Konferenz zur Schönheit

Mehr als zehn Jahre ist das nun her, dass ich den festen Entschluss gefasst hatte: Nicht noch einmal. Das war nach Abschluss der damals vierten Tagung unter dem immer noch gültigen Titel: „Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“. Zu gymnasialkulturzentriert, zu sehr in der Fokussierung auf den so genannten abendländischen Bildungskanon gefangen, zu viele Professoren und zu viele Männer. Und die haben, tatsächlich auch in der 14. Auflage ihrer Veranstaltung in Düsseldorf, noch immer die so genannte „Europäische Stadt“ als Blendladen vor dem Denken und Urteilen. Denn klar ist: Schönheit – wann schaffen wir diese Floskel endlich einmal im Architekturdiskurs ab, Hässlichkeit ist ja auch kein Arbeits-, eher ein Kampfbegriff! – Schönheit kommt nur von innen, also aus dem Denken über das Europäische unserer zunehmend global orientierten Städte. Schönheit ist: Blockbebauung, gefasste Plätze, organisch geformte Straßenfluchten, das (kleinteilige) Parzellenraster wird in den Fassadenabfolgen abgebildet (wenn es sein muss auch einmal übergreifend), die geschmückten (gestalteten) Häuser, (spitz-)giebelständig, Durchmischung städtischer Funktionen im Quartier (nicht unbedingt die der sozialen Strukturen), der Individualverkehr ist eingeschränkt, privater und öffentlicher Raum sind klar getrennt. Leuchtturmbauten können sein Kirchen oder ein Bankhochhaus mit Lochfassade und Natursteinplatte, handwerklich scharriert. Und ja: Das Flügelhaus (der europäischen Stadt) ist das Leitbild (Christoph Mäckler) mit privaten Höfen im Blockinneren. Und so fort. Schön muss das alles sein und einer Grundordnung folgen. Die beschreibt sich aus dem vorgenannten oder auch „der Parallelführung der Bordsteinkanten […] zu den Fluchten der Straßenfassaden“. Tatsächlich so formuliert.

Das alles konnte mich nun nicht hindern, den schönen (!) Rheingoldsaal in den Rheinterrassen von Wilhelm Kreis wieder einmal zu besuchen. Kreis war ein von Hitler Ausgezeichneter, ein zumindest national denkender Formalist. Ich reiste an und es war … nicht wie erwartet! Es gab Streit. Zank in den eigenen Reihen. Rebellion gar? Das Thema der Konferenz war „Stadtraum und Fachkompetenz“ … also wie immer. Eingeladen waren Bauämter und Hochschulen, Aktive und „Ruheständler“. So auch der ehemalige Oberbaudirektor Hamburgs, Jörn Walter, der bekannt ist für ein klares Wort, das auch einmal sehr laut und deutlich gesprochen wird. Jörn Walter reagierte gereizt angesichts der Frage, wieso wir – also die versammelten Planer – heute so verloren dort stehen, wo wir stehen in den grundsätzlich nicht geklärten Fragen, wie Stadt zu gestalten ist: Weil wir es immer noch nicht richtig gemacht hätten, so Jörn Walter; dem man ganz sicher auch das eine oder andere vorzuwerfen hätte, so seinen Verzicht auf die hässlichen „City-Höfe“, die noch zu seiner Amtszeit und mit dezidierter Zustimmung abgerissen wurden, trotz guter, fachlich sehr versierter Gegenrede und prominenter Unterstützung, trotz Denkmalschutzes gar! Wir stehen heute mit teils hängenden Schultern und ­trotzigem Blicken dort, weil wir, so Jörn Walter ziemlich laut, zu wenig mutig gewesen wären, weil immer noch das Geld die Welt regiert (er hat es anders ausgedrückt, von Zwängen gesprochen, die die Planung auf öffentlicher wie privater Seite an Entscheidungen zu alternativen Lösungen hindern) und weil auch die Hochschulen ihrer Verantwortung nicht gerecht würden.

Tatsächlich wollten einige der eingeladenen Hochschullehrer lieber über ihre Arbeit mit den Studentinnen und Studenten sprechen und weniger über systemische Zwänge. Tatsächlich gab es von Hochschulseite auch Vorträge, die auf hohem intellektuellen und kulturhistorisch europäischem Bildungsniveau unterwegs waren, aber nichts zum anstehenden Thema „Stadtraum und Fachkompetenz“ beisteuerten. Hatte Jörn Walter vielleicht doch recht?

Man wolle nicht über Partizipation sprechen, nicht über die Schwammstadt, nicht über die 15-Minuten-Stadt und auch nicht über vergleichbare Kampfbegriffe, die die gegenwärtigen, endlich wieder auch politisch geführten Debatten befeuern. Nach Christoph Mäckler brauchen wir kompetente Planer und keine Quartiersmanager! Stimmt, aber worauf soll deren Kompetenz aufbauen? Auf dem Städtebauplanungsideal der … Sie wissen schon.

Zwischendrin fragte einer der Moderatoren, ob das, was hier verhandelt würde, denn überhaupt diejenige erreichen könne, die unsere Städte in nächster Zukunft planen und für das Kommende wappnen sollten? Er antwortete selbst: Auf keinen Fall! Ich würde ergänzen: Weil zu wenig junge Frauen/Männer anwesend waren, weil ein Architekturdiskurs, der Schönheit als Leitmotiv herbeizwingt, das Anstehende nicht im Gerings-ten er- oder auch anfasst. Zum Beispiel die Frage nach Eigentum und Macht, die sich daraus abbildende Bodenfrage, die längst als entscheidend erkannt wurde für das Weichenstellen im städtebaulichen Entwickeln. Die ach so anstrengende Partizipation – ich würde sagen: das minimal Konsensuelle – ist nötig, da sich in ihr wesentlich dynamischer gesellschaftliches Miteinander abbildet. Die Anerkennung des Vorhandenen, der Respekt den Leistungen unserer Vorgängerinnen gegenüber, die auch Fehler gemacht haben, aber muss man die immer gleich ausradieren?

Was hoffen lässt: Die Konferenz wird Düsseldorf verlassen. Man geht nach Frankfurt. Dann wird es offensichtlich, dass die Christoph Mäckler-Veranstaltung eine Christoph-Mäckler-Veranstaltung  ist. Ob der Kreis der gebildeten Herren mitzieht? Vielleicht einmal nicht. Dann werden Schönheit und Europäische Stadt dem Mainhattan zu trotzen haben, vom Portikus aus vielleicht oder dem Dom-Römer-Areal aus. Das könnte interessante Perspektiven eröffnen, doch zuvor müsste sicherlich eine ganze Bibliothek zu Grundrissen, Flügelhäusern, Hof- und Straßenräumen ausgemistet werden. Zuviel Stillstand, Vitruvs Bibliothek war deutlich agiler! Be. K.

www.stadtbaukunst.de
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