Elbbrücken-Bahnhöfe sind fertig

Die schöne alte Hansestadt Hamburg war zu Hansezeiten einmal das Tor in den Norden Europas. Heute, ein paar hundert Jahre später, ist das Ziel einer Zugreise aus Süden meist der Hauptbahnhof und von diesem aus startet man wieder gen Süden. Der im Stadtgefüge eingeklemmt liegende Hauptbahnhof ist schon lange mit diesem Verkehrsaufkommen überfordert, insbesondere der tägliche Pendlerverkehr aus Harburg, Wilhelmsburg und dem Veddel bringt den Bahn- wie allerdings auch den Straßenverkehr an seine Grenzen.

So war es seitens der Stadt nur logisch, das größte Neubauviertel und damit die größte aktuelle Erweitung Hamburgs in Gestalt der HafenCity auf andere Weise als die gerade beschriebene für die Verkehrsströme zugänglich zu machen. Zwar gibt es bereits die das Quartier erschließende U4, doch die kommt vom ... Hauptbahnhof! Der Kreis schließt sich. Wie nun, wenn man die Strecke von ihrem Ende her anzapfen und den in die Stadt drängenden Verkehr vor dem Hauptbahnhof direkt in die HafenCity abzweigen würde?

Oberhalb queren ist leichter

Gedacht getan, die U4 wurde in Richtung Elbbrücken nach Süden weitergebaut. Und weil diese Verlängerung irgendwann einmal die Norderelbe queren soll, kommt die U-Bahn kurz vor dem Wasser nach oben. Weil der neue U-Bahnhof keinen Anschluss nach Süden hat, wurde ihm an der Hauptbahntrasse / S-Bahnlinie ein Bahnhof zur Seite geplant. Von dem läuft der Verkehr mit leichtem Ruckeln über ein Verbindungsbauwerk (Glasröhre) von S-Bahn zu U-Bahn in die City … ohne Umweg über den Hauptbahnhof.

Der neue Endhaltepunkt U-Bahnhof Elbbrücken wurde bereits Ende 2018 übergeben. Gestaltet wurde er von gmp, Hamburg, in enger Zusammenarbeit mit den Stuttgarter Ingenieuren schlaich bergermann partner sbp. Er steht knapp 50 m nordwestlich der imposanten Elbbrückenanlage und ragt jetzt schon mal ganz leicht in den Flußraum hinein; ein Versprechen auf eine Zeit, in der es von diesem Bahnhof aus über die Norderelbe nach Wilhelmsburg beispielsweise geht (das wäre dann mal ein echter „Sprung über die Elbe“, Slogan eines älteren städtebaulichen Rahmenprojekts in Hamburg, aus dem sich 2013 die IBA-gründete und einige ihrer zentralen Themen ableitete). Im Dezember 2019, ziemlich genau ein Jahr nach der Eröffnung des U-Bahnhofs, wurde jetzt der „S-Bahnhof Elbbrücken“ fertiggestellt und den Fahrgästen übergeben.

Zeitversetzte Fertigstellung

Die Gründe für die zeitversetzte Fertigstellung sind vielerlei, ein wesentlicher liegt in den größeren Schwierigkeiten bei der Fundamentierung, aber auch in der unterschiedlichen Bauherrschaft: Während die U-Bahn seitens der Hamburger Hochbahn AG beauftragt wurde, baute den
S-Bahnhof die Deutsche Bahn AG. Während der U-Bahnhof Ergebnis eines Wettbewerbs ist, den gmp 2013 mit einem ersten Preis für sich entschieden und der, als klassischer Realisierungswettbewerb, sämtliche baulichen Aufgaben den Architekten in die Hand gab, war der S-Bahnhof zunächst ein Bahnprojekt, das mit Bordmitteln umgesetzt werden sollte.

Nachdem der massive Betonsockel, auf dem Bahnsteige und Querungen sowie technische Einrichtungen untergebracht werden sollten, fertiggegossen dastand und es bereits ein Stahlgerüst gab, um den von gmp geplanten und die beiden Bahnhöfe verbindenden Skywalk aufzunehmen, befürchteten die Verantwortlichen im Planungsamt der Stadt einen gestalterischen Bruch, eine sichtbare Disharmonie direkt an dem wichtigsten infrastrukturellen Eingangsportal einer nicht uneitlen Stadt: Für die Realisierung des Sockelaufbaus (im Wesentlichen das den Bahnsteig deckende Hallendach) wurden kurzerhand die Architekten des U-Bahnhofs beauftragt.

gmp machte dann beide Bahnhöfe

gmp hatte damit die Chance, ihr bereits erprobtes und vielgelobtes Entwurfskonzept des U-Bahnhofs auch für den S-Bahnhof zur Anwendung zu bringen. Was dann aber doch nicht so ganz einfach wurde, denn natürlich behielt die Bahn als selbst planender und vielfach bauender Bauherr die Zügel in der Hand. Und: Durch die größere Höhe der Haupttrasse musste die Dachgeometrie so angepasst werden, dass am Ende beide Hallen die maximal vorgegebene Scheitelhöhe einhalten konnten. Im Querschnitt bedeutet das, dass das Dach des S-Bahnhofs 1,2 m niedriger und weniger rund geworden ist.

Auch konnte die Verglasung nicht wie nebenan geklebt werden, die feinen Sicherungsseile unter den Scheiben waren der Bahn nicht geheuer, beim S-Bahnhof werden die Gläser durch unschön sichtbare, aber sehr solide Klammern im Rahmen  rundum fixiert. Dass zudem die Ausstattung der Halle mittels bahntypischen, schlichtstabilen ­Beleuchtungskörpern und anderem, ähnlich ­robustem Einrichtungsmobiliar vorgenommen wurde, mag den Ästheten enttäuschen; auf die Raumwirkung  haben derlei Details keinerlei ­Wirkung.

Etwa 150 Mio. € kostete die Verlängerung der U4 inklusive U-Bahnhof (ca. 30 Mio. €). Die Bahn AG zahlte für ihren S-Bahnhof runde 70 Mio. €, was einerseits dem massiveren Unterbau geschuldet ist, andererseits den aufwändigen Bodenarbeiten. Zudem musste der neue S-Bahnhof im laufenden Betrieb über einer Sicherungskonstruktion gebaut werden.

Zwei Geschwisterhallenschönheiten

Bei beiden Hallen besteht die Halbtonnenstruktur aus in zwei Ebenen gebogenen Stahlrahmenträgern, die durch kreuzförmige Anordnung ein stabiles, rostartiges Gesamtsystem bilden. Dem Rautenmuster folgend entstehen an den Scheiteln der vier Stirnseiten jeweils weitauskragende Spitzen. Allerdings bewirkt die unterschiedliche Dimensionierung der beiden Hallen (88 m vs. 136  m Länge) – die im Prinzip sehr ähnlich, im konstruktiven Detail aber verschieden sind –, dass wir es mit Geschwistern dezent verschiedener Charaktere zu tun haben: Während das deutlich längere U-Bahnhofdach fließende Eleganz ausspielt, ist das des S-Bahnhofs kraftvoller und von größerer Dynamik.

Die zwischen den beiden Hallenschönheiten vermittelnde, 70 m lange Glasröhre, die wie eine verunglückte Miniaturisierung der U-Bahnhalle erscheint, wirkt unterdimensioniert, unentschlossen und eben wie das, was sie ja auch ist: eine Kons­truktion, die erst spät ihr zweites Widerlager vor Augen hatte. In das dann anzukoppeln musste man sich möglichst viele Varianten offenhalten.

„Quartier Elbbrücken“ bis 2026

In den nächsten Jahren werden die beiden Baukörper ihre Sockellage verlieren. Um sie herum wird dort, wo noch großflächige Aufschüttungen an riesige Sandkästen erinnern, der östliche Abschluss der HafenCity in die Höhe wachsen. Hier entstehen nach der Masterplanung des Quartier Elbbrücken bis 2026 auf einer Fläche von 21,4 ha Bauten für gewerbliche Nutzungen sowie ca. 1 400 Wohnungen und ein Kongresshotel mit einem 19-geschossigen Hotelturm; letzterer von den Bahnhofsarchitekten der Stationen Elbbrücken, gmp. Im Osten des S-Bahnhofs kommt dann der Elbtower genannte, gut 70 Geschosse hohe Büroturm mit öffentlichen Nutzungen im Sockel von Chipperfield Architects. Baubeginn soll 2021 sein. Allein der Turm hat eine BGF von 100 000 m², ein Fünftel der gesamt Flächen BGF dieses Areals. Ob angesichts solcher Planzahlen die kleine Glasröhre ausreichend ist, die Menschen vom S-Bahnhof zum U-Bahnhof zu ziehen? Der Hauptbahnhof und wir werden es erleben. Be. K.

www.gmp-architekten.de, www.sbp.de, www.hafencity.com
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