Europaallee 3.0 / Highline Frankfurt
Das Frankfurter Europaviertel wurde schon vor seiner Fertigstellung von Kritikern als Schauplatz bloßer Nutzarchitekturen identifiziert – monofunktional, eine einzige überdimensionierte, schlecht angebundene Verkehrsachse, zudem kaum vorhandene soziale Mischung. Es scheint, als habe die Politik versagt und die Investoren seien bei der Entwicklung des Quartiers ausschließlich ertragsorientiert gewesen. Anstatt über vertane Chancen zu meckern und zu jammern möchten wir konstruktive Lösungen anbieten.
Das Europaviertel auf dem Gelände des ehemaligen Güterhauptbahnhofs von Frankfurt/Main ist eines der größten städtebaulichen Konversionsprojekte Deutschlands. Kern des Quartiers ist die Europaallee. Ursprünglich illustriert als ein Boulevard nach französischem Vorbild, ist sie heute ein reiner Bewegungsvektor. Die mit 60 m enorm breite Verkehrsachse verläuft als Einbahnstraße zweispurig in beide Richtungen. Im nicht begehbaren Mittelstreifen befindet sich das Gleisbett für die nun oberirdische Verkehrsführung der U-Bahn. Die Straßengestaltung bietet kaum Aufenthaltsqualität. Der gesamte Straßenraum wirkt monoton und steril, auch weil die Bebauung entlang der Europaallee in überdimensionierte Parzellen aufgeteilt wurde und die Gebäude ausschließlich über Flachdächer und mehrheitlich einheitliche Gebäudehöhe verfügen. Die Dimensionen wirken insgesamt unmenschlich und überformt. Eine Gliederung des übergroßen Straßenraums wäre also dringend notwendig. Zudem ist das Europaviertel ein monofunktionales Stadtquartier. Auf der einen Seite der Allee wird ausschließlich gewohnt und auf der anderen gearbeitet. Die Nutzung und Erschließung der Erdgeschosse entlang der Europaallee wurden zwar grundsätzlich für öffentliche oder kommerzielle Funktionen im Planungsrecht konzipiert, jedoch nicht realisiert. Genau das wäre aber wichtig gewesen, um das Quartier zu urbanisieren. Stattdessen bildet die „Skyline Plaza“ den „Point-de-Vue“ in Richtung Stadtmitte. Ein Solitär, dessen gesamte Fassade wie eine Rückseite wirkt. Leben findet hier nur im Inneren statt.
Wie können wir also die Europaallee so umgestalten, dass sie wieder Teil unseres öffentlichen Lebensraums wird? Wie schaffen wir es, leblose Investorenquartiere in städtische Strukturen zu integrieren und den öffentlichen Raum zurückzuerobern, ihn sich wieder anzueignen?
Der Mittelstreifen zwischen den Fahrbahnen der Europaallee, ursprünglich als städtische Grünzone erdacht, wurde mit der durch die Stadt getroffenen Entscheidung zugunsten der oberirdischen Verkehrsführung der U-Bahn / Straßenbahn, zu einer Verkehrsfläche zurückentwickelt. Wir sehen ein Potential in einer Überbauung des jetzigen Gleisbetts.
Unsere Idee, um urbane und räumliche Dichte im Europaviertel zu generieren ist die „Frankfurter Highline“. Als Tragstruktur in etwa 5 m mittig über der Europaallee konzipiert, bildet sie den zentralen Ort der Begegnung und des Austauschs und gliedert den übergroßen Straßenraum.
Durch die Reduzierung auf eine Straßenprofilbreite im üblichen Maßstab der europäischen Stadt entsteht räumliche Qualität zu beiden Seiten der Straße.
Bauelemente auf der Highline ergänzen die noch fehlenden kulturellen, öffentlichen Komponenten.
StudentInnenwohnheime, Kitas, Cafés, Bühnen oder informelle Nutzungen und Flächen für Urban Gardening könnten hier entstehen.
Ein öffentlicher Park, ein Stück nutzbare komplexe Stadt oberhalb des Gleisbetts, ein Treffpunkt für Alle, der für sich Attraktion und Anziehung ist und die dringend benötigte funktionale und soziale Vielfalt in das Viertel holt.
Zugleich bietet die alternative Verkehrsachse die Möglichkeit, die mehrdimensionale Verzahnung der Stadt zu schaffen. So könnte zum Beispiel das bunt gemischte und lebhafte städtische Publikum des südlichen Gallusviertels Zugang zum Europaviertel erhalten. Auch die Beibehaltung des Luftströmungsprofils für die Europaallee wäre weiterhin gegeben. Zudem bietet die Begrünung der Baukörper und Brücken das Potential die Luftqualität und Biodiversität im Viertel zu steigern.
Wir sehen Konzepte wie die Highline als Diskurs-anregung auch über die Stadtgrenzen hinaus, denn eine gute, starke lokale Gemeinschaft basiert auf einem diversen Angebot, das Wohnen und Arbeiten, Handel, StudentInnenleben, Gastronomie, Kultur- und Freizeitaktivität vereint. Das gilt für den Städtebau in jeder Stadt.
Schmidtploecker Planungsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main