Fugenloser MonolithLandesberufsschule Savoy, Meran/IT
Die imposanten Mansardendächer in dem Meraner Villenviertel lieferten dem Architekturbüro Stifter + Bachmann den Anhaltspunkt für ihre Idee. Sie platzierten einen Monolithen neben das altehrwürdige und denkmalgeschützte Jugendstilgebäude, das seit den 1970er-Jahren als Landesberufsschule für das Gastgewerbe genutzt wird. Der Kubus nimmt die Geste der Dachflächen in der Fassadengestaltung auf. Das Material gibt sich erst auf dem zweiten Blick als gestockte Sichtbetonfassade zu erkennen.
Die Architekten Stifter + Bachmann waren von den imposanten, drei- bis fünfgeschossigen Villen in der Meraner Nachbarschaft beeindruckt, insbesondere die zweigeschossigen Mansardendächer haben es Helmut Stifter angetan: „Wir wollten das Volumen, das sich nach oben hin verjüngt, übernehmen und haben das in einer neuen Form und in den zwei untersten Geschossen mit den überhängenden Fassaden noch extremer interpretiert.“ Der Monolith nimmt zum einen durch seine Form Bezug zu den benachbarten Villen auf, zum anderen distanziert er sich von den reich verzierten Jugendstil-Häusern durch seine konsequente Einfachheit. Einfach in dem Sinne, dass sich die äußere wie innere Gestaltung auf wenige zentrale Gedanken fokussiert.
Das perfekte Material
„Die Fenster sind für sich wie ein Muster. Wir wollten vermeiden, dass sich verschiedene Muster überlagern“, erklärt Helmut Stifter. Das Gesamtbild des Monolithen sollte durch keine weiteren Linien und Unterteilungen gestört werden – ein hoher Anspruch, den die Architekten am ehesten dem Material Beton zutrauten. Selbst überzeugt von dem Werkstoff konnten die Planer das Denkmalamt und den Bauherren, das Land Südtirol, schnell für ihre Idee gewinnen.
Josef Taferner von dem Ingenieurteam Bergmeister ist Experte im fugenlosen Bauen und erklärt, dass jedes Gebäude einen Einzelfall darstellt: „Es ist ein sehr großer Planungsaufwand, auch in der Ausführung selber, weil da Schwierigkeitsfelder hinzukommen, die man beherrschen muss.“ Der Betonbau gilt als „gerissene Bauweise“, was vereinfacht ausgedrückt bedeutet, dass Risse im Material geplant und vorausberechnet in einem zulässigen Rahmen hier von 0,1 bis 0,2 mm gehalten werden. In der Planung sind etwa die Zwangsspannungen aus den Temperatureinwirkungen, die in der Region zwischen -20 °C und +35 °C liegen, und aus dem Schwinden des Werkstoffes zu berücksichtigen. Es ist wichtig, den Bauablauf exakt und zu einem frühen Zeitpunkt zu planen und die Betonierabschnitte festzulegen. Die Bauteildicke und die Betondeckung sind exakt einzuhalten, auch im Hinblick auf die gestockte Oberfläche. Die Rezeptur ist für einen Beton mit einem geringen Schwindmaß wichtig. Ein Zement mit niedriger Hydrationswärmeentwicklung und ausschließlich geeignete Zuschläge mit einem geringen thermischen Ausdehnungskoeffizienten sind zu verwenden, um Spannungen zu reduzieren. Der Beton ist dann mit geringer Einbautemperatur einzubringen.
Betonieren im Schachbrettmuster
In der Ausführungsphase sorgt eine gute Arbeitsvorbereitung für einen reibungslosen Ablauf. So musste bereits vor dem Betonieren der tragenden Innenhülle, die nicht in Sichtqualität ausgeführt wurde, überlegt werden, wie später die Fassade auf der Kerndämmschicht fixiert werden sollte. Nicht einfach, denn Gerüstbauten waren bei der schrägen Kubatur unmöglich. „Wir mussten im Schachbrettmuster betonieren, also immer in der Mitte ein Element auslassen“, erklärt Christoph Ausserhofer von der Unionbau GmbH. Der mittige Betonierabschnitt konnte so das Schwinden der äußeren Bauteile während des Trocknungsprozesses ausgleichen. Das Einschalen war eine schwierige Aufgabe. Die Abschnitte selbst waren mit rund 7 m Länge vergleichsweise gering, doch der Betondruck aus einer Höhe von 3,85 m musste über eine Stahlunterkonstruktion abgefangen werden. Die Schalung des jeweils höheren Elementes konnte nicht im unteren Betonelement verankert werden, deswegen wurde die untere Schalung unter Einhaltung der exakt festgelegten Ausschalfristen des Betons gelöst und nach Austrocknung wieder angezogen, um die Arbeitsbühne und dann das obere Schalungselement daran zu befestigen.
Die Schalarbeiten für die 118 versetzt angeordneten Fenster fertigte die unternehmenseigene Zimmerei. „Das Verdichten ist mit Außenrüttlern erfolgt, aber auch mit innenliegenden Rüttlern, die in ihrer Größe genau auf die Abstände der Bewehrung abgeglichen wurden“, erklärt Christoph Ausserhofer, denn das fugenlose Bauen erfordert einen höheren Bewehrungsanteil.
Beton-Outing
Für die warme Farbigkeit sorgen die Zuschlagstoffe des Sichtbetons, die aus örtlichem Kalkgestein bestehen. Das spätere Stocken der Fassade legte diese oberflächlich wieder frei und verlieh dem Beton hellbeige bis leicht bräunliche Tönungen.
„Die durchgehende Farbigkeit ist dem Betonlieferanten zu verdanken. Er hat Fahrzeuge, Pumpen und die Mischanlage sehr gut gereinigt“, sagt Christoph Ausserhofer. Während der dreimonatigen Winterpause wurden die Zuschläge, die aus einer Tranche bestellt wurden, eingelagert. Der Unternehmer gibt zu bedenken, dass auch die Entfernung zwischen Betonwerk und Baustelle zu berücksichtigen ist, wenn man mit diesem hohen Qualitätsanspruch arbeitet.
Die Oberfläche der gesamten Fassade wurde durch einen kleinen Familienbetrieb gestockt. Eine selbst entwickelte Vorrichtung führte hierbei den Stockhammer und sorgte dafür, dass nur wenige Millimeter mit hoher Gleichmäßigkeit Schritt für Schritt halbautomatisch abgetragen wurden. Helmut Stifter bezeichnet das Stocken als eine „versteckte Kunst“ und schätzt den Charakter des Werkstoffes, der mit der Zeit auch eine Patina entwickle: „Es ist ein edles, selbstverständliches und zurückhaltendes Material, das sich erst auf dem zweiten Blick als Beton outet.“
Kluger Materialeinsatz
„Die Fassade ist natürlich im Schnitt teurer als eine 08/15-Vollwärmeschutz-Fassade“, sagt Helmut Stifter. Dennoch hielten die Architekten das Budget von 400 €/m³ umbauten Raum ein, indem sie im Innenraum einige kluge Entscheidungen hinsichtlich kostensparender Materialien trafen. Hier überrascht die monolithische Hülle mit vielfältigen Sichtbeziehungen durch Wege, Plätze und Lufträume. Die Materialien nehmen sich zurück: Die Wände sind verputzt, als Bodenbelag kommt ein geschliffener, versiegelter Zementestrich zum Einsatz und die inneren Glasfassaden zeigen nur ein leichtes Fugenbild. Vielfalt bringen die unterschiedlichen Nutzungen, von Klassen- und Praxisräumen, über Kochräume und Lernbar bis hin zum Computerraum. Und natürlich beleben 300 neue Schüler den Monolithen.
Taktvoll planen und kommunizieren
„Wir haben die Ziele und Wünsche sehr frühzeitig an die Projektbeteiligten vermittelt, gestalterische Fragen aufgeworfen und abgeklärt“, erklärt Helmut Stifter. So konnte der Zeitplan der Projektierungsphase eingehalten werden und das Team war nie in Gefahr, schnelle und unüberlegte Entscheidungen zu treffen. Ähnlich sieht es Josef Taferner: „Jeder muss seiner Aufgabe nachkommen. Wichtig ist, dass in der Kette mit den verschiedenen Aufgaben kein schwaches Glied ist.“ Architekt und Bauingenieur müssten immer einen Schritt voraus sein, die Baufirmen führen und offene Fragestellungen früh genug aufzeigen. Christoph Ausserhofer schätzt es, wenn die Ausführenden vor Ort mit ihren Erfahrungen bei der Lösungsfindung einbezogen werden. Wenn die geplante Idee auf der Baustelle vermittelt wird, dann ist ein hoher Anspruch auch Ansporn oder wie Christoph Ausserhofer sagt: „Das Bauwerk selbst hat die Mannschaft sehr gut motiviert.“ Christiane Niemann, Fürth
Typologie: Schule/Bildung
Bauherr: Autonome Provinz Bozen – Südtirol/IT
Nutzer: Landesberufsschule für „Gastgewerbe Savoy“
Architekten/Bauleitung:
Generalunternehmer: Unionbau GmbH, Sand in Taufers/IT
Bauzeit: 2011 – 2015
Tragwerksplanung/Energieplanung und -beratung: Ingenieurteam Bergmeister GmbH, Neustift-Vahrn/IT, www.bergmeister.it
Technische Gebäudeausrüstung: energytech GmbH, Bozen/IT, www.energytech.it
Fassadentechnik/Innenarchitektur: Stifter + Bachmann, Pfalzen/IT
Grundflächenzahl: 0,48
Nutzfläche gesamt: 4 736m²
Hauptnutzfläche: 2 025m²
Brutto-Grundfläche: 5 885m²
Brutto-Rauminhalt: 22 450 m³ (davon 14 950m³ oberirdisch)
Brutto-Rauminhalt: 413 €/m³ + MwSt
Primärenergiebedarf: 23,09 kWh/m²a Index Primärenergiebedarf Heizung: 5,90 kWh/m³a
CO2-Emissionen: 74,02 t/a
Jahresheizwärmebedarf: 22,13 kWh/m²a
bodenheizung auf Niedrigtemperaturniveau betrieben.
Außenwand EG bis 4.OG: Innenputz 15 mm, tragende Innenschale/Stahlbeton 250 mm, Wärmedämmung/Kerndämmung XPS/0,035 W/mK 160 mm, Trennlage PE-Folie 0,5 mm, äußere Sichtbetonschale gestockt 200 mm
Außenwand gegen Erdreich 1.UG bis 2.UG: Innenputz 15 mm, tragende Innenschale/Stahlbeton 300 mm, Wärmdämmung/Kerndämmung XPS/0,035 W/mK 160 mm, Drainageschicht/Noppenbahn 4 mm
Hauptdach: Betonbelag 150 mm, Abdichtungsbahn mit Trennlage und Drainagebahn 8 mm, Wärmedämmung XPS/0,035 W/mK 240–400 mm, Dampfsperre 3 mm, Stahlbetondecke 300 mm, Akustikdecke 120 mm
Bodenplatte 2.UG: Geschliffener Betonestrich 90 mm, Wärmedämmung XPS/0,035 W/mK 120 mm, Leichtbetonschüttung 0,11 W/mK 140 mm, Fundamente in Stahlbeton 200–800 mm, Grobschotterschicht 300 mm
Fenster: Rahmenmaterial aus Aluminium-Strangpress-profilen, pulverbeschichtet, Einbautiefe 100-120mm, Ausführung des Fensterflügels mit Sonnenschutz-Isolierglasverglasung in neutraler Farbgebung, Verglasung zweifach, Ausführung der Verglasung mit geeigneter Zwischenschicht als Schallschutzfolie, Öffnen und Schließen der Fenster mittels Elektronantrieb
U-Wert Außenwand(EG – 4. OG) = 0,21 W/(m²K)
U-Wert Außenwand gegen Erdreich
U-Wert Dach = 0,14 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte (2. UG) = 0,20W/(m²K)
Betonlieferant: BETONLANA GmbH, Lana/IT,
Lüfterauslässe: TROX GmbH, www.trox.de
Beleuchtung: Zumtobel Lighting GmbH,
Trockenbau: Knauf Gips KG, www.knauf.de
Akustikdecken: Vogl Deckensysteme GmbH, www.vogl-deckensysteme.de
Schulmöbel: VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken GmbH & Co. KG, www.vs.de
Außenbeleuchtung: BEGA, www.bega.de