Elbphilharmonie. Letztes Stück

Was noch sagen?! Von 200 000 t Gewicht Neubau auf Altbau schreiben, der auf wie vielen Mikropfählen im Elbschlamm steht? Oder von 10 000 Gipsplatten, sämtlich individuell von computergesteuerten Maschinen gefräst? Gipsplattenkunstwerke, die insgesamt die „Weiße Haut“ des Großen Saals bilden, der für eine Akustik steht, die Kritiker nach den Eröffnungskonzerten als zu direkt, zu gnadenlos transparent bezeichnen? Von den vielen tausend Artikeln der letzten Monate, die sämtlich (und sicherlich auch hier) Fehler enthalten, beispielsweise den, dass der Große Saal an Federpaketen „aufgehängt“ ist? Oder davon, dass mittlerweile die Kosten nur noch in den sogenannten sozialen Netzwerken und Kommentarspalten der Zeitungen in Schimpf- und Anklageexzessen eine Rolle spielen? Nein, davon nichts.

Olaf Scholz (SPD), glücklicher Erbe des schwer schlingernden Großprojektes vom Vorgänger Ole von Beust (CDU) sprach auf der Pressekonferenz am Tag des „Grand Opening“ der Elbphilharmonie allerdings von den Kosten. Dass man 500 bis 600 Mio. € realistisch für einen solchen Bau ausgeben musste. Und – auf Nachfrage eines niederländischen Pressekollegen, wieso sich die Stadt in höchster Finanznot nicht um Hilfe an den Bund beispielsweise gewandt hatte – dass die Freie und Hansestadt Hamburg natürlich nicht um Hilfe gebeten hätte. Schließlich sei man Hamburger. Die Gültigkeit dieser Vereinnahmung könnte man, angesichts der Präsenz dreier Staatsoberhäupter am Eröffnungsabend – Bundespräsident, Bundestagspräsident und Bundeskanzlerin – aber anzweifeln. Den Worten der Staatsoberhäupter war zu entnehmen, dass die Elbphilharmonie als gelungenes Großbauprojekt für die Leis-tungskraft von ganz Deutschland stehe.

Und was sagten die Architekten? „Es war nicht immer alles einfach.“ So Jacques Herzog auf der Pressekonferenz. Er wirkte erschöpft, ein bisschen unlustig. Zu viele Fragen zum Immergleichen. Jahrelang Fragen zu Sachverhalten, die zur Kostenexplosion geführt haben und was die Architekten daran hätten ändern können. Möglicherweise. Im Kleinen Saal saß er am 11. Januar 2017 zusammen mit seinem Partner Pierre de Meuron, dem Projektleiter und Seniorpartner Ascan Mergenthaler, dem regierenden Oberbürgermeister der Hansestadt, Olaf Scholz, dem Generalintendanten Christoph Lieben-Seutter, dem NDR-Programmdirektor Hörfunk, Joachim Knuth, sowie Tobias Rempe, Geschäftsführer Ensemble Resonanz auf einem Kreisbogenausschnitt vor rund 200 JournalistInnen, zahlreichen Kamerateams und FotografInnen auf der Bühne im Scheinwerferlicht. Herzog betonte wieder einmal, dass die Komplexität des Projektes extrem war. Die topografische Setzung des Gebäudes ins Spannungsfeld von Stadt und (Hafen)Industrie, das Ausgesetztsein auf der weiten Ebene politischen Anspruchs und höchster musikalischer Anforderung, die kräfteaufreibende Anstrengung, den ersten Entwurf gegen und mit allen Wünschen bis ins Ende durchzuhalten, alles das spielte eine Rolle in der langen Geschichte der Projektrealisierung. Dass das alles, teils Paradoxe, am Ende zu diesem Ergebnis geführt werden konnte, verdankt sich vor allem der „demokratischen Kultur in einem demokratisch regierten Land, einer demokratisch regierten Stadt“. Oder meinte er, das Projekt sei gelungen, obwohl demokratisch basiert? Eingangs seiner knappen Ansprache erwähnte der das Olympia-Stadion in Peking, dass vergleichbar komplex gewesen sei, aber – und das blieb unausgesprochen – im gesetzten Zeitrahmen realisiert wurde.

Jacques Herzog schloss mit: „Nun steht es. Dafür sind wir dankbar.“ Und Schluss. Nun sollen andere das Haus besprechen. Sollen es gern haben, es gar lieben! Das Kind wurde auf die Welt gebracht, jetzt kommen andere Kinder, die Zuwendung brauchen. Das Museum „Neue Nationalgalerie – Museum des 20. Jahrhunderts“ am Berliner Kulturforum zum Beispiel. Dafür gab es bereits heftige Kritiker-Prügel. „Aldi-Filiale“, „Edel-Scheune“ etc., außer den Juroren scheint der Vorschlag aus Basel niemandem gefallen zu haben. Den Architekten ist ihr Entwurf ein „Archetypus“, ein HdM-Topos, der viele ihrer Bauten charakterisieren mag.

Der Furor der Fertigstellung jetzt wird einer Normalität weichen, wie sie schon in Sydney oder Bilbao Einzug hielt. Es wird sich zeigen, ob die Kulturetats leiden, Aboerlöse ausreichen und Musiker nach dem ersten Rausch die Besonderheiten des Hauses entdecken. Es werden die Appartements ins Licht rücken, das Leben in einer Ikone. Habe ich schon geschrieben, welchen Energiestandard das Haus eigentlich hat? Nach einem Energieausweis fragte auf der Pressekonferenz niemand ... Das wäre wohl auch als zu klein wahrgenommen worden angesichts der Komplexität des Kaispeicheruniversums insgesamt. Be. K.

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