Der Architekt und die Fachplaner
Ob und wann Fachplaner bei einem Bauprojekt hinzugezogen werden, liegt in der Verantwortung des Architekten. Doch damit nicht genug: Ihn trifft auch eine weitgehende Informationspflicht gegenüber den Bauherren sowie eine sorgfältige Kontrolle und Koordination der Arbeiten zur Minimierung der eigenen Haftung
Der mit der Objektplanung entsprechend dem Leistungsbild nach §§ 33 ff. HOAI beauftragte Architekt hat nicht nur seine eigenen Planungsleis-tungen in den Blick zu nehmen, sondern vielmehr auch die Leistungen der Fachplaner, wie etwa die technische Gebäudeausrüstung, die Tragwerksplanung oder den Brandschutz.
Bereits nach den Grundleistungen in der Leis-tungsphase 1 (Grundlagenermittlung) muss der Architekt Entscheidungshilfen für den Bauherrn erstellen, welche Fachplaner hinzuzuziehen sind. Diese Entscheidungshilfen beziehen sich nicht nur auf die Person und die Leistungsfähigkeit der erforderlichen Fachplaner, sondern auch auf den voraussichtlichen Umfang dieser Leistungen sowie das hierfür einzuplanende Honorar. Dies gilt auch für die Verträge der Fachplaner, deren Aufgabenbereich entsprechend abgegrenzt werden muss. Unterbleibt der Hinweis auf die Hinzuziehung eines notwendigen Sonderfachmanns schuldhaft, haftet der Architekt dem Bauherrn für den daraus entstandenen Schaden.
Den Architekten treffen beispielsweise bei der Klärung der Bodenverhältnisse umfangreiche Pflichten. Dies kann zu einer erheblichen Haftungsfalle werden, wenn diese nicht oder nicht ausreichend abgeklärt wurden. So muss der Architekt den Bauherrn darauf hinweisen, dass bei bekannten oder erkennbar ungünstigen oder auch vollkommen unbekannten Bodenverhältnissen Bodenuntersuchungen oder etwa Gründungsberatungen bei Sonderfachleuten beauftragt werden müssen. Auf der anderen Seite stellt es aber einen Fehler des Architekten dar, wenn er die Beauftragung eines Bodengutachtens empfiehlt, obwohl der Baugrund bekannt ist, wie etwa in einem erschlossenen und größtenteils bebauten Baugebiet. Wie schwer dieser Spagat für den Architekten zuweilen ist, beweist auch die Entscheidung des Oberlandesgericht (kurz: OLG) Hamm, Urteil vom 18.05.2021, 24 U 48/20 (Beitrag dazu: „Bombastische Haftung“ auf dbz.de), die hier kurz wiedergegeben wird:
Ein Architekt wurde mit den Grundleistungen für die Objektplanung nach der HOAI für den Neubau eines Studentenwohnheims beauftragt. Auf dem Baugrundstück befand sich bereits ein Gebäude, welches der Bauherr zuvor abreißen ließ. Auch das Baugrundgutachten holte der Bauherr ein. Nachdem die Baugenehmigung für das Studentenwohnheim erteilt worden war, wurde mit dem Bau begonnen. Nach Fertigstellung des Neubaus wurde der Bauherr von der zuständigen Feuerwehr benachrichtigt, dass er versäumt habe, einen Nachweis für die Kampfmittelfreiheit beizubringen. Für das Grundstück liege ein Verdacht auf einen Blindgängereinschlag vor. Der Bauherr behauptet eine Pflichtverletzung des Architekten und verlangte von diesem Schadensersatz. Das OLG Hamm gab dem Bauherrn Recht. Die Überprüfung der Kampfmittelfreiheit sei Bestandteil der Grundleistungen und daher auch ohne gesonderte Beauftragung zu erbringen. Es handele sich insbesondere nicht um die besondere Leis-tung der Standortanalyse. Eine Standortanalyse stelle nur eine betriebswirtschaftliche Aufgabe dar; sie stehe im Zusammenhang mit der Standortplanung und -suche, zum Beispiel der Findung des optimalen Standorts für ein Unternehmen nach definierten Standortfaktoren und dem Anforderungsprofil des Unternehmens. Bei der Frage der Kampfmittelfreiheit aber gehe es darum, ob das Grundstück erst nach Abklärung der Kampfmittelbelastung bebaubar ist. Die Bebaubarkeit des Grundstücks ist eine Grundleistung im Rahmen der Leistungsphase 2 (Vorplanung) und hat nichts mit der besonderen Leistung der Standortanalyse zu tun. Von daher hätte der Architekt in der Vorplanung die Kampfmittelfreiheit klären müssen und konnte sich nicht allein auf das Baugrundgutachten des Bauherrn verlassen.
Auch in den folgenden Planungsphasen muss der Architekt im Rahmen der Grundleistungen die Fachplanerleistungen beachten und in seine Planung mit einbeziehen. Insoweit trifft ihn eine Koordinierungspflicht. Schon in der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) hat die Koordination der Leistungen der Sonderfachleute eine für das Bauvorhaben entscheidende Rolle inne. Der Architekt muss auf der einen Seite den Bauherrn stets über die Leistungsbeiträge der Sonderfachleute informieren und auf der anderen Seite an die Sonderfachleute die Wünsche und Bedürfnisse des Bauherrn weitertragen, sodass diese ihre Leistungen entsprechend erbringen können. Im Ergebnis muss der Bauherr dann in der Lage sein, das endgültige Planungskonzept festzulegen. Für den Architekten kommt eine Haftung dann in Betracht, wenn sein Entwurf nicht genehmigungsfähig ist, etwa weil er die Sonderfachleute nicht ausreichend koordiniert hat. Dies geht auch so weit, dass er sich im Rahmen seiner eigenen Fachkenntnisse mit einem Gründungsgutachten oder einer Gründungsempfehlung auseinandersetzen und den Bauherrn auf „offenkundige“ Fehler hinweisen muss, vgl. bspw. OLG Jena BauR 2017, 902.
Die Koordinierungspflicht findet aber ihre Grenze dort, wo der Architekt mit eigenem Fachwissen die Leistungen der Sonderfachleute nicht mehr überblicken oder beherrschen kann.
Die Koordinierungspflicht wird für den Architekten dann auch wieder in der Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) erheblich haftungsrelevant. Der Architekt muss bspw. den Tragwerksplanern oder Ingenieuren für die technische Ausrüstung rechtzeitig einwandfreie planerische Unterlagen und Ausführungszeichnungen zur Verfügung stellen. In dieser Planungsphase kommt es zudem oft zu Änderungswünschen des Bauherrn, etwa im Rahmen des Grundrisses oder Schallschutzes. Hier den Überblick zu behalten, damit kein zeitlicher Planungs- oder Bauverzug eintritt, ist schon fast eine Meisterleistung. Der Architekt haftet für den schuldhaften Verzug, wenn er zum Beispiel den Sonderfachleuten seine Planung zu spät oder unvollständig zur Verfügung gestellt hat. Gerade bei dem Bau von Produktionsstätten kann der Schaden auch bei nur kleinen Verzugszeiträumen sehr groß sein.
Exkurs: Schallschutz und DIN 4109
Der Architekt muss in seiner Planung stets die anerkannten Regeln des Schallschutzes bzw. ein darüber hinausgehendes – im Vertrag vereinbartes – Schallschutzniveau einhalten.
Anforderungen an den Schallschutz sind zwar in der DIN 4109 beschrieben. Diese Vorgaben galten jedoch in der Vergangenheit als stark veraltet, sodass diese dort festgelegten Mindestmaße nicht den bei der Planung einzuhaltenden anerkannten Regeln der Technik entsprachen und damit grundsätzlich nicht den üblicherweise geschuldeten Qualitäts- und Komfortstandard einhielten. Wer nur nach den DIN 4109 geplant hatte, lief daher Gefahr, keinen ausreichenden Schallschutz zu planen, vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.06.2009 – VII ZR 54/07. Ausschlaggebend sei demnach nämlich nicht der Verweis auf einen geschuldeten Schallschutz nach DIN 4109. Vielmehr kommt es auf das nach einer Gesamtbetrachtung des Vertragswerks geschuldete Maß an Schallschutz an. Da die DIN 4109 in der damaligen Fassung aber eben nicht einmal das Mindestmaß an Schallschutz gewährleisten konnte, realisierte sich am gebauten Objekt ein erheblicher Schallschutzmangel. Ob sich die Situation mit der neuen DIN 4109-05 von 2020 verbessert hat, bleibt abzuwarten. Es kommt weiterhin auf die Gesamtauslegung des Vertragswerks an. Wenn die Wünsche des Bauherrn zu unkonkret sind, trifft den Architekten eine Hinweis- und Belehrungspflicht. Zudem kann sich eben in späteren Leistungsphasen in dem Zeitpunkt, wenn ggf. die geplanten Eigentumswohnungen an die Interessenten verkauft werden, aus den Wünschen der Erwerber oder den Versprechungen des Bauherrn höhere Schallschutzanforderungen ergeben als in der aktuell geltenden DIN 4109 beschrieben ist. Dies muss der Architekt erkennen und umsetzen.
Auch im Rahmen der Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) muss der Architekt die an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten koordinieren. Dies umfasst auch die Baubereiche, in denen die Fachbauleiter eingesetzt sind. Der Architekt muss hierbei darauf hinwirken, dass die jeweiligen Ingenieure für Bauphysik, Tragwerk oder technische Gebäudeausstattung die entsprechenden Gewerke überwachen oder nach Abschluss der Arbeiten die Abnahmen durchführen. Der Architekt muss daher insgesamt für einen geordneten Bauablauf sorgen. So muss der Architekt beispielsweise auch dafür Sorge tragen, dass ein Gerüst für die entsprechend beschäftigten Gewerke ausreichend gestellt ist. Die Behinderung eines Gewerks, weil das Gerüst nicht korrekt oder ausreichend für die Ausführung der Arbeiten aufgestellt wurde, geht nicht zu Lasten des Gerüstbauers, sondern zu Lasten des bauüberwachenden Architekten. In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Urteil vom 02.03.2006 – 2 U 126/05) fehlten notwendige Fanggerüste in einem aufgestellten Baugerüst für das Dachdeckerhandwerk, sodass dass Dachdeckergewerk nicht arbeiten konnte. Der eingetretene Verzug ging auf das Konto des Architekten.
Fazit
Ein ggf. auch berechtigtes Vertrauen in die Fachkenntnis eines Sonderfachplaners entbindet den Architekten nicht grundsätzlich von der Haftung. Im Ergebnis muss der Architekt in Bezug auf die Sonderfachplaner kontrollierend koordinierend tätig werden, um eine eigene Haftung bestmöglich zu vermeiden. Die Grenzen zu dem, was der Architekt im Rahmen seiner von ihm übernommenen Grundleistungspflichten und dem eigenen vorauszusetzenden Fachwissen noch selbst prüfen muss und was bereits Angelegenheit des Sonderfachplaners ist, verschwimmt zum Teil und wird zudem im Einzelfall unterschiedlich beurteilt.
Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.