„Die Fassade wird
Energiegenerator“
Inga Sörensen zum Thema „Fassade“

Deutschlands Gebäudebestand muss energetisch aufgewertet werden. Die beste Möglichkeit bietet dafür oft die Gebäudehülle. Da die Sanierung zukünftig ein wachsender Teil der Arbeit von Architekten wird, kann man nicht früh genug damit anfangen. Inga Sörensen entwickelte in ihrer Diplomarbeit „Tilting Shell“ eine neue Fassade für das Kontorhaus an der Holzbrücke in Hamburg, gab dem Gebäude dadurch eine neue Identität im Stadtraum und optimierte die Behaglichkeit für die Nutzer.

Sie haben ein Bürogebäude in Hamburg saniert. Erläutern Sie uns bitte das Projekt.

Für das Kontorhaus Holzbrücke wurde ein Energiekonzept mit multifunktionaler Fassade entworfen: Der Bestand von 1959 wird durch die Aufstockung des Westtraktes im städtischen Raum präsenter. Beide Gebäudeteile werden durch den offenen Erschließungsraum verbunden und können separat vermietet werden. Der bestehende Fernwärmeanschluss, eine Absorptionskältemaschine und die Regenwasseraufbereitung bilden neben der multifunktionalen Fassade die wichtigsten Komponenten für die Optimierung der Energiebilanz. „Tilting Shell“ - eine hochwertig gedämmte Hülle wird in Form einer polyvalenten Doppelfassade hergestellt. Fassadenintegrierte Photovoltaik und auf die Orientierung des Gebäudes abgestimmte Sonnen- und Schallschutzelemente reagieren auf die lokalen Verhältnisse und die Anforderungen des Nutzerkomforts.

 

Welche Aufgaben übernimmt das Bauteil Fassade?

Die geplante Fassade ist ein multifunktionales Element, das sowohl als Sonnen- und Schallschutz fungiert als auch die Raumkonditionierung übernimmt. Die Südfassade bietet eine optimale Verschattung durch das opake Fassadenband. Im Norden ist dieses Element angehoben und in die entgegen gesetzte Richtung geneigt, um möglichst viel diffuses Licht eindringen zu lassen. Die Brüstung dient als Schallabsorber und Sichtschutz zur Straße. Die Westfassade stellt die Verbindung beider Konzepte in Form einer funktionalen Kippbewegung dar. Die innere Fassade ist zu allen Himmelsrichtungen identisch ausgebildet. Der Geschossdecke vorgelagert ist eine Konstruktionsschiene, an der sie zusammengefügt wird. In jedem Feld sind dezentrale Lüftungsgeräte installiert, die die Zuluft konditionieren. Die äußere Konstruktion ist autark und wird an einer Konsole montiert. Der bewegliche Sonnenschutz ist im Fassadenzwischenraum vor starkem Wind geschützt.

 

Welche Ergebnisse versprechen Sie sich von der Sanierung?

Fokus der Sanierungsmaßnahmen ist, die Behaglichkeit im Innenraum zu optimieren. Die multifunktionale Fas­sade passt sich den Umwelteinflüssen an und beinhaltet die grundlegende Versorgungstechnik. Für die aktive Raumkonditionierung kommen vorwiegend Kapillarrohrmatten zum Einsatz. Durch eine geschickte Zonierung des Rohrsystems in Kombination mit der fassadeninte­grierten Lüftungstechnik werden attraktive und flexible Arbeitsplätze geschaffen. Zweiter wesentlicher Aspekt ist die weitesgehende Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen vor dem Hintergrund steigender Energiekosten. Die Investitionskosten für Kernsanierung, Fassadenoptimierung und neue Anlagentechnik sind durch sehr nie­drige Betriebskosten schnell amortisiert. Ein wichtiger Nebeneffekt der Sanierung ist die optische Aufwertung des Gebäudes durch die Geometrie der Hüllkonstruktion.

Das Bauteil Fassade wird immer komplexer. Was denken Sie, wie sieht die Zukunft der Fassade aus?

Die Fassade als Haut des Gebäudes entwickelt sich äquivalent zu technischen Neuerungen und quantitativen sowie qualitativem Anspruch des Nutzers. Oftmals wird und wurde dabei die schmückende und rhythmisierende Funktion herausgestellt, die als augenscheinlichste Funktion dem Betrachter in Erinnerung bleibt. Unterschiedlichste Konstruktionsprinzipien, die Erforschung neuer Dämmstoffe und deren Kombination mit funktionalen und hochwertigen Materialien eröffnen neue Perspektiven. Dabei können technische Entwicklungen den Nutzerkomfort verbessern, jedoch werden einfache und umso intelligentere Systeme den Markt bestimmen. In Zukunft wird die Fassade als Energiegenerator Teil eines Kreislaufes werden. Die Transparenz der Technik wird, in vertikaler und horizontaler Ausrichtung, dem Nutzer einen verantwortungsvollen Umgang mit Wasser, Wärme und elektrischer Energie vermitteln.


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