Gebündelte Kompetenzen
Energie-/Materialkonzepte
für nachhaltiges Bauen

Der Immobilien- und Bausektor befindet sich im Wandel: Der Fokus verlagert sich von mög­lichst niedrigen Planungs- und Investitions- hin zu optimierten Lebenszyklus- und Betriebskosten. Getrieben wird die energie-

optimierte Bauweise durch die Gesetzgebung und steigende Energie- und Rohstoffpreise. Nachhaltigkeitszertifikate, die ökologische, soziokulturelle und wirtschaftliche Aspekte abdecken, werden für die Wertstabilität von Immobilien immer wichtiger.

Ob Gebäude in Zukunft wettbewerbsfähig sind, hängt in großem Maße von den Investitionen in neueste Technologien ab. Dabei hat die Entscheidung für eine bestimmte Technologie direkten Einfluss auf die Höhe der Investitionen sowie auf das langfristige Energieeinsparpotential. Die Auswahl und Kombination der richtigen Komponenten entscheidet bereits in einer frühen Phase über den Erfolg des gesamten Projekts. Zudem erfordert das Planen und Bauen eines nachhaltigen Gebäudes eine ganzheitliche Betrachtung, die den Standort ebenso berücksichtigt wie die Konstruktion und die künftige Nutzung.

Hier setzt das von Bayer MaterialScience initiierte EcoCommercial Building Programm (ECB) an – ein Kompetenznetzwerk von Spezialisten für energieeffizientes, umweltfreund­liches und kosteneffektives Bauen. Das ECB liefert innovative Lösungen, Materialien und Dienstleistungen in allen Bereichen rund um den nachhaltigen Industrie-, Gewerbe- und Wohnungsbau. Mit europaweit rund 20 Partnern steht es Planern und öffentlichen oder gewerblichen Bauherren beim Bau energie-optimierter und nachhaltiger Gebäude sowie der energetischen Sanierung im Bestand zur Seite. Sein interdisziplinärer Ansatz ermög-licht nachhaltige und gewerkeübergreifende Lösungen, die Energie- und Ressourceneffi-zienz mit hoher Wirtschaftlichkeit vereinen.

Interdisziplinäres Partnernetzwerk

Um den Energieverbrauch gezielt zu reduzieren, müssen bei der Planung das Gebäude­design, die Gebäudegeometrie, das Fenster-Fassaden-Verhältnis sowie die Fenster- und Dachausrichtung betrachtet werden. Der Energiebedarf wird mit dem Einsatz innovativer Gebäudetechnik und erneuerbarer Energienquellen optimiert. High-Tech-Materialien für die Gebäudehülle, wie Dämmung, Dichtstoffe und mechanische Systeme bieten weiteres Potential. Die Netzwerkpartner des ECB verknüpfen diese Kompetenzen: ganzheitliche Planung und Material-Know-how zu den Themenkomplexen Gebäudehülle, Gebäudetechnik, Beleuchtung und der Nutzung erneuerbarer Energien.

Zu den Experten für die Gebäudehülle gehören u. a. Bayer MaterialScience, die Anbieter von Dämmlösungen Linzmeier, Kingspan Insulation, Puren und Recticel sowie der Spezialist für Metallverbundelemente Thyssen-Krupp. Das Unternehmen alwitra steht für Fragen der Dachabdichtung, die profine Gruppe für innovative Fensterlösungen zur Verfügung. Für Gebäudetechnik und erneuerbare Energien sind Stiebel Eltron, Uponor und Solon die kompetenten Ansprechpartner; Spezialist für energetische Beleuchtungssysteme ist Philips mit seinem Geschäftsbereich Lighting. Neben den Produktexperten verfügt das ECB über erfahrene Dienstleistungspartner für nachhaltiges Bauen – Unternehmen aus den Bereichen Architektur, Projektmanagement, Energieplanung sowie Finanz- und Informationsmanagement.

Die Arbeitsweise

Das Leistungsportfolio des ECB umfasst die Beratung zu speziellen Materiallösungen sowie die Unterstützung bei der Erstellung von integrierten Energie- und Materialkonzepten und bei der Planung von Bauprojekten. Auf Wunsch begleitet das ECB seine Auftraggeber bis zur Zertifizierung der Immobilie hinsichtlich Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung. Für jedes Bauvorhaben wird eine auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Unterstützungsleistung geboten – ob Wohnungsbau, Industrie-, Büro- oder Ladenbau. Im ersten Schritt erläutern der Architekt, Planer oder Investor ihr Projekt mit den Anforderungen an das Gebäudekonzept sowie seine Nachhaltigkeitsvorstellungen. In einem Workshop mit den Fachberatern werden die Projektherausforderungen erörtert und einzelne Möglichkeiten auf ihre wirtschaftlichen und technischen Aspekte hin betrachtet.

Der Dialog mit den Experten unterschiedlicher Gewerke ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung des Projektes, was zur Schnittstellenminimierung und positiven Synergien in bautechnischer, wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht führen kann. Computersimulationen lassen bereits zu einem frühen Planungszeitpunkt konkrete Aussagen zu über den zu erwartenden Energieverbrauch, die Betriebskosten oder die Amortisierung der Erstellungskosten. Dabei betrachten die Experten den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes – von der Projektentwicklung über eine mögliche Umnutzung bis zum Ende der Nutzungsdauer. Altimmobilien werden mit einem umfassenden Gebäudecheck begutachtet. Mögliche Leistungen können dann gezielt und bedarfsgerecht abgerufen werden. Die Bündelung der qualifizierten Dienstleis-tungs- und Produktpartner im Netzwerk erlaubt den schnellen und direkten Zugang zum Fachwissen der Spezialisten, die früh-zeitig in die Planung eingebunden werden.

Klimaneutrales Konzept für einen nachhaltigen Bürokomplex

Gemeinsam mit dem niederländischen Architekturbüro Lüchinger Architects sowie der IPJ Ingenieurbüro Jung GmbH, Köln, erstellte das ECB eine Studie für ein nachhaltiges

Bürogebäude. Das Ergebnis: Der Bürokomplex ist vollständig klimaneutral und benötigt 80 % weniger Energie, als die EnEV 2009 vorschreibt. Im Vergleich zu einem konventionellen Bürogebäude mit einem Jahres-Primärenergieverbrauch von etwa 148 KWh/m²a liegt dieser bei dem nachhaltigen Konzept bei lediglich 34 kWh/m²a. Damit entspricht das Gebäudekonzept dem Gold-Zertifikat der DGNB. Das Bürogebäude verfügt über ein ausgeklügeltes Energiekonzept und ist im Betrieb zu 100 % CO2-frei. Den Energiebedarf gewinnt es dabei vollständig aus regenerativen Energien – davon 70 % aus Geothermie und 30 % aus Solarenergie.

Photovoltaik auf Dach und Fassade

Bei dem virtuellen Bürokomplex mit einer Gesamtnutzfläche von 8 800 m² sind im Vordergebäude ein Vortragssaal, eine Bibliothek sowie ein Restaurant untergebracht. Im Hauptgebäude befinden sich auf 5 750 m² und drei Stockwerken flexible Büroeinheiten für etwa 400 Personen sowie mehrere Konferenzräume. Vorder- und Hauptgebäude umschließen eine in der Mitte liegende Piazza, die auch vom Restaurant zugänglich ist und Sitzmöglichkeiten im Freien bietet.

Das Fassadenbild lässt das nachhaltige Gebäudekonzept unmittelbar erkennen:

Offene und geschlossene Fassadenelemente wechseln sich mit bedruckten Glaspaneelen ab. Dadurch lässt sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Tageslichtnutzung und Sonnenschutz realisieren. Die transparenten Fassadenelemente bestehen aus 3-fach-Verglasung mit Polycarbonat-Platten, die geschlossenen aus Naturstein. In die nach Süden gerichteten Fassadenflächen sind zudem auf 860 m² Photovoltaik-Elemente integriert. Die effektive Nutzung der Solarenergie erfolgt aber vor allem über PV-Paneele auf dem Dach: Auf einer Fläche von 1 500 m² erzeugen Module des ECB-Netzwerkpartners Solon SE bei einer Neigung von 10° rund 120 MWh/a. Zusammen mit den PV-Elementen in der Fassade decken sie den gesamten Strombedarf von 186 MWh/a zum Heizen, Kühlen, für Lüftung und Licht.

Lüftungs- und Kühlkonzept – die Kuppel als technischer Grundpfeiler

Herzstück des Bürokomplexes ist eine transparente, zapfenförmige Kuppel, die sich in der Mitte des Hauptgebäudes erhebt und weit über das Dach hinaus ragt. Sie besteht aus einer schlanken Stahlkonstruktion und einer Verscheibung aus dem transparenten und leichtgewichtigen Polycarbonat Makrolon® von Bayer MaterialScience. Polycarbonat ist etwa 10-mal leichter als Glas und einfacher zu bearbeiten.

Die Lichtkuppel ist ein wesentlicher Bestandteil des Lüftungs- und Kühlkonzepts: Sie dient als großer Lüftungsschacht, der die warme Abluft aus dem Gebäude unter Nutzung des durch Wind und Thermik entstehenden Unterdrucks an der Fassade sowie über verschiedene Öffnungen in der Lichtkuppel nach außen leitet. In der Nacht kühlt frische Außenluft das Gebäude, die durch die Öffnungen an Fassade und Kuppel ins Innere gelangt. Dank der großen Höhe sorgt die Kuppel auch bei Windstille für genügend thermischen Auftrieb, um das Gebäude mit Außenluft durchströmen zu können.

Durch das Zusammenwirken von Architektur und den Einsatz erneuerbarer Energien lässt sich das Bürogebäude wirtschaftlich und ökologisch klimatisieren. Insgesamt 34 Sonden mit je 100 m Tiefe leiten die Wärmeenergie aus dem Erdreich an sechs Sole-Wasser-Wärmepumpen von Stiebel Eltron mit einer Gesamtleistung von 202 kW weiter. Die für Bürogebäude üblichen sommerlichen Wärme­lasten werden über Betonkernaktivierung von den Decken aufgenommen und abgeleitet. Die Betonpfeiler mit eingebauten Rohr­lei-tungssystemen übernehmen dabei den Energietransport. Zusätzlich ist der Parkdeckboden an die Betondecken gekoppelt und vergrößert damit die für die Kühlung zur Verfügung stehende Oberfläche. Allein durch die Baukernaktivierung benötigt das Gebäude 70 % weniger Energie für die mechanische Lüftung.

Energie- und ressourceneffiziente Bauweise

Die Gebäudehülle entspricht durch den Einsatz des Hochleistungsdämmstoffs Polyurethan den Anforderungen eines nachhaltigen Baukonzepts. Mit Polyurethan (PU)-Hartschaum lassen sich je nach Anwendungsbereich Lambda-Werte bis zu 0,024 W/mK erreichen und eine im Vergleich zu anderen Dämmstoffen bis zu 40 % höhere Dämmleis-tung sowie entsprechend schlankere Aufbauten realisieren.

Das begrünte Dach des Vordergebäudes macht das Thema Nachhaltigkeit von Weitem sichtbar. Auf dem Dach sind 44 m² Flach-Solarkollektoren installiert. Sie erzeugen 24 MWh thermische Energie, die zur Wärmeerzeugung für das Brauchwasser des Restaurants dienen. Den Restbedarf von 16 MWh für Warmwasser stellen die Wärmepumpen bereit.

Das ökologische Wasserkonzept des Bürohauskonzepts ermöglicht einen um 50 % geringeren Trinkwasserverbrauch: Zum einen wird das Regenwasser auf dem Dach aufgefangen und als Toiletten-Spülwasser verwendet. Zum anderen nutzt das Gebäude eine eigene Pflanzenkläranlage – eine umweltfreundliche Alternative zur technischen Abwasserreinigung, die auf die biologischen Selbstreinigungskräfte der Natur setzt. Für die Pflanzenkläranlagen ist eine 600 m² große Fläche mit Sumpf- und Wasserpflanzen bewachsen. Die Pflanzen, Mikroorganismen und Filterkörper des Beetes übernehmen dabei die Reinigung des Abwassers, das anschließend als Sanitärwasser nutzbar ist.

Bodenbeläge

Bei der Planung von Gebäuden sind nicht nur die Erstellungskosten zu beachten, sondern auch die Kosten für den weiteren Unterhalt. Zu den wichtigen Faktoren gehört dabei der Bodenbelag: Emissionsfreie Innenraumluft und Trittschalldämmung spielen für die Bodenwahl ebenso eine Rolle wie die leichte Reinigung und Haltbarkeit. Fugenlose Systeme auf Basis von Polyurethanen sind hoch belastbar und leicht zu säubern und eignen sich daher besonders für den Einsatz in Verwaltungs- und Bürogebäuden. Für das Prototyp-Bürogebäude sind Bodensysteme von ECB-Netzwerkpartner bolidt vorgesehen.

Fazit

In der Studie hat das EcoCommercial Building Programm ein Gebäude entworfen, das eine optimale Energie- und Ressourceneffizienz mit soziokulturellen Bedürfnissen und einer hohen Wirtschaftlichkeit vereint. Entscheidend dabei ist der gewerkeübergreifende Ansatz, das Grundprinzip des ECB, bei der Produkt- und Planungsexperten ihr Know-how für eine ganzheitliche Planung verknüpfen.

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