Horizont weiter machen

Wahrheit oder Schönheit? Realität oder Täuschung? Das Große, Epische im Alltäglichen, dem Geplapper? Die Verbindungen zwischen dem Realen und dem Bild vom Realen sind schon vielfach untersucht worden, dabei geht es nicht selten darum, wie die Abbildung welchen Abbildstrategien folgt und: welchen sie überhaupt annähernd folgen kann?

Vassallo nun geht all diesen Fragen in der schön gemachten Publikation anhand von vier Architekten-/Fotografen-Paaren nach: The Smithsons mit Nigel Henderson, Venturi & Scott Brown mit Ed Ruscha, Herzog & de Meuron mit Thomas Ruff und Caruso St John mit Thomas Demand. Dazu kommt ein Kapitel zu anonymer Architektur in der Sicht bekannter (Foto-)Künstler sowie eine längere, grundsätzliche Einleitung und der Versuch einer Konklusion mit dem schönen Titel: Realismus oder Avant-garde.

Dass die von ihm ausgewählten Fotografen keine Berufs-, darf man schreiben „Gebrauchs-“fotografen sind, sondern ihre Fotografie als eigenes Werk verstehen, das sich gleichberechtigt zu dem Fotografierten stellt, zeigt die Richtung der Untersuchung: Hier geht es nicht um die Frage, ob Wirklichkeit technisch darstellbar wäre; es geht um die Frage, ob die Wirklichkeit um das Hinzufügen etwas an sich Unwirklichen reicher, also wirklichkeitsnäher werden kann. Dabei werden sowohl die gebauten wie die auf Papier gebannten Arbeiten für sich wie auch die Protagonisten selbst befragt; in ihrem Werk, in der Art und Weise, wie zusammengearbeitet wurde. Epics in the Everyday? Wir ahnten es längst, die Frage, die keine ist, muss man mit Ja beantworten. Und das Problem mit dem Realen ist eigentlich keins … Jedenfalls dann nicht, wenn man seinen Horziont mit dieser Arbeit wieder einmal ein Stückchen weiter machen konnte. Be. K.

Jess Vassallo, Epics in the Everyday. Photography,
Architecture, and the
Problem of Realism. Park Books, Zürich 2019, 328 S., 108 Farb- u. 67 sw-Abb.48 €,
ISBN 978-3-03860-162-3
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