Fassade als KraftwerkUmweltbehörde Brüssel
Der Neubau der Umweltbehörde Brüssel ist ein Pilotprojekt. Als Sitz des belgischen Umweltamts sollte er Vorbildfunktion im Sinne von Energieverbrauch und Nachhaltigkeit haben. Erlangt hat das prägnante Gebäude, das nach dem Vorbild des deutschen Passivhausstandards geplant wurde, die Umweltschutzzertifizierungen Passiv Bau, BREEAM Excellent und Nibe classification.
Nach einem ergebnislosen geladenen Wettbewerb wandte sich Tour et Taxis, der Bauherr und Eigentümer des ursprünglichen Hafengebiets, der durch die Entwicklungsgesellschaft Extensa Gruppe repräsentiert wurde, direkt an das Architekturbüro cepezed. Die Architekten hatten das Interesse des Auftraggebers durch ihr Portfolio geweckt. Leefmilieu Brussel, also das Umweltamt Brüssel, ist sowohl auf legislativer als auch auf exekutiver Ebene für umweltrechtliche Fragen und Verordnungen der Region Brüssel-Hauptstadt zuständig, unter anderem im Bereich des Naturschutzes, der Abfallentsorgung und -verwertung, der Landschaftsplanung oder des Boden- und Gewässerschutzes. Das Umweltamt ist aber auch für die Genehmigungen von Bauprojekten verantwortlich. Aus diesem Grund wünschte das Amt einen Low-Tech Neubau mit Vorbildwirkung für den Brüsseler Immobilienmarkt in Bezug auf energiesparendes und nachhaltiges Bauen.
Neues Arbeitskonzept führt zu kleinerem Bürogebäude
Das Raumprogramm wurde durch die Umweltbehörde – Mieter des Gebäudes – entwickelt und in der Folge auch von ihm abgesegnet. Der Auftrag der Architekten bestand darin, ein Gebäudegerüst mit den leeren Geschossebenen, die Erschließung und die dazugehörende Haustechnik zu entwerfen. Die Raumeinteilung und Einrichtung der Bürobereiche oblag der Umweltbehörde selbst. Die Stockwerksebenen sind in ihren Maßen so entworfen, dass verschiedene Grundrisseinteilungen und unterschiedliche Büroformen vom Doppelbüro bis zum offenen Großraumbüro mit vereinzelten Zellen und flexiblen Sitzplätze möglich wurden.
Die Zusammenlegung aller Abteilungen in einem zentralen Gebäude und die Einführung des „Shared Desk“- oder „Flexible Office“- Prinzips war für die Nutzer bereits ein erster Schritt in Richtung einer effizienteren, kostengünstigeren und umweltbewussteren Arbeitsweise. Durch letztere Arbeitsmethode wurde der Neubau für nur
80 % der gesamten Mitarbeiterschaft der Umweltbehörde konzipiert.
Klares Grundrisskonzept
Das achtgeschossige Gebäude mit seinem rechteckigen Grundriss besitzt, vereinfacht ausgedrückt, eine Längsachse in Nord-Südrichtung und besteht aus einem etwas tieferen, rechteckigen Büroflügel an der Westfassade sowie einem kleineren, trapezförmigen und an der Ostfassade gelegenen Büroflügel. Die beiden Flügel werden durch das gebäudehohe Atrium miteinander verbunden. Die Geschosse des ostseitigen Büroflügels sind nach unten hin abgestuft und enden jeweils mit zum Atrium offenen Terrassen, die als Aufenthaltsbereiche und als informelle Besprechungsorte dienen. An der nördlichen Schmalseite des Atriums befinden sich neben diversen Sekundärräumen die vertikalen Erschließungen sowie Konferenzräume. Tritt man aus den zum Atrium hin verglasten Liften, findet man sich immer wieder auf balkonartigen Aussichtspunkten, die
sich auf der Ostseite als Galerien zur Erschließung der Großraumbüros fortsetzen.
Einfache Tragwerksstruktur
Jan Houtekamer, Projektleiter bei cepezed, unterstreicht vor allem die Einfachheit und Effizienz der Tragwerksstruktur des Gebäudes, die beinahe überall sichtbar ist. Sie
reduziert sich auf eine weiß gestrichene Stahlkonstruktion mit aussteifenden Stahl-betonscheiben an den schmaleren Nord- und Südfassaden und in den Bereichen der vertikalen Erschließungen. Auch die Fassaden bestehen im Wesentlichen nur aus Stahl, Glas und den Solarzellen. Bei den Geschossdecken handelt es sich um im Stahlgerüst montierte Spannbetondecken mit Betonkernaktivierung, die sehr geringe Deckenstärken ermöglichten.
Gebäudeentwurf fördert Energieeffizienz
Um die Energieeffizienz des Gebäudes zu
optimieren, entwarf cepezed ein Bauwerk, das mittels verschiedener architektonischer Elemente zur passiven Energiegewinnung und zur Verminderung des Energieverbrauchs beitrug. Die bauchige und von Norden nach Süden abfallende kompakte Gebäudeform soll nicht nur als architektonische und expressive Geste die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen, sondern reduziert auch die Fassadenfläche und damit die möglichen Energieverluste. Durch die lange Dachschräge konnten auch die ins Dach integrierten Solarzellen optimal zur Sonne hin ausgerichtet werden. Die schrägen, sonnenschutzbeschichteten Glasflächen über dem zentralen Atrium erlauben außerdem einen ausgezeichneten Lichteinfall bis weit in die Tiefe des Gebäudes. Damit konnte die Verwendung von natürlichem Tageslicht gegenüber Kunstlicht gefördert und die natürliche Belichtung der an der Atriumseite gelegenen Arbeitsplätze wesentlich verbessert werden. Das von cepezed vorgeschlagene Atrium erfüllt aber auch eine Anzahl von klimatechnischen Funktionen.
Produktive Fassade
Das Gebäude formt aufgrund seines kompakten Volumens, seiner glatten Fassade und seiner schwarz-weißen Farbgebung ein sehr homogenes Bild. Der Fassadenaufbau spielte eine entscheidende Rolle zur Erlangung der Umweltschutzzertifizierungen Passiv Bau, BREEAM Excellent und Nibe classification. Zur Planung des Gebäudes, also noch vor der Einführung der Passivhausverordnung in Belgien am 1.1.2015, zog die Umweltbehörde den deutschen Passivhausstandard als Vorbild heran. Eine der Maßnahmen zur Erhöhung der Wärmedämmwerte der Fassade war neben der Dreischeibenverglasung der Fenster an der westlichen und östlichen Längsfassade die Dämmung der Sandwichpaneele und der Dachflächen mit 20 cm dicker Mineralwolle und die Reduzierung der verglasten Fassadenfläche auf ein Verhältnis von 60 % geschlossener und 40 % verglaster Fläche.
Um Wärmebrücken jeglicher Art zu vermeiden, wurde besonderer Wert in die Entwicklung und Ausarbeitung der vorgefertigten Fensterelemente mit integriertem Kippfens-ter und außenliegendem Sonnenschutz und deren Anschluss an die Sandwichpaneele gelegt. Der Sonnenschutz der Bürofenster wird ebenso wie der innenliegende Sonnenschutz des Atriumdachs über Sensoren, je nach Sonneneinstrahlung automatisch gesteuert, um eine Überhitzung der Innenräume zu
vermeiden. Die 366 schwarzen Solarpaneele mit einer Gesamtfläche von 11 x 60 m und
einer geschätzten Jahresproduktion von 85 000 kWh/a sind bündig zwischen die schwarzen Stahl-Kassettenprofile der Fassade eingearbeitet. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Fugen der Kassetten und die Fugen der Solarpaneele durchlaufen. Ebenso wie bei den warmgebogenen Glasplatten des
Atriumdachs im Bereich der Fassadenkrümmung und den kaltgebogenen Gläsern im Bereich der leicht gekrümmten Dachschräge wurden auch die Standardsolarpaneele durch spezielle gekrümmte Platten im Bereich der Fassadekrümmung ergänzt. Der Energiegewinn aus den Solarzellen deckt heute den Strombedarf der EDV.
Qualitäts- und Effizienzkontrolle
(Monitoring)
Das Gebäude der Umweltbehörde ist ein Pilotprojekt. Die genaue Lage, Effizienz, Größe und Kosten der Solaranlage wurden während der Planungsphase mit Computersimulationen berechnet. Um den Energiegewinn und -verbrauch im Alltag genau feststellen zu können und konkrete Aussagen über die Effizienz der technischen Installationen zu machen, wurden an verschiedenen Punkten des Bauwerks Sensoren installiert, die die Temperatur, die Luftzirkulation, sowie den Stromverbrauch messen. Diese konkreten Messergebnisse sollen unter anderem dazu dienen, die Steuerung der technischen Anlagen wenn nötig anzupassen. Michael Koller, Den Haag