Expressionistische
KlinkerfassadeHauptsitz der Bremer Landesbank
Erstaunlicherweise lieferte gerade das ausländische Architekturbüro im Wettbewerb für den Hauptsitz der Bremer Landesbank den einzigen Entwurf mit einer Ziegelfassade. 2016 wurde der Beitrag des Londoner Büros Caruso St John als adäquate Antwort auf die Nachbarschaft zu der als Weltkulturerbe gelisteten Backsteinarchitektur des Bremer Rathauses realisiert.
Die Architekten hatten sich im Vorfeld intensiv, unter anderem durch Aufenthalte in Bremen, Hamburg und Lübeck, mit der Backsteinarchitektur der norddeutschen Hansestädte und der Weserrenaissance sowie dem Backstein-Expressionismus der 1920er-Jahre mit ihrer ornamentalen Formensprache auseinandergesetzt. Die gelungene, zeitgemäße Umsetzung dieser Inspirationen zeigt sich in einer selbstbewussten und doch zurückhaltenden, selbsttragenden Klinkerfassade mit unterschiedlichen, sich verbindenden Elementen sowie einem ausdrucksstarken Eingangsportal. Der ausgewählte Klinker sollte sich dabei in seiner Farbigkeit am Rathaus orientieren ohne dieses nachzuahmen. Die Architekten entschieden sich für eine stark vertikale Gliederung, die mit horizontalen Fassadenelementen durchwoben wird, so dass in der monolithischen Gebäudehülle dennoch eine bewegte Oberflächenstruktur entsteht.
Geschwungene Fensterbrüstungen, sich verjüngende Pilaster aus dunklem und Lisenen aus hellem Klinker unterstützen das Spiel aus konvexen und konkaven Formen. Die hellen Steine der Lisenen werden im Brüstungsbereich als Kopfsteine fortgesetzt und verzahnen sich so mit den durchlaufenden dunklen Klinkersteinen der Brüstungssteine. An der Gebäudeecke signalisiert ein zweigeschossiges Portal mit Rundbögen den Eingang in die ebenfalls zweigeschossige Kundenhalle. Viel Zeit und Aufmerksamkeit wurde bei der Realisierung auf die Auswahl des Steinmaterials sowie eines erfahrenen Handwerkbetriebs verwendet.
Der Klinker
Für das Auswahlverfahren des passenden Klinkers spielten, neben der Qualität der Steine, Farbigkeit und Oberflächenstruktur eine wesentliche Rolle. Die letztlich beauftragte Firma Deppe Keramik entwickelte im Laufe des Prozesses in enger Abstimmung mit den Architekten speziell für dieses Projekt einen eigenen Farbton. Das Ergebnis war ein dunkler Klinker mit lebendigem, natürlichem Farbspiel, das ohne den Zusatz von Engoben erzeugt werden konnte. „Ehrlicherweise muss man sagen, dass auch immer ein Quäntchen Glück dazu gehört, wenn es um die exakte Reproduktion eines Farbtons geht“, räumt Dirk Deppe, Geschäftsführer von Deppe Keramik GmbH ein. „Schließlich handelt es sich um ein Naturprodukt, das sich nicht hundertprozentig steuern lässt.“
Neben der Farbigkeit ging es um eine enorm große Vielfalt unterschiedlicher Formsteine. Insgesamt wurden 65 verschiedene Steinformate im Wasserstrichverfahren hergestellt, wobei nicht 65, sondern „nur“ 12 verschiedene Sonderformen gefertigt werden mussten, aus denen dann alle weiteren Steinformate konfektioniert wurden. Beim Wasserstrichverfahren wird der Ton in eine Form gedrückt und mit Hilfe von Wasser als Schmiermittel wieder daraus gelöst. Anschließend wird der Stein getrocknet und gebrannt. Durch das Wasserstrichverfahren erhält der Stein eine leicht raue, strukturierte Oberfläche.
Eine spezielle Sonderanfertigung machten die Abdecksteine am oberen Abschluss der Klinkerfassade erforderlich. Diese deutlich größeren Attikasteine konnten nicht maschinell gefertigt werden, sondern wurden von Hand mit Hilfe von Schablonen geformt und anschließend mit Schwamm und Spachtel bearbeitet, um sie optisch
an die übrigen Steine anzupassen. Auch die hellen Steine der Lisenen wurden in einem besonderen Verfahren produziert. „Der Ton wurde hier nach dem ersten Brand ein zweites Mal im Dämpfverfahren gebrannt und anschließend in reduzierender Atmosphäre, also sauerstofffrei, auf unter 500 °C heruntergekühlt. Durch diesen Prozess erhält der Stein nachhaltig seine helle, grüngräuliche Farbigkeit“, erklärt Hersteller Deppe.
Die Ausführung
Für die reibungslose Logistik des Projekts musste die Herstellerfirma täglich genau die jeweils angeforderte Anzahl passender Steine auf die Baustelle liefern. Sowohl für den Hersteller als auch für die Bau-firma Jürgen Janßen GmbH, die die Maurerarbeiten ausgeführt hat, erinnerte das Projekt an ein überdimensionales Puzzlespiel. „Die größte Herausforderung war für uns die Vielzahl der verschiedenen Steinformate. Es hat etwas gedauert, bis die Mitarbeiter wussten, welcher Stein, wo verbaut werden muss“, erzählt Geschäftsführer Jürgen Janßen. „Demgegenüber war das gleichmäßige Mauern der Fassadenbögen relativ einfach.“ Hierfür wiederum fertigte das Bauunternehmen nach 1 : 1-Plänen der Architekten Holzschablonen an, die auf Höhe der Fensterbänke in den jeweiligen Geschossen befestigt wurden.
Das Unternehmen aus Oldenburg arbeitete überwiegend mit einem relativ kleinen Team von nur etwa acht bis zehn erfahrenen Maurern, um das Fassadenbild nicht durch zu viele Beteiligte zu verunklaren. Die Gratwanderung bestand darin, die Fassade einerseits lebendig erscheinen zu lassen, andererseits gleichmäßige Wölbungen und Wellenformen und auch in der Vertikalen keine tanzenden Bilder zu erzeugen. Insbesondere beim Mauern der einsteinigen Lisenen, bei denen nicht durch Fugen ausgeglichen werden konnte, musste sehr genau gearbeitet werden und der Klinker durfte nicht zu ungleich ausfallen.
Neben dem flächigen Bereich der Fassade fällt das zweigeschossige Eingangsportal ins Auge, das zudem von einem Verbund mit
herausstehenden Kopfsteinen umrahmt ist. Dabei scheint sich der Eingang teleskopartig in das Gebäude hineinzuschieben und in der Halle fortzusetzen. Das Portal besteht aus 13 Rundbögen mit verschiedenen Radien, die im Innenbereich in ein Tonnengewölbe übergehen. Hier gab es die Schwierigkeit, dass die Bögen auf einer Seite verkürzt sind, so dass ein zusätzlicher Gegendruck durch ein entsprechendes Auflager notwendig wurde. Gewährleistet wird dies nun durch eine nicht sichtbare Stahlbetonwand.
Die Statik der Klinkerfassade stellte insofern eine besondere Herausforderung dar, dass sie als selbsttragende Fassade komplett von unten nach oben ohne Dehnungsfugen und Konsolen aufgemauert wurde. Heute ist es eigentlich üblich, Klinkerfassaden geschossweise abzufangen. Entsprechend sind die Berechnungsprogramme der Tragwerksplaner und Bauämter ausgelegt. Die in diesem Projekt erforderlichen Berechnungen mussten daher teilweise „von Hand“ mit entsprechender Erfahrung kalkuliert werden. Die gesamte Fassade wurde im Endeffekt lediglich zur Windsicherung gegen Kippen am Rohbau verankert.
Der Gesamtentwurf
Wirklich beeindruckend ist, wie exakt der Neubau dem Wettbewerbsentwurf entspricht. Lediglich bei der Verkleidung des Attikageschosses entschied man sich nach dem Wettbewerb gegen eine Metall- und für eine Terracottaverkleidung.
Natürlich besteht der Entwurf der Landesbank nicht allein aus seiner Fassade. Es mussten sogar ausgesprochen viele Randbedingungen berücksichtigt werden! So musste auch die historische Fassade des Sandsteingebäudes, das sich in der Straße Unserer Liebe Frauen Kirchhof anschließt, in den Entwurf eingebunden werden.
Die neu eingezogenen Ebenen mussten also einerseits an die bestehende Fassade, andererseits an den Neubau und somit an eine Höhendifferenz von über 1 m, angeglichen werden. Während das Bankgebäude nach außen also wie zwei Häuser in Erscheinung tritt, bewegt man sich im Gebäudeinneren wie in einem einzigen Bürogebäude. Zudem musste der Neubau mit dem markanten ovalen Innenhof auf den vorhandenen Fundamenten des Vorgängerbaus errichtet werden. Nina Greve, Lübeck