Ein solches Projekt muss nachahmbar sein
Im Gespräch mit Martina und Rolf Klärle, Schäftersheim/Bad Mergentheim
Wen es einmal ins tauberfränkische Schäftersheim verschlagen sollte und hier nach den Sehenswürdigkeiten fragt, dem wird oft der „HOF8“ genannt. Der gerade fertiggestellte Umbau einer alten Hofanlage im Herzen des 700-Seelen-Ortes bei Weikersheim hat – obwohl weit jenseits aller architekturrelevanter Wahrnehmung – mittlerweile vier hochkarätige Auszeichnungen erhalten, der letzte aus dieser Reihe ist der Sonderpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Wie man dieses Wunder von Schäftersheim hinbekommt interessierte uns und wir fuhren also aufs Land, sprachen mit Bauherrin und Impulsgeberin, Prof. Dr. Martina Klärle, und dem Architekten, dem Bruder Rolf Klärle.
Warum liebe Frau Klärle, lieber Herr Klärle „HOF8“?
Martina Klärle: Wir haben lange nach dem passenden Namen gesucht. Nummer 8 ist die Hausnummer und mein Bruder schlug damals vor, doch den „Hof“ mit der 8 einfach zu kombinieren. Jetzt suggeriert der Name noch „Achtsamkeit“ im Umgang mit Materialien und mit Menschen ... „Achtung, schaut her“. Das ist kurz und knackig.
Und hat etwas von einem Label. Gastwirte verkaufen den „HOF8“ schon als Highlight im Ort. War das gewollt?
MK: Das war nicht so geplant. Wir wollten einen Namen, der jetzt zum Label geworden ist, besser geht’s nicht.
Sie beide kommen gebürtig aus Schäftersheim. Verhindert diese emotionale Bindung an den Ort eine an die Zukunft angepasste Neuplanung?
MK: Wir wussten natürlich nicht von heute auf morgen, was wir hier machen wollten. Es drohte ja der Abriss. Der Hof ist einer der letzten drei kompletten Höfe hier, ein Abriss hätte dem ganzen Ort Schaden zugefügt. Wir wollten andererseits kein Freilichtmuseum haben. Wir haben vieles erhalten, die Ensemble-Wirkung, die Materialien etc., aber wir haben auch viel Neues möglich gemacht; von der Nutzung bis zum Design.
RK: Grund für die Verleihung des Nachhaltigkeitssonderpreises war ja, dass wir gezeigt haben, das man auch mit landwirtschaftlichem Bestand zukunftsfähige Architektur machen kann. Hier haben wir die alte Struktur mit neuen Inhalten und einem dazu passenden Kleid versehen.
Sind Sie in dieser Transformation von der Gemeinde unterstützt worden?
MK: (längeres Schweigen) Es gab alles an Reaktionen. Von: „Wir haben da volles Vertrauen, da kommen neue Nutzungen, tolle Idee“, bis zu: „Reißt das alte Gelump doch ab und baut ein normales Einfamilienwohnhaus.“ Sie haben den Hof also gekauft. Wie ging es weiter?
MK: Wir haben gleich am Anfang mit allen vor Ort geredet. Wir haben die Nachbarschaft eingebunden, ein Fest gemacht und nach Ideen gefragt. Dann kam die Hebamme auf mich zu. Ihr war es wichtig, etwas zu haben, wo Umwelt und Natur eine zentrale Rolle spielen. Hier sollte man spüren, dass man in der Sanierung sehr sorgfältig mit dem Bestand, mit den Materialien etc. umgegangen ist. Der Hof sollte Teil des Ortes bleiben. Sie hat ihre Räume im ehemaligen Kuhstall.
Wie ist der Architekt an die Aufgabe herangegangen?
RK: In den ersten Gesprächen mit meiner Schwester, die ja meine Bauherrin war, stellte sie klar, dass der neue Hof vorbildlich sein musste. Damit war für mich die Aufgabe formuliert, die Sanierung, den Umbau zeichenhaft außen aber natürlich auch innen umzusetzen. Der Entwurf hatte alles zu vereinen, die neuen Nutzungen, die Schwächen und Stärken des Bestandes und eben auch die technische Seite. Früh haben wir uns beraten mit Fachplanern bezüglich der Solaranlage und der Heiztechnik.
Bauherrin, Architekt, Geschwister: Wie war die Zusammenarbeit?
MK: Wir sind zwei von acht Geschwistern. Von daher sind wir es gewöhnt, auch mal Kompromisse machen zu müssen! Natürlich muss ich als Bauherrin auf die Kosten schauen. Mir war das, um noch mal bei dem Vorbildlichen anzuschließen, ein Anliegen, dass das Projekt auch hinsichtlich der Finanzierung vorbildlich ist. Es muss nachahmbar sein, sonst hat das Projekt für die Gesellschaft wenig Wert.
RK: In der Aufteilung Bauherrin / Architekt war klar, dass von meiner Seite die Vorschläge kommen müssen. Auf der – ich sage mal – gleichgesinnten Ebene hat das am Ende dann dafür gesorgt, dass wir mehr erhalten haben, als hätten meine Schwester oder ich die Planung alleine gemacht. Wenn ich gemerkt habe, dass meine Vorschläge prinzipiell gut ankamen, habe ich an dieser Stelle angeknüpft und verstärkt daran gearbeitet.
Gab es etwas, dass der Architekt gerne gemacht hätte, die Bauherrin aber nicht?
RK: In Details vielleicht, aber mit Blick auf das Ganze sicher nicht.
Was kennzeichnet wesentlich das Entwurfskonzept?
RK: Zum einen haben wir ein untergeordnetes Gebäude abgebrochen, um die Grundform des Ganzen klar herausarbeiten zu können. Das war von der Nutzung her sinnvoller, aber auch vom Städtebau aus gesehen. Der „HOF8“ soll ja nach außen strahlen. Mit dem Abbruch
haben wir das ehemalige Wohnhaus freigestellt und damit auch einen Hof gewonnen, der für alle zugänglich ist.
Wozu die Vereinheitlichung der Gebäudeoberflächen im Ensemble?
RK: Wir haben hier mit der Ummantelung der Gebäude eine Abstrahierung erreicht, die auf das Archaische des Bestandes verweist. Hier gab es gestampfte Lehmböden mit Fliesenauflage. Heute ist das ja aus bautechnischen und energetischen Gründen undenkbar! Für uns war das Anlass, das Fachwerk des Bestandes innen sichtbar zu machen. Die Vereinheitlichung der Hülle über das Material Holz – in jeweils unterschiedlichen Formaten – soll eine größere Klarheit und Kraft erzeugen.
Wie haben Sie den Energieplusstandard erreicht?
MK: Das war ein Ziel meinerseits. Ich wollte beweisen, dass auch alte landwirtschaftliche Bauten ohne wesentliche Mehrkosten zu einem Plusenergiehof werden können. Bilanziell kommen wir wohl auf ein jährliches Plus von 80 Prozent. Das bezieht sich auf den Verbrauch von Wärme, Strom und Mobilität. Wir haben ein Elektroauto, das Strom von der Photovoltaik vom Dach bekommt.
Im Moment messen wir mit Sensoren die Windgeschwindigkeiten. Nach Auswertung der Daten wissen wir, welche und wieviele Kleinwindräder wir vor allem für den Winter und für die Nacht haben.
Wir sind hier sehr nah am Grundwasser und haben auch mal Hochwasser. Da haben wir den Feind zum Freund gemacht, indem wir das Grundwasser für die Energiegewinnung über eine Grundwasserwärmepumpe nutzen.
Nutzt ein mehrfach ausgezeichnetes Projekt der eigenen Reputation?
MK: Ich nutze es in der Lehre oder in Vorträgen wenn ich z.B. über Energiewende, Klimawandel oder CO2-Reduzierung spreche. Hier kann ich belegen, dass ich die Theorie in einem praktischen Projekt selbst umgesetzt habe, was meine Glaubwürdigkeit stärkt.
RK: Ich denke, dass mich der „HOF8“ weitergebracht hat. Hier haben wir die Chance gehabt, ein doch vielschichtiges und komplexes Bauprojekt in allen Teilen zu planen und zu verwirklichen.
Gibt es hier im Ort schon bauwillige Nachfrager?
MK: Ja, erstmal bezogen auf die Kleinwindräder. Wenn hier die Erfolgszahlen vorliegen, will der eine oder andere das auch nachmachen. Aber auch die dachintegrierte PV, hier haben einige schon gesagt, dass die doch richtig toll aussieht.
Gibt es jetzt schon eine Art von Resumee?
RK: Das Projekt zeigt auf, dass es sich lohnt, den Bestand in die Zukunft zu entwickeln. Hier können wir alle gewinnen, die Bauherrschaft, die Nachbarn, die Gesellschaft an sich.
MK: Wir machen hier im Büro viel Ortsentwicklungsplanung, darum ist es mir wichtig, dass wir jetzt den Kommunen und kleinen Bauherren zeigen können, dass solche Projekte in jedem Ort möglich sind. Und dann haben wir wohl gelernt, dass weniger nicht schlechter sein muss. Ja es ist sogar mehr, wenn das Weniger besser ist.
Mit Martina Klärle und Rolf Klärle unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 18. Dezember 2014 im Besprechungsraum des „HOF8“ genannten Ensembles aus ehemals Wohnhaus, Stallungen und Remise, heute Planungsbüro, Hebammenhaus und Wohnen im Alter.