Europan13: „Stichwortgeber im Städtebau“ entschieden
Am 4. Dezember 2015 im HO Berlin: Spanischer Abend! Oder sagen wir: Es waren überwiegend spanische Architekten, die die Preise des Europan13 für deutsche Projekte unter sich aufteilen konnten. Das kann man auf die Vorliebe deutscher Bürgermeistereien für das Mittelmeerische schieben oder auf die leichtere Hand der Entwerfenden, die dem deutschen Normen- und Verordnungsdschungel ferner stehen. Oder liegt es daran, dass die jungen deutschen Architekten zurzeit einfach mehr zu tun haben als ihre spanischen Kollegen?!
Der Europan, eine von 19 europäischen Staaten getragene Initiative, die den Städtebau fördern und jungen Architekten erste Perspektiven geben möchte, wurde bereits 1989 gegründet. Der Wettbewerb wird europaweit alle zwei Jahre durchgeführt und jeweils national entschieden. Das Verfahren der 13. Auflage des europaweit ausgelobten Preises war im März 2015 unter dem Thema „Adaptable City 2 – Self-Organisation / Sharing / Process“ an 49 Standorten in 15 europäischen Ländern eröffnet worden. Insgesamt beteiligten sich 1 177 Teams aus Architekten und Stadtplanern, Landschaftsarchitekten und Ingenieuren sowie Künstlern und Designern am Wettbewerb. Für die acht deutschen Standorte wurden 141 Projekte eingereicht.
Die international zusammengesetzte Jury, die neben den deutschen Projekten traditionell auch die 21 Wettbewerbsbeiträge für die Stadt Warschau in Polen beurteilte, tagte am 13. und 14. November 2015 unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Michael Koch in Berlin. Die Jury vergab insgesamt acht Preise, elf Ankäufe und sechs Anerkennungen für die deutschen Standorte Bamberg, Feldafing, Gera, Ingolstadt, Landsberg, Marl, Selb, Schwäbisch Gmünd und den polnischen Standort Warschau.
Bei der schon angesprochenen Preisverleihung Anfang Dezember 2015 in Berlin wies der diesjährige Vorsitzende der Jury, Michael Koch, Lehrstuhl für Städtebau und Quartierplanung an der HCU Hamburg, darauf hin, dass nicht bloß die Ausgezeichneten ihren Beitrag zur Problemlösung der teilnehmenden Kommunen leisten können. Er forderte die Auslober indirekt aber deutlich auf, sich nach allen Zeremonien und Feiern ein weiteres Mal mit den Teams und ihren Arbeiten an einen Tisch zu setzen. Denn alle hätten „unglaublich wichtige Beiträge“ zur Weiterentwicklung der jeweiligen Städte und ihrer Problemzonen erstellt. Überhaupt ist Koch der Europan-Wett-bewerb der Stichwortgeber in Städtebau und Stadtentwicklung mit zunehmend anwendungsorientierten Ideen.
Letzteres belegt die zunehmende Zahl der im Anschluss an die Wettbewerbe tatsächlich umgesetzten Projekte. Ab Europan6 gelingt es immer häufiger, dass Gemeinden mit den Architekten aus den Wettbewerben deren Ideen umsetzen, sei es im Wohnungsbau, der Landschaftsgestaltung, Gewerbeansiedlung oder den Projekten, die generell Stadtreparatur beinhalten.
Insgesamt zeichnet alle Arbeiten für die deutschen/polnischen Kommunen ihr konkret auf die Problematiken bezogener Ansatz aus, der allerdings auf städtebauliche Strategien verkürzt ist und in der Regel makroskopisch darstellt, wie Viertel wiederbelebt, wie Synergien zwischen bestehenden Zentren geschaffen werden können und Vergleichbares.
Beispielhaft für alle Ausgezeichneten, die sämtlich online dokumentiert sind, haben wir die Stadt Marl herausgegriffen, die zur Zeit mit ihrer Zeche Auguste Victoria Schacht 3/7 auch in der tagesaktuellen Presse ist. Das Bergwerk am nördlichen Rand des Ruhrgebietes wurde nach 115 Jahren Betriebs am 18.12.2015 endgültig geschlossen. Grund: Der Bund will bis 2018 aus der Kohleförderung aussteigen. Was aber nun machen mit der Zeche mit einem unterirdischen Streckennetz von 99 km Länge und mit am Ende rund 3 000 Beschäftigten und einer Förderung von fast 3 Mio. t Steinkohle jährlich? Das spanische Gewinnerteam mit Jorge Sobejano, Elena Fuertes, Ramón Martínez mit ihren studentischen Mitarbeitern Álvaro Molins und Ledo Pérez schlägt unter dem Titel „WEEE Marl!“ eine Neuprogrammierung des Areals vor.
„WEEE Marl!” steht für Waste of Electrical and Electronic Equipment. Der Entwurf analysiert den Standort in Bezug auf verschiedene politische und geografische Ebenen und berücksichtigt sowohl den lokalen Arbeitsmarkt als auch die gesellschaftliche und ökologische Verantwortung, die aus der Position Deutschlands in der globalen Ökonomie erwächst. Die Vision des spanischen Teams ist es, dass auf das „coal mining“ ein „urban mining“ folgen muss: ein ökonomisches Konzept des Recyclings von immer mehr produzierten wie anschließend entsorgten elektronischen Geräten und Bauteilen. Die Neu- und Umplanungen sollen die im Werden begriffene neue, anspruchsvolle Branche der Verwertungsindustrie aufwerten und damit als Impulsgeber etablieren. Ob das gelingen wird, bleibt abzuwarten, die Initiative hatte die Stadt ergriffen. Nun ist sie – und sicher auch das Land NRW – wiederum am Ball. Be. K.