Das sollte jeder Leser selbst machen
Längst sollte es doch jedem bewusst sein, dass der Blick durch das die Wirklichkeit objektivierende Objektiv einer Kamera eben genau das nicht ist: objektiv. Zahllose Publikationen haben sich seit schon länger zurückliegenden Zeiten mit dem bewusst Manipulativen der Fotografie auseinandergesetzt. Nun also eine solche, die den Fokus auf die Fotografie moderner Kirchenbauten der Weimarer Republik richtet. Es geht, so der Verlag, um Entstehungs- und Verwendungszusammenhänge der Aufnahmen und nicht zuletzt auch um den Umgang bedeutender Architekten – Rudolf Schwarz oder Otto Bartning – mit dem Bildmedium, das damals noch so viel versprach und mittels dessen wir heute fest eingebrannte Bilder von Bauten haben, die möglicherweise mit diesen nur die Idee gemeinsam haben. Auch gibt die kleine wie zugleich prall aufgeladene Publikation einen Blick auf die Fotografen selbst, darunter so bekannte wie Albert Renger-Patzsch oder Hugo Schmölz, aber auch auf heute längst Vergessene.
Umfangreiche Kapitel schauen auf die Medien, in denen die Fotos gedruckt wurden (und die – wie heute immer noch – auch die Bildauswahl und -machart bestimmen), auf die Fotografen und die Architekten als Planer wie auch als Auftraggeber. Die Autorin untersucht die Wechselbeziehungen zwischen diesen drei Protagonistenebenen, analysiert teils aber auch die Fotografiertechnik und die Bildgestaltung.
Am Ende, nach viel Biografischem und einigen Ausflügen in die Sekundärliteratur fehlt mir der Blick auf nordamerikanische, auf europäische Verhältnisse, ohne die die deutsche Fotografen-Architekten-Beziehung dieser frühen Jahre der Architekturpublikation gar nicht denkbar ist. Und es fehlt tatsächlich der Blick auf die Bildstrategie der Architekten, die sich allerdings jeder Leser anhand des reichlichen Forschungsmaterials selbst zusammenbauen könnte. Und möglicherweise fehlt auch der Blick auf das Religiöse, das bei dem Sujet „Kirchenbau“ definitiv eine Rolle spielt, bei den Architekten wie den Fotografen. Es gibt einen „Katalog der Fotografen”, in welchem auch die unbekannteren mit kurzen biografischen Daten und den Veröffentlichung verzeichnet sind, in denen ihre Arbeiten gedruckt wurden, es gibt Literaturhinweise. Be. K.
Iris Metje, Der moderne Kirchenbau im Blick der Kamera. Architekturfotografie in der Weimarer Republik. Reimer, Berlin 2018,
368 S., 132 sw-Abb.
49 €, ISBN 978-3-496-01598-7