Ein Dach aus Glas
Pilotprojekt Lärmschutz­einhausung Autobahn A1, Köln-Lövenich

Mit bis zu 120 000 Fahrzeugen täglich ist die A 1 eine der am stärksten befahrenen Autobahnen Deutschlands. Im Kölner Westen führt sie durch sehr dicht besiedelte Wohngebiete der Stadteile Lövenich, Weiden und Junkersdorf. Vor diesem Hintergrund wurde für dieses Gebiet der Bau einer 1,5 km langen Lärmschutzeinhausung beschlossen. Seit seiner Inbetriebnahme mindert das Bauwerk den Lärmpegel um über 20 dB, was zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität im direkten Umfeld der Autobahn führt. Bei dem Pilotprojekt des Bundes war Schüßler-Plan sowohl für die Planung der temporären und endgültigen Konstruktionen der Lärmschutzeinhausung als auch für Planungen zum Betriebsgebäude, zur Entwässerung, für Teile der Verkehrsplanung sowie für Werk- und Montageplanungen verantwortlich.

Bauwerk

Die neue Lärmschutzeinhausung wird im Norden durch die vorhandene DB-Brücke der Bahnstrecke Köln-Aachen und im Süden durch die vorhandene, jedoch neu zu errichtende innerstädtische Straßenbrücke der Jung­bluthgasse begrenzt. Innerhalb des Bauwerks kreuzen drei bestehende Brücken, zwei Straßenbrücken und eine Fußgängerbrücke, den Verlauf. Die Fußgängerbrücke wurde im Zuge der Baumaßnahme komplett erneuert und in die Lärmschutzeinhausung integriert, ebenso wie die Anschlussstelle Köln-Lövenich. Das Bauwerk wurde insgesamt in 95 Blöcke mit einer Regelblocklänge von 14 m unterteilt.

Um die Lärmemission zu reduzieren, wurde die 6-spurig ausgebaute A 1 seitlich über zwei Wandscheiben eingefasst. Die Fahrspuren der Richtungsverkehre wurden durch eine Mittelwand voneinander getrennt. Alle Wände wurden in Ortbetonbauweise hergestellt. Den oberen Abschluss der Wände bildet ein T-Quer­schnitt mit einer 3 m breiten horizontalen Fläche. Diese dient als Fahrbahn zur Wartung des Glasdaches, welches sich über die beiden äußeren und die mittlere Stahlbetonwand wölbt. Zur Aufnahme der Dachkonstruktion spannen segmentkreisförmig gekrümmte Fertigteilbinder aus Stahlbeton in Abständen von 7 m quer zwischen den Wänden. Die Wandscheiben und die Stahlbetonfertigteile wurden biegesteif verbunden. Die Dachhaut besteht aus einer Stahl-/Glaskonstruktion.

Die lichte Weite zwischen den Außenwänden und der Mittelwand beträgt im Regelbereich 16,5 m. Durch das Einbinden der Ein- und Ausfahrten der Anschlussstelle Köln-Lövenich vergrößert sich der lichte Abstand zwischen den Außenwänden und der Mittelwand von 16,5 auf 20 m und von 20 auf 25,1 m.

An den kreuzenden Brücken wurden infolge unterschiedlicher Kreuzungswinkel sogenannte Pflanztröge angeordnet. Diese gleichen die unterschiedlichen Geometrien aus und schaffen jeweils einen rechtwinkligen Übergang im Anschluss zur Lärmschutzeinhausung. Die Pflanztröge fungieren somit als Anpassmodule, Teilbauwerke, welche die Länge der Lärmschutzeinhausung zudem optisch gliedern. Den Anpassmodulen vorgelagert befinden sich die Wendebereiche der Servicewege. Durch diese Querungen sind die Servicewege der Außenwände und der Mittelwand untereinander verbunden.

Die Lärmschutzeinhausung A 1 Köln-Lövenich stellt in ihrer Bauweise ein Novum dar, ein Vorbild für dieses spezielle Bauvorhaben gab es bislang nicht.

Vorschriften

Da die Lärmschutzeinhausung als Tunnelbauwerk einzustufen ist, waren bei der Planung und beim Bau die Anforderungen der „Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln“ (RABT) sowie die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten“ (ZTV-ING), speziell Teil 5, Abschnitt 2, Tunnel in offener Bauweise, anzuwenden.

Hieraus resultierte die Anordnung der Notrufnischen an den Außenwänden in einem Abstand < 150 m sowie die Notausgänge an den Außenwänden in einem Abstand < 300 m. Die Überkopfbauteile aus Stahlbeton erhiel­ten als konstruktive Brandschutzmaßnahme eine verzinkte Brandschutzbewehrung und die innenseitige Betondeckung an allen Bauteilen beträgt 60 bis 70 mm. Hinsichtlich der Besonderheit dieser Konstruktion mit einem Stahl-/Glasdach wurde seitens Bauherrn und Prüfingenieuren ein Lastenheft in Ergänzung der DIN-Fachberichte und der ZTV-ING erstellt. Darin wurden u. a. die Brandlasten und auch Lastfälle wie z. B. Binderausfall definiert. Die Tunnelausstattung basiert auf den Vorgaben der RABT.

Innerhalb des Glasdaches wurden ca. 1 500 Rauch-Wärme-Abzugsanlagen eingebaut. Diese wurden mit den in der Lärmschutzeinhausung angeordneten Branddetektoren gekoppelt, so dass im Brandfall die RWA-Klappen automatisch geöffnet werden und ein schneller Rauchabzug erfolgen kann.

Baugrund

Vom Nordportal an der DB-Brücke bis zur Fußgängerbrücke Eifelallee ist das Bauwerk auf sandigen und kiesigen Bodenschichten gegründet. Im weiteren Verlauf bis zum Südportal charakterisieren überwiegend schluffige Bodenschichten den Baugrund. Die Außenwände sind flach gegründet, die Mittelwand ist mit Bohrpfählen tief gegründet.

Bauphasen

Die gesamte Herstellung der Lärmschutzeinhausung erfolgte unter laufendem Verkehr. Entsprechend des Verkehrsaufkommens war die Aufrechterhaltung von drei Fahrspuren Richtung Norden und zwei Fahrspuren Richtung Süden vorgegeben. Einzelne Vollsperrungen der A 1 waren für den Rückbau der Brücken Jungbluthgasse und Eifelallee erforderlich. Die Montage der Stahlbetonfertigteile erfolgte in nächtlichen Sperrpausen unter Sperrung einer Tunnelröhre. Der Verkehr wurde in dieser Zeit im Zweirichtungsverkehr in der Nachbarröhre geführt.

Die Stahlbetonkonstruktion der Lärmschutzeinhausung

Die Stahlbetonkonstruktion der Lärmschutzeinhausung besteht aus drei Wandscheiben, welche in Ortbeton hergestellt wurden. An den Wandköpfen wurden beidseitig Kragarme zur Aufnahme der Servicewege angeordnet. Sämtliche Konstruktionen über den Fahrbahnen der A 1 und somit auch die weit spannenden Dachbinder wurden als Fertigteile geplant.

Die biegesteife Ausbildung der Stahlbetonkonstruktion an dem Übergäng Wand zum Dachbinder war durch den Bauherrn festgeschrieben.

Leitdetail Binderauflager

In der Planung stellten sich schon früh wesentliche Leitdetails heraus. Hierzu gehörten vor allem die Knotenpunkte Wand-Fertigteilbinder und die zur Montage der Binder erforderlichen Hilfskonstruktionen. Bei 192 Achsen war der Anschluss Dachbinder an der Außen- und Mittelwand 384 Mal auszuführen. Insofern waren diese Knotenpunkte aus montagetechnischer und zeitlicher Sicht eine maßgebliche Herausforderung. Um hinreichende Kippstabilität der Fertigteilbinder zu erreichen, wurden an den Auflagern Hammerköpfe ausgebildet. Diese Ausbildung hatte zudem Vorteile bei der Lagerung der Binder im Fertigteilwerk sowie beim Transport zur Baustelle. Im Hinblick auf kurze Montagezeiten der Binder und einer standsicheren Ausführung der Hilfsunterstützung wurden Stahlbetonkonsolen für die Auflagerung der Binder entworfen. Der biegesteife Anschluss der Stahlbetonfertigteilbinder mit den Wandscheiben stellte hierbei die größte ingenieurtechnische Herausforderung dar. Zur Herstellung der biegesteifen Anschlüsse wurde in den Achsabständen der Dachbinder von 7 m Aussparungen in den Wandscheiben vorgesehen. Nach Herstellung der Wandscheiben konnten die Stahlbetonkonsolen nachbetoniert werden. Die Konsolen überspannen hierbei die Aussparung. Entscheidend für die Zustimmung zu dieser Lösung war der Anschluss dieser Konsolen mit Hammerkopfschraubverbindungen und einer verzahnten Arbeitsfuge. Dadurch war der Einsatz einer ununterbrochenen geraden Wandschalung möglich. Die Herstellung der geplanten Stahlbetonkonsole ließ sich in die entsprechenden Bauphasen problemlos integrieren. Zudem ermöglichten die bereits weit vor der Bindermontage fertig gestellten Konsolen, ein vorlaufendes Messprogramm zur Montage der Binder zu installieren, da bei der Bindermontage für das Stahl-/Glasdach sehr hohe Genauigkeiten erforderlich waren.

Leitdetail Bewehrung Rahmenecke

Zur Herstellung des biegesteifen Anschlusses wurde ein Übergreifungsstoß innerhalb der Wandaussparung geplant. Die Rahmenecke wird sowohl durch negative als auch positive Rahmeneckmomente hoch beansprucht. Zur Abdeckung der Rahmeneckmomente waren daher in der oberen sowie in der unteren Lage der Fertigteildachbinder 28er Bewehrungseisen zu stoßen. Die Verlängerung der außenliegenden Bewehrung in die Wand erfolgte über Schraubmuffen. Vor dem Absetzen des Binders auf die Konsole waren die Bewehrungsstäbe an die eingebauten Muffen an den Bindern anzuschrauben.

Leitdetail Bewehrungsstoß Wand Mitte

Die Bewehrungsführung im Bereich über der Mittelwand war noch aufwändiger, da hier die Dachbinder beidseitig einbinden. Durch die statisch erforderlichen Bewehrungsstöße der oberen und unteren Lage über der Mittelwand bei starker vertikaler Wandbewehrung wurde die Einbaubarkeit jedes einzelnen Bewehrungseisens überprüft.

Aus diesem Planungsprozess resultierten folgende Ergebnisse:

– Die aus dem Binder herausstehende Bewehrung wurde unsymmetrisch im Balken eingebaut.

– Der Einbau der aus dem Binder herausstehenden Bewehrung im Fertigteilwerk musste mit Schablonen erfolgen.

– Der Bewehrungsstoß der oberen Lage wurde mit einem Überlapp-Schweißstoß ausgeführt.

Die vertikale Wandbewehrung auf der Baustelle wurde ebenfalls mit Schablonen eingebaut. Von der Binderachse ausgehend wurde ein festes Raster vorgegeben, dass durch die aus den Bindern herausstehende Bewehrung festgelegt wurde. Durch den lagegenauen Einbau der Vertikalbewehrung konnten im Übrigen für den gesamten Serviceweg Mittelwand Fertigteil-Kragplatten eingesetzt werden.

Um den oberen Bewehrungsstoß auszuführen, waren schon im Fertigteilwerk einige Bewehrungsstäbe einzubauen und für die Montage zu fixieren. Nach dem Einbau des Binders wurden diese Eisen dann gelöst und in die entsprechende Lage gebracht. Ein Einfädeln dieser Eisen nach der Montage des Binders wäre von „außen“ nicht möglich gewesen.

Aufgrund der sehr hohen Einbaugenau­igkeit der Bewehrung, sowohl auf der Baustelle als auch im Fertigteilwerk, wurden im Ergebnis die Binder mit den Abschlusseisen reibungslos eingefädelt und mit hoher Genauigkeit auf den Lagerkonsolen abgesetzt.

Fazit

Der Verkehrslärm, den die über 120 000 Fahrzeuge täglich auf der A 1 bei Köln-Lövenich erzeugen, wird durch die Lärmschutzeinhausung entscheidend reduziert und führt somit zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität der Anwohner. Der Bau einer Lärmschutzeinhausung mit einem Stahl-Glas-Dach stellt in Deutschland bislang ein Novum dar. Sowohl in der Ausführung als auch in der Vorschriftenlage wurde neues Terrain betreten. Die Planungen zum Pilotprojekt der Lärmschutzeinhausung Köln-Lövenich waren eine ingenieurmäßige Herausforderung, welche mit der Verkehrsfreigabe am 21. Dezember 2012 nahezu abgeschlossen wurden.

Da die Lärmschutzeinhausung als Tunnelbauwerk einzustufen ist, gingen die Erfahrungen der Tunnelkatastrophen der letzten Jahrzehnte in die Planung mit ein: Insgesamt besteht die gesamte Lärmschutzeinhausung aus drei Betonwänden mit ca. 4,5 m lichter Höhe, je eine an den Fahrbahnseiten und eine auf dem Mittelstreifen. „Das rund 30 000 m² große Glas-Stahl-Dach muss man sich wie eine flachgelegte Hochhausfassade vorstellen“, erläutert Wolfgang Schmidt, Projektinge­nieur bei Bilfinger Berger und mit verantwortlich für das Kölner Pilotprojekt. „20 000 Glasscheiben lassen das Tageslicht durch und sorgen so für eine angenehme Fahrtatmosphäre. In die komplett verglasten Abschnitte sind 1 504 RWA-Antriebe für das elektromotorische Öffnen und Schließen der Fensterflügel integriert. Die Antriebstechnik wird durch die im Tunnel vorhandene Branddetektion voll­automatisch gesteuert und sorgt so bei Feuer- und Rauchentwicklung für schnellstmögliche Entlüftung der Lärmschutzeinhausung“. Schmidt: „Sollte es einmal zur Rauchentwicklung kommen, besteht also kein Anlass zur Panik. Die Lärmschutzeinhausung wird von der Beleuchtung über die Belüftung bis zur Löschwasserversorgung permanent überwacht und über eine personell permanent besetzte Tunnelzentrale überwacht und gemanagt. Außerdem stehen neben modernster RWA-Technik zahlreiche Notausgänge und Notrufnischen zur Verfügung“.

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