Neues Wohnen Brunostraße, Würzburg

Eine Klasse für sich
Neues Wohnen Brunostraße, Würzburg

Die nach Plänen des Büros Stefan Forster realisierte Wohnanlage in Würzburgs Brunostraße offeriert nicht nur ein hohes Maß an städtebaulicher Qualität, sondern auch sehr Details. Und sie kommt bei den Würzburgern - aus allen Schichten - sehr gut an

„Das Ding ist einfach klasse“, sagt Christian Baumgart ein wenig salopp. Und, ergänzt der Würzburger Baureferent schon viel seriöser, es unterstütze die Anstrengungen, den „Stadtteil aufzuwerten und zukunftsfähig“ zu machen. Mit „das Ding“ meint Baumgart die neue, nach den Plänen des Frankfurter Büros Stefan Forster Architektenfertiggestellte, Wohnanlage in der Brunostraße. Mit Stadtteil ist der ehemalige Kasernen- und Industriestandort Zellerau gemeint. Zwar ist die in jeder Beziehung sehr heterogene Zellerau für Würzburger Verhältnisse urban und quirlig, doch galt sie bis vor wenigen Jahren als Schmuddelkind. Das 2008 vorgelegte „Integrierte Handlungskonzept Zellerau“ zählt u. a. eine hohe Sozialhilfedichte, hohe Jugendarbeitslosigkeit und einen hohen Anteil an Migranten.

Darüber hinaus konstatiert es „städtebauliche und bauliche Schwächen“ sowie „Mängel im Wohnumfeld und im öffentlichen Raum“. Seit ein paar Jahren ist die Zellerau ein Projekt im Rahmen der Sozialen Stadt. Erste Erfolge sind wahrnehmbar, einige Plätze und Straßen wurden neu gestaltet. Und weil seit kurzem auch Großarchitekten in diesem Stadtteil Würzburgs bauen – gmp soll eine Feuerwehrübungshalle bauen, Zaha Hadids grünblauer Glassolitär für das Fraunhofer-Institut ist so wie gut fertig – spricht der Würzburger Architekturblog „lp10“ sogar vom „architecture wonderland zellerau“.

Mit architektonischen Wunderlichkeiten haben die Wohnblöcke in der Brunostraße, die sechs aus dem frühen Wiederaufbau stammenden Zeilenbauten ersetzen, nichts zu tun. Wohnungsbau eignet sich laut Stefan Forster nicht für architektonische Extravaganzen. Mit dieser Haltung traf er mit der Stadtbau Würzburg auf einen Bauherren, der sich, keine Wunder, stattdessen „flexibel nutzbare Wohngebäude und eine ansprechende Architektursprache“ wünschte. Unterstützt vom Baureferat lobte die Stadtbau 2009 ein kooperatives Verfahren unter sechs Büros aus, das zwei Sieger hervorbrachte: das ortsan-sässige Büro Hetterich Architekten und eben Forster. Die Jury würdigte die „klare und robuste städtebauliche Grundstruktur“ in dem Frankfurter Entwurf und die „angenehme Rhythmik“ der Punkthäuser. Das Preisgericht kritisierte die vorgeschlagene Dichte, lobte dagegen die „großen Fensterflächen und zurückgesetzten Loggien“. Nach einer Überarbeitung und Reduzierung der Auslastung auf drei Regelgeschosse und ein Staffelgeschoss beauftragte der Bauherr Forster und sein Team. Insgesamt sollten neun Häuser mit 104 barrierefreien 2- bis 5-Zimmer-Wohnungen realisiert werden. 42 davon waren als Eigentumswohnungen zu planen, 53 als freifinanzierte Mietwohnungen und neun als geförderte Mietwohnungen. Obwohl sich die Wohnungen in der Ausstattung unterscheiden, ist das Erscheinungsbild der Miet- und Eigentumshäuser einheitlich.

„Wohnen im Park“ lautet das anspielungsreiche Motto der Frankfurter Architekten. Anspielungsreich deswegen, weil es die Beziehungen zu den Grünräumen andeutet, die sich zwischen den Zeilenbauten im Umfeld schlängeln. Anspielungsreich auch, weil es der Park ist, der das verbindende Element der Wohnanlage und ihrer Bewohner darstellt. Der von kleineren Höfen bis zu weiten, großzügigen Flächen vielfältige Erfahrungsräume offeriert und zu informeller Kommunikation einlädt. Und anspielungsreich, weil der vorhandene Baumbestand die Konfiguration der Blöcke bestimmte. Die zitierte „robuste Grundstruktur“ hatte ihren Grund in der Lage und Anordnung von neun zwischen 40 und 50 Jahre alten Großbäumen, die zu Baubeginn ausgegraben, zwischengelagert und nach Fertigstellung wieder eingepflanzt wurden. Die Bewohner konnten so von Anfang an in intakte Außenräume blicken. Die Erdgeschosswohnungen sind mit Gärten aus­gestattet, die mit Buchenhecken von der Parklandschaft abgegrenzt sind.

Die neun nach dem KfW Standard 70 erstellten Kuben sind zueinander versetzt angeordnet, wobei die Grundfigur ein 4-geschossiger Quader ist, dem auf drei Seiten eine 3-geschossige Vorzone thermisch getrennt vorgestellt wird. Einzig die Eingangsfassaden gehen über vier Geschosse. Die Außenwände sind als Wärmedämmverbundsystem mit 14 cm Mineralfaserdämmung und far­big gestalteter Putzoberfläche ausgeführt. Das von den Architekten entwickelte Farbkonzept trägt zur leichteren Identifizierung der Häuser bei: Die Grundfigur ist in einem Cremeweiß gestrichen, die spielerisch verteilten Fensterfaschen sind bei allen Häusern Reinweiß. Den Unterschied macht die Pastellfarbe für die Vorzonen: Mal eher gräulich, mal eher Cappuccinobraun, mal ins Orange gehend, fassen unterschiedliche Farbtöne jeweils drei Häuser zusammen. Ins Farbkonzept wurde auch die farblich abgestimmte Zuwegung integriert.

Unmittelbar vor der Eingangstür weitet sich die befes-tigte Fläche und bietet Platz zum Abstellen von Fahrrädern. Ein freistehender Sichtbetonwinkel schützt vor Wettereinflüssen und nimmt die Briefkastenanlage und das Klingeltableau auf. Die Hauseingänge sind lichtdurchflutet und wirken sehr großzügig. Dazu tragen neben der Glastür zwei zusätzliche raumhohe Festverglasungen sowie ein Durchblick vom Eingangsbereich in das Treppenhaus bei. In der Summe sind es solche Details, die den sonst üblichen Eingangsschacht räumlich erweitern und optisch zu einer Halle werden lassen. Das Gefühl, dass sich die Planer mit großer Sorgfalt um jede Einzelheit gekümmert haben, setzt sich fort in den hölzernen Handläufen der Treppen, die mit Kerben Sehbehinderten darüber Auskunft geben, in welchem Geschoss sie sind und ob sie sich schon kurz vor Treppenende befinden. Eine schöne Zutat ist auch, dass sich in jedem Zwischengeschoss ein kleiner Abstellraum befindet, den man gemäß seiner Bestimmung benutzen, in dem man aber auch ein klitzekleines Homeoffice einrichten kann.

Die Wohnungen sind als 3- oder 4-Spänner organisiert. Die Eigentumswohnungen sind mit Eichenmassivparkett und Fußbodenheizung, die Mietwohnungen mit Fertigparkett oder Linoleum, Fußbodentemperierung und Standard-Konvektoren ausgestattet. Dazu gibt es unabhängig von Ausstattungsunterschieden Abstellräume sowie Wandnischen für Einbauschränke. Die großen Fens-terflächen geben den Wohnungen Großzügigkeit und Licht. Wie bei den Fenstern, so sind auch bei den 2,50 m tiefen Loggien die massiven Brüstungen mit 60 cm sehr niedrig. Die unauffälligen Absturzgeländer darüber sind aus dunkel pulverbeschichtetem Flachstahl. Wegen dieser tiefen Brüstungen hat man noch, im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzend, Blickkontakt zum Park. Die größeren Wohnungen, die durchgesteckt sind, haben Blickbezug zu mindestens zwei Höfen.

Die Brunostraße ist eine Anliegerstraße, somit stört wenig Verkehrslärm den Aufenthalt in den Loggien, den Erdgeschossgärten oder im Park. Eine zusätzliche
Entlastung des Lärmeintrags erreichten die Architekten mit der Schließung der Baulücke zwischen den beiden parallel zur verkehrsreichen Frankfurter Straße liegenden Wohnzeilen aus dem Bestand. Das neue „Torhaus“, dessen Ausführungsplanung die Stadtbau Würzburg übernommen hatte, dient auch als Einfahrt in die Tiefgarage mit 65 Stellplätzen. Somit konnte weiterer Verkehr von der Brunostraße ferngehalten werden, darüber hinaus bietet die Stadtbau den Bewohnern der neuen Wohnanlage Carsharing an. Die Stadtbau ist neue Wege gegangen – und sie wurde reich belohnt. Gemessen am Preis ist die Qualität der Wohnungen und der Außenräume sehr hoch - und das für Jahrzehnte. Was auch die Würzburger erkannt haben: Die Eigentumswohnungen waren vor Baubeginn verkauft, die Mietwohnungen gleich nach Fertigstellung bezogen. Und Würzburgs Baureferent
Baumgart? Der rühmt „die städtisch angemessene Dichte“ und die „hohe Detailqualität“ der Wohnungen und wünscht sich mehr davon. Enrico Santifaller, Frankfurt

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