Elbphilharmonie mit Elphi-Effekt
Was haben die Elbphilharmonie in Hamburg und das Museum Guggenheim in Bilbao gemeinsam? Beide stehen für einen Effekt, den man, wäre das Konzerthaus in Hamburg das jüngere Projekt, den Elphi-Effekt nennt. Tatsächlich also den Bilbao-Effekt. Eine Stadt plant einen Kulturtempel (eigentlich einen Hoffentlich-Bilbao-Effekt), kümmert sich um seinen Architekten, lässt planen und Bilder in die Welt gelangen, schöne, beeindruckende, einmalige Bilder, und beginnt zu bauen. In Bilbao startete das Ganze – wie auch in Hamburg – in kleiner Männerrunde: So trafen sich am Ufer des nach Industrieabwässern stinkenden Nervión im Frühjahr 1993 zwei Männer zum Joggen (so geht jedenfalls die Legende).
Der eine war der mit Künstlern wie Ed Moses, Robert Irwin, Claes Oldenburg oder Richard Serra befreundete Frank Gehry, der andere der am Ende gescheiterte Guggenheimkunstglobalisierer Thomas Krens (damals Direktor der Guggenheim Foundation). Der wies damals während einer kurzen Pause zum Luftholen mittendrin mit großer Geste über den Fluss hinweg in Richtung Altstadt und sagte: „Frank, du bist hier der Künstler. Das ist dein Ort und deine Plastik“. Diese Carte Blanche ließ den gebürtigen Kanadier eine Skulptur skizzieren, deren Malgrund triste und marode Werftlandschaft war und die die Skulptur um so heller leuchten ließ. Grundsteinlegung war wenige Monate später, bereits nach vier Jahren, am 18. Oktober 1997, wurde das Museum eröffnet, im Beisein von König Juan Carlos.
In Hamburg ging es ähnlich konspirativ zu. In Hamburg-Harburg sollte im Jahr 2006 Jacques Herzog den ersten Entwurf der Fachpresse präsentieren, es kam der damals noch unbekannte Projektleiter Ascan Mergenthaler. Zu diesem Zeitpunkt war man schon seit fünf Jahren am Planen und Bewegen, von 80 Mio. € war die Rede, schnell vom Doppelten. Es endete – der Gründe dafür sind viele, ganz sicher auch die wachsende Gier einer wechselnden Spitze in der Bauherrschaft nach noch mehr Raum und Funktion – bei den bekannten 866 Mio. Euro. 16 Jahre dauerte es von der ersten Idee bis zur feierlichen Eröffnung am 11. Januar 2017 − fünf Jahre ist das nun her.
Haben sich die 866 Mio. Euro für die Stadt an der Elbe gelohnt? Eine Frage, die von niemandem ernsthaft angezweifelt wurde; schon vor der Fertigstellung konstatierte die New York Times, dass mit dem neuen Konzerthaus die Hansestadt auf Rang 5 der internationalen Reiseziele gesprungen sei … von welchem Platz aus dieser Sprung gelang, wurde nicht gesagt. In den zurückliegenden Jahren gab es 2 500 Konzerte in beiden Sälen der Elbphilharmonie (bis Anfang 2020) und etwa 15 Mio. BesucherInnen der auch in diesem Corona-Zeiten öffentlich zugänglichen Plaza mit fantastischem Hafenblick (mehr BesucherInnen als Neuschwanstein, wie die Stadt stolz meldet).
Hamburg hatte den Bilbao-Effekt nicht nötig – im Gegensatz zu Bilbao – doch man weiß ja nie, was noch kommt. Dass das – allerdings auch wesentlich komplexere – Haus etwa das Zehnfache des Museums gekostet hat, schmälert vielleicht die „Rendite“: Der Gehry-Bau in Bilbao hat der Stadt rund das 50fache seiner Baukosten in 20 Jahren (1997–2017) eingespielt; in Hamburg wären das, bei gleichem Ergebnis, dann „nur“ das Fünffache. Gratulation! Be. K.