Die Wolke auf den Punkt gebracht

Wie effizient sich der Bestand für neue Nutzungen ertüchtigen lässt, hängt auch von dem Bild ab, das wir uns von ihm machen. Je präziser das Aufmaß, desto seltener ergeben sich Planungsfehler. Laserscans und digitale Klone weisen hier den Weg in die Zukunft.

Ohne jeden Zweifel: Moderne Planungs-Tools sind heute in der Lage, die verschiedenen Fachplanungen von TGA oder Statik mit der Architekturplanung des entwerfenden Büros abzugleichen und auf Basis vielfältiger Parameter kritische Fehlerpunkte ausfindig zu machen. Das spart Zeit und unnötige Kosten für die „baubegleitende Planung“ – und erleichtert die Prüfung von Planungen, sogar bei international variierenden Parametern. Denn schließlich gelten für Neubauten verbindliche Normen und Richtlinien, die man Programmen beibringen kann und allen Baubeteiligten als verbindliche Richtlinie dienen. 

Den Bestand exakt vermessen

Anders im Bestand: Zeitenschichten und Überarbeitungen ergeben oftmals eine äußerst heterogene Basis, die sich nicht um Regeln und Normen schert. Ein detailliertes Aufmaß des Bestands ist daher hier die einzige Möglichkeit, alle relevanten und vorhandenen Rauminformationen zu bündeln und anschließend in Bestandsplänen auszugeben. Das geschieht bekanntlich nur noch selten analog. Spezialisierte Büros nutzen seit vielen Jahren digitale Vermessungsgeräte sowie Laserscanner, die mit geringen Abweichungen von wenigen Millimetern arbeiten. Digitale, laserbasierte Aufmaße sind heute Stand der Technik. Kleinere Aufgaben werden dennoch häufig per Handaufmaß realisiert, wenngleich oft unterstützt von einem Laser mit Abstandsmessung, Bandmaß und digitaler Schlauchwaage – die aber nie die Präzision eines punktwolkenbasierten Laserscans erreichen.

Lange war das qualifizierte Aufmaß die alleinige Domäne spezialisierter Ingenieurinnen und Ingenieure in den Vermessungsbüros. Das ändert sich jedoch seit ein paar Jahren. Denn Laserscanner sind erschwinglich geworden. Je nach Ausstattung und Hersteller sind ab 16 000 Euro Geräte erhältlich, die bereits mit Profiqualität aufwarten. Bei diesem Preis ist ein Scanner zwar noch immer kein „Mitnahmeartikel“ – aber für Büros, die häufig Sanierungsaufgaben übernehmen und im Bestand planen, ist deren Anschaffung unter Umständen wirtschaftlich. Zum Gerät hinzu kommt eine spezielle Software, welche die Aufmaßdaten, die Punktwolken, referenziert und für die anschließende Übergabe ins BIM-Planungsprogramm vorbereitet. Diese Software kann angemietet werden und belastet das eigene Budget nur für das jeweilige Projekt und über einen überschaubaren Zeitraum. Darüber hinaus lassen sich Laserscanner bei verschiedenen Dienstleistern im gesamten Bundesgebiet tageweise mieten, was die Kosten ebenfalls überschaubar hält.

Laserscanner: Mieten oder kaufen?

Alexander Maier, Inhaber des Architekturbüros zeit + raum aus Mainz, ist einer der Dienstleister, die Laserscanner vermieten und verkaufen. Für ihn ist vor allem die Vermietung digitaler Scan-Systeme zu einem weiteren Standbein seines Büros geworden – er bietet verschiedene Systeme für vielfältige Aufgaben an: „Wir arbeiten durchweg mit Punktwolken-Laserscansystemen. Hier unterscheiden wir zwischen Kleingeräten, mit denen man schnell einen Raum durchläuft und aufmisst, zum Beispiel mit dem Leica BLK Go. Außerdem bieten wir Laser-Scanner auf dem Stativ an. Ein gutes Einstiegsmodell ist zum Beispiel der Leica BLK 360; hinzu kommen Geräte von Hersteller Faro. Beim Leica BLK 360 liegt man aktuell bei circa 16 000 Euro in der Anschaffung, bei Geräten von Faro bei ungefähr 35 000 Euro.“

Neben den mobilen oder stationären Laserscan-Systemen gibt es Flugdrohnen mit integriertem LiDAR-Scanner. Die Drohnen erstellen selbständig eine Punktwolke von dem überflogenen Gelände, die vor allem für das Außenaufmaß von Gebäuden, der Gebäudehülle oder der Umgebungsbebauung genutzt wird. Damit lässt sich beispielsweise prüfen, wie gut ein Gebäudeentwurf in die Bestandsbebauung integriert ist oder wie er sich in das Gelände einfügt. Je nach Modell erzeugen die Laser-Scanner ergänzende 360 °-Fotos, die sich für die umfängliche Dokumentation eines Projekts nutzen lassen.

Vom Gebäudeaufmaß zum Bestandsmodell

Soweit die Theorie. Doch wie sieht die konkrete Erstellung eines 3D-Bestandsmodells aus den ermittelten Daten aus? „Im Wesentlichen sind es sieben Schritte, die hier zu durchlaufen sind“, erklärt Architekt und Vermessungsexperte Alexander Maier.

1. Erstellung des Laserscans mit 360 ° Fotos am Projekt. Ein Scan dauert pro Laser-Standort 3 bis 4 Minuten. Beim Aufmaß sind stets verschiedene Standorte im und am Gebäude zu wählen. Die entstehenden Punktwolken werden in einem späteren Schritt referenziert und einander zugeordnet.

2. Die Übertragung der Daten vom Scanner oder Tablet auf den Desktop. Je nach Datenmenge dauert dieser moderate 15 Minuten oder länger.

3. Die Aufbereitung der Scan-Rohdaten in einer Registrierungssoftware. Hier werden die einzelnen Scanner-Standpunkte automatisch zusammengeführt und überprüft.

4. Das Erzeugen einer offenen e57-Datei und deren Export in eine BIM-Software wie z. B. Archicad.

5. Das Einlesen und Positionieren der e57-Datei in Archicad oder anderer kompatibler Software.

6. Die Nachmodellierung der Punktwolke in der Planungssoftware und der Aufbau als bauteilorientiertes BIM-Gebäudemodell.

7. Die Nutzung des Gebäudemodells für die weitere Planung (Umbau, Revitalisierung, Erweiterung) bzw. die direkte Übergabe in das CAFM-System als Grundlage für den Gebäudebetrieb.

Eine Scan – viele Möglichkeiten

Das Ziel eines laserbasierten Bestandsaufmaßes ist also die Überführung eines Bauwerks in ein bauteilbasiertes Gebäudemodell – als qualitätsvolle Basis für jede weitere Projektplanung. Eine möglichst exakte Planungsbasis zu haben, war immer der Wunsch von ArchitektInnen und IngenieurInnen und unterscheidet das simple Handaufmaß nicht grundsätzlich vom lasergestützten Aufmaß. Neu ist aber die Qualität der Laser-Messergebnisse auf der einen und die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten eines 3D-Bestandsmodells auf der anderen Seite. So kann das Bestandsmodell für alle weiterführenden Planungen, den Gebäudebetrieb und eine umfassende Bestands-Dokumentation genutzt werden, ebenso wie für die exakte Verortung von technischen Einbauten oder eine kontinuierliche Revision des „Es war“-, des „Soll“- und des „Ist“-Standes über den gesamten Projektverlauf hinweg.

Ein Büro, das seit mehreren Jahren immer wieder Laserscan-Systeme bei zeit + raum und Alexander Maier leiht, ist das Architekturbüro steffen wurs­ter aus Bolanden in Rheinland-Pfalz. Steffen Wurs­ter sieht vor allem die Genauigkeit des Aufmaßes sowie die einfache und stetige Überprüfung zwischen dem Entwurfs- und Bestandsmodell als die größten Vorteile für seine Arbeit. „Vor allem für größere Projekte bietet es sich an, in wichtigen Projektphasen, also zum Beispiel nach Abschluss der Rohbauarbeiten, weitere Zwischenaufmaße vorzunehmen“, sagt Wurster. Konsequent fortgeführt bis in die Ausbaugewerke hinein, erhalten die Planenden ein Aufmaß, das aus vielen Ebenen bestehend die gebaute Situation perfekt abbildet. Dennoch darf das nicht als As-built-Modell verstanden werden. Vielmehr sind hier verschiedene Punktwolken übereinandergeschichtet, die sich jeweils zu- und abschalten lassen. Das Facility Management kann so im nachfolgenden Gebäudebetrieb mithilfe einer Augmented Reality-Anwendung „hinter die Wandverkleidung schauen“ und technische Gebäudeausrüstung, Schächte oder ummantelte Konstruktionselemente wie verdeckte Pfeiler, Stützen und Unterzüge virtuell sichtbar machen. Planende bieten ihren KundInnen somit einen Mehrwert, der die Funktionalität ihres Gebäudes auf lange Sicht gewährt.

Hinzu kommt, dass das punktwolkenbasierte und lasergestützte Aufmaß schlichtweg alles erfasst. Anders als beim händischen Aufmaß, wo schnell ein Bezugsmaß oder eine Höhe vergessen wird, ist daher nur ein Besuch auf der Baustelle vonnöten. Außerdem lassen sich im Nachhinein verschiedene Schnitthöhen definieren, die es z. B. ermöglichen, feste Einbauten auszublenden und nur die raumbildenden Wände abzubilden – indem die Schnittlinie oberhalb des Tür- oder Fenstersturzes geführt wird. Das 360 °-Aufmaß eines Scanners bietet darüber hinaus weitere Möglichkeiten, die umfangreichen Punktwolken-Daten umfassend sowie clever auch nach der Entwurfsphase zu nutzen. Aber dazu später mehr.

Wolken in Pakete packen

Noch immer hält sich hartnäckig in der Branche die Annahme, dass Punktwolken großer Gebäude enorme Rechenkraft und vor allem Arbeitsspeicher benötigen und damit fast jeden Computer in die Knie zwingen. Das ist zwar im Grundsatz richtig, aber dennoch falsch. Eine Gesamtpunktwolke kann gut und gerne mehrere hundert Gigabyte groß sein und ist damit technisch kaum handhabbar. Moderne Aufmaßsysteme unterstützen jedoch kompakte Einzelpunktwolken, die später mithilfe einer Software zusammengefügt werden. Der Vorteil dieser Arbeitsweise: Die deutlich kleineren Punktwolken lassen sich für die Modellierung einzeln zu- beziehungsweise abschalten. Die BIM-Software Archicad z. B., mit der das Architekturbüro von Steffen Wurster arbeitet, bietet dieses Feature und ermöglicht so die flüssige Weiterbearbeitung am Computer.

Für die Bauherrschaft, das betonen sowohl Alex-ander Maier als auch Steffen Wurster, bietet das Bestandsaufmaß und ein den Baufortschritt begleitendes Aufmaß vor allem für den Gebäudebetrieb enorme Vorteile. Doch ist hier weitere Aufklärungsarbeit nötig, weiß Steffen Wurster: „Der Nutzen des Bestandsaufmaßes und des Gebäudemodells steht beim Bauherrn bisher nicht im Vordergrund. Sicher wird sich das in den kommenden Jahren ändern.“ Aktuell ist sei es aber vor allem für die Planenden von großem Vorteil – und das nicht nur bei Sanierungsvorhaben. Auch bei Neubauten fände es Anwendung, um beispielsweise die Umgebung oder Außenanlagen digital aufzunehmen. „Wir können in Archicad modellieren und die umgebende Bebauung, Bäume oder die Topografie direkt in den Entwurf einbinden. Sogar ergänzende Sonnenstandstudien lassen sich daraus leicht erarbeiten. Die nötigen Daten sind ja dank des digitalen Aufmaßes einfach da. Also nutzen wir sie!“

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