werden Synergieeffekte erzielt und die Klimasysteme zu echten Energie­managern, die alle Maßnahmen zur Lüftung, Heizung, Luftkonditionierung, Tageslichttechnik und selbst zum vorbeugenden Brandschutz kostengünstig und technisch optimal miteinander verbinden und aufeinander abstimmen.

Vor jeder Anlagenplanung werden alle potentiellen Temperaturverläufe, Luftströmungen, Wärmequellen und Luftkonditionierungsprozesse per Computer simuliert. Alle Ist- und Sollwerte werden abgeglichen und die energierelevanten Prozesse für Architekten und Bauherren transparent und nachvollziehbar gemacht. So wird deutlich, wo Wärmeverschiebungen genutzt werden können, ob z. B. Abwärme aus Kühllasten für Heizung eingesetzt werden kann. Interne Gebäudespeicher wie Sprinklertanks werden in das Gesamtkonzept eingebaut. Die Eigenschaften der Gebäudehülle und Besonderheiten der Fassadenkonstruktion werden berücksichtigt und ein System der Kommunikation aller Anlagen untereinander entworfen. Auf diese Weise wird ausgeschlossen, dass Klimaanlagen laufen, während Verschattungsanlagen geöffnet sind. Es wird sichergestellt, dass die Wärme z. B. aus Serverräumen nicht ungenutzt ins Freie entlassen wird. Und es wird dafür gesorgt, dass – wo immer möglich – Energie eingespart und vorhandene Wärme zurückgewonnen wird. Kurz: Alle relevanten Klimagrößen werden in ein Gleichgewicht gebracht - Raumlufttemperatur, Luftfeuchte, Luftge­ schwindigkeit, Sauerstoffgehalt der Luft und Wärmestrahlung durch Sonneneinwirkung oder Produktionsabläufe.

Dreh- und Angelpunkt integrierter Anlagen­planung ist freilich eine intelligente Steuerung, die sämtliche maßgeblichen Nutzungsparameter aller in den Bereichen Lüftung, Wärme/Kälte und Luftfeuchte eingesetzten Anlagen vereinbart. Grundsätzlich gilt hierbei: Je sensibler und präziser auf den individuellen Bedarf in all diesen Bereichen reagiert wird, umso geringer werden die Energiekosten eines Gebäudes.

Fördermittel für Klimaschutz

Ein herausragendes Beispiel für ein innovatives Klimakonzept liefert die Kunzemann Präzisionsdrehteile GmbH im oberschwäbi-schen Wolpertswende. Das Unternehmen installierte ein Wärmepumpensystem, mit dem der alljährliche CO2-Ausstoß um 90 t reduziert werden konnte. Für diesen „“Klimacoup“ bekam das Unternehmen Fördermittel aus einem europäischen Fonds für Klimaschutzprojekte in Höhe von fast 25 000 €. 

Beim Klimakonzept wurde auf das Prinzip des integralen Wärmetransportes gesetzt und gleichzeitig der hohe Grundwasserspiegel am Standort genutzt. In der Produktion werden ganzjährig Kühllasten durch Waschmaschine und Ölkühlung abgeführt. Im Winter wird diese Wärmesenke als Energieressource dem gesamten Produktionsstandort zugänglich gemacht. Große Speichermedien in Form von Kalt- und Warmwasserpuffern speichern die entstehenden Kühl- und Heizleistungen. Damit werden in den Übergangszeiten für den Heiz- und Kühlbedarf keine Primärenergien benötigt. Erst bei steigendem Energieeinsatz in Spitzenlasten und nicht mehr ausreichenden Speichermedien wird zusätzliche Primärenergie über eine Wärmepumpe nachgeführt. Hierbei wird als Wärmequelle bzw. Wärmesenke versickertes Oberflächenwasser herangezogen. Um die Spitzenlastkühlung sicherzustellen, werden Verdampfer und luftgekühlte Rückkühler eingesetzt. Der thermische Auftrieb an den Maschinen wurde bei der Anlagenplanung ebenso einkalkuliert. Gewebeschlauch-Matratzen versorgen die Halle mit einer Schichtlüftung: Gezielt wird in den Produktionsbereichen Frischluft zugeführt, die kalte Luft verteilt sich zu strömungsarmen „Frischluftseen“. Eine kombinierte Lüftung mit Rauch- und Wärmeabzugssystem rundet das Energie-Klima-Lüftungskonzept ab.

Natürliche Ressourcen nutzen

Die Fassade des Firmengebäudes der Nycomed GmbH in Konstanz steht nur selten still. Die Planer, Petzinka Pink Architekten aus Düsseldorf, wollten die Natur in die Architektur des Bürokomplexes mit einbeziehen, als sie sich für eine „intelligente“ Lamellenfassade entschieden. Die gewünschten Folgen: Optimaler Sonnenschutz, Nutzung der natürlichen Energieressourcen und Lichtökonomie für den Innenbereich. Der Primärenergiebedarf und die CO2-Emission wurden reduziert durch Dreifachverglasung, optimierte Kühltechnik, thermisch aktivierte Decken und Böden und umweltschonende Wärmeerzeugung. Über das Atrium im Inneren werden alle Büroräume mit Tageslicht versorgt, Sonnenschutz gibt eine Membran aus UV-durchlässiger PTFE-Folie. Im haustechnischen Sinn ist das Atrium sowohl Klimapuffer als auch Kühlzone. Mit seinem Dachaufbau wirkt das Atrium als Entlüftungskamin: Nachts strömt kalte Luft über die geöffneten Lüftungs­elemente durch das Gebäude und spült die warme und verbrauchte Luft nach draußen.

Der Clou ist eine bewegliche zweite Haut aus Glaslamellen, deren Position sich nach dem Sonnenstand richtet und die aufgrund einer ausgeklügelten Steuerung auch Wind- und Temperaturverhältnisse berücksichtigt. Mehr als 680 Glaslamellen umschließen alle Gebäudeseiten. Sie sind geschosshoch und rahmenlos, was für den Gesamteindruck von Leichtigkeit und Transparenz sorgt. Beim Glas selbst handelt es sich um eine Sonnenschutz-Sonderverglasung, das Glas ist zu 60 % bedruckt, somit gibt es bei einer geschlossenen Positionierung der Lamellen gleichermaßen guten Blendschutz wie auch freie Durchsicht.

Im integralen Zusammenspiel aller Systemkomponenten konnte die Zielvorgabe der Bauherren von 100 kWh (Energiebedarf m²/Jahr) noch unterschritten werden, der Energiebedarf der Bürobereiche liegt bei 80 kWh.

ClimaDesign: mit weniger mehr können

Um die wissenschaftliche Diskussion und die praxisgerechte Umsetzung von energie- und klimaoptimiertem Bauen nach vorn zu bringen, wurde auf der internationalen Fachmesse BAU 2007 in München der Verein ClimaDesign e. V. gegründet – ein wichtiger Schritt zu mehr Netzwerkarbeit und zum Nutzen für unser Klima. Partner sind Universitäten, Ingenieur- und Architekturbüros, aber auch Forschungsinstitute und Verlage. Jeder am Netzwerk Beteiligte kann seine Erfahrungen und sein Wissen einbringen und von anderen profitieren.

ClimaDesign hat sich die Entwicklung von Gebäuden zum Ziel gesetzt, die mit einem Minimum an Energie ein Maximum an Behaglichkeit bieten. Dazu bedarf es eines ganzheitlichen Planungsansatzes. Architektur und Technik dürfen dabei nicht aneinander vorbei geplant werden. Stattdessen sollten ClimaDesigner schon in der Konzeptfindung und am Entwurfsprozess beteiligt werden. So können Technik- und Gebäudekonzepte zu einem abgestimmten Gesamtsystem zusammenwachsen und Synergieeffekte aktiviert werden.

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