In Memoriam: Deutsche Welle ins Souvenir gerettet
www.die-welle-koeln.de, hausrecycling.nrw

Angeblich sind es die Kosten der Sanierung, die einen Abriss erforderlich machen. Doch tatsächlich muss, bevor wieder einmal und wieder sehr spektakulär gesprengt wird, die Sanierung gemacht werden. Die Rede ist von einer Asbestsanierung der Deutschen Welle am Raderberggürtel im Süden von Köln. Hier stehen zwei, eigentlich drei Türme, von denen der höchste (der Büroturm) mit 137,66 m heute immer noch das fünfthöchste Gebäude in Köln ist. Neben diesem stehen noch ein niedrigerer Studioturm (mit größeren Geschosshöhen) und der beide verbindende Treppen- und Aufzugsturm. 1974 legte hier ein Bundespräsident den Grundstein, 1977 gab es das Richtfest und 1980 wurde das Funkhaus der Deutschen Welle eingeweiht und in Betrieb genommen. Nur etwa 35 m Luftlinie westlich ist der Deutschlandfunk adressiert, untergebracht in dem aus gleicher Zeit stammenden, auf einen Sockel hochgestellten Hochhaus von Gerhard Weber + Partner.

Die Hochhausgeschwister, die durch ihre freie Stellung in der südlichen Skyline und ihren besonderen Zeitbezug mit ihrer kräftigen Farbigkeit jahrzehntelang und bis heute die Stadtsilhouette Kölns prägen, verdanken ihre Gestalt der irgendwie schon legendären „Planungsgruppe Stieldorf“, die sich Anfang der 1970er-Jahre aus der „Planungsgruppe A. H. T.“ (Manfred Adams, Günther Hornschuh, Peter Türler) entwickelt hatte. Stieldorf ist ein Stadtteil von Königswinter.

Bis 2003 arbeitete die Deutsche Welle im Hochhausduo am Raderberg, dann zog sie aus. Grund: s. o. Dass die Radio­leute nach Bonn und dort in den Schürmann Bau zogen, mutet fast schon wie aus einer Doku-Soap entnommen an. Der Schürmann Bau (benannt nach seinem hier unglücklichen Architekten, Joachim Schürmann) war ursprünglich für die Abgeordneten des Bundestags vorgesehen. Der Umzug nach Berlin und ein Hochwasser, das den Rohbau monatelang in Feuchte und Schlamm versinken ließ, machten die Architektur zur teuersten der deutschen Nachkriegszeit. Mit dem Einzug der DW 2003 gab es dann so etwas wie ein
spätes Happy End für das allerdings eher liegende, langgestreckte Volumen.

Sprengung

Ab dem Umzug von Köln nach Bonn wurde  darüber nachgedacht, was mit den leer stehenden und asbestkontaminierten Bauten geschehen könnte. Es gab Wettbewerbe, Umfragen und Diskussionsrunden, unter anderem den BDA-Workshop „Ressource Stadt“ im letzten Jahr. Es gab das Übliche, könnte man sagen, das Für und Wider-Erhalt, das Für und Wider-Abriss. Bis schließlich mit der Zusage eines Investors, hier in Wohnungen investieren zu wollen, die Türmegeschichte endgültig zu ihrem Ende kommt. Wohl Anfang 2017 sollen die Hochhäuser gesprengt werden. Nach den aufwendigen Asbestsanierungsarbeiten und der Entkernung soll der gerne Rückbau genannte Abriss der Türme aus der Stadtsilhouette nur zehn Sekunden dauern. Dabei gehen 20 000 m³ Stahl und Beton zu Boden, nur 35 m Luftlinie vom Hochhaus des Deutschlandfunk entfernt. Weltweit wurde nie ein höheres Hochhaus gesprengt, die Stadt rechnet mit 50 000 Schaulustigen.

Wohnen an der Peripherie

Was kommt an Stelle der Türme? Ein neues Marienburger Wohnquartier soll es geben, hoch verdichtet mit etwa 700 Einheiten mit zusammen rund 75 000 m² Wohnfläche. Hinzu kommen eine integrierte Kindertagesstätte und etwas Kleingewerbe als Übergang zum dort noch produzierenden Gewerbe.
Als Eigentümerin des Grundstücks hatte die DWK Projektgesellschaft, ein Joint Venture der Bauwens Development GmbH & Co. KG und der Wohnkompanie NRW GmbH, einen Architektenwettbewerb ausgelobt, der am 3. Juni 2015 zugunsten eines Entwurfs der Kölner Astoc Architects and Planners entschieden wurde. Der zeigt die Positionierung der rund 700 Wohneinheiten in den geforderten fünf Bauabschnitten, die die schon realisierten oder gerade im Entstehen begriffenen Wohnungsneubauten im südlichen Umfeld ergänzen werden. Der Entwurf wurde schon als „introvertierte Figur mit Festungscharakter“ beschrieben, dennoch wird das neue Quartier über grüne Binnenräume an die öffentlichen Parks angeschlossen sein.

In Memoriam?

Um uns Abrisswütigen dennoch Halt in der Geschichte zu bieten, hat die StadtBauKultur NRW, eine Initiative des Landes mit Kammern und Verbänden, die schöne Idee ge­habt, Modellhäuser anzubieten, die sämtlich aus Abrissmaterial bestehen. In dieser nun wegen der starken (Abriss?)Nachfrage zweiten limitierte Serie von Modellhäusern ist auch die Deutsche Welle präsent. Und weil das Haus ja stark kontaminiert ist, wurden die Modellhäuser aus Teilen der Holzvertäfelung des Empfangstresens im Foyer geschreinert. Die Schichtholz-/Pressspanteile dürften – mit Blick auf die Entstehungszeit – durchaus auch kontaminiert sein, dennoch hat der Autor zwei aus der Serie erworben. Ob die Aktion „Hausrecyling“ das „Rückbauen“, schreiben wir lieber Abreißen, anders aussehen lässt? Kaum. Die beiden Häuser aus Empfangstresenmaterial stehen nun im Regal, abrisssicher, in Memoriam. Be. K.

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