Die sich öffnende Schere
Wenn wir die Welt um uns herum aktiv beobachten, dann lassen sich zwei wesentliche Trends erkennen, deren Einflüsse die Ausbildung von Architekten und Ingenieuren meiner Einschätzung nach in Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. Zum einen ist eine sich verändernde gesellschaftlichen Wahrnehmung des Bauens erkennbar. Dies lässt sich unter anderem an immer zahlreicher werdenden Fragen zu Themen des nachwachsenden Baustoffs Holz ausmachen. War das Bauen mit Holz bis vor wenigen Jahren eher eine Randerscheinung und ausschließlich für „Bauwerke mit geringen Dimensionen“ baurechtlich zulässig, tauchen Holzbau basierte Entwürfe heute ganz selbstverständlich auch in Architekturwettbewerben mit umfassenden Anforderungen an die Bauwerke auf. Eine zweite wesentliche Tendenz ist die stetig wachsende Vielzahl von konstruktiven und gestalterischen Lösungsoptionen. Sie machen Entwurfsideen umsetzbar, die vor kurzer Zeit noch nicht realisierbar waren, gleichzeitig aber in Planungsprozessen besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, da sie die Anwendungsbereiche der Normen verlassen und über Zulassungen und ähnliches geregelt sind. Um dieser „sich öffnenden Schere“ in der Ausbildung konzeptionell begegnen zu können, sollte meines Erachtens zunächst eine gute „Grundausbildung“ die wesentlichen Grundlagen zur Berufsausübung vermitteln. Je weiter die Studierenden im Studium voranschreiten, desto wichtiger werden fachlich unabhängige Kompetenzen, um Probleme zu erkennen und dezidiert zu beschreiben. Im zweiten Schritt können mit solchen Kompetenzen Lösungen entwickelt werden, die auf dem aktuellen Stand der Technik aufsetzen und die inhaltlich auf die jeweilige Anwendung adaptiert werden. Zu guter Letzt noch ein Wunsch: Die Begriffe der Fachsprache und wesentlichen Elemente unserer baukulturellen Entwicklungsgeschichte sollten stets aktiv in die Lehre integriert werden.