Mit integraler Planung Kosten und Energieverbrauch senken

Neue Gesetze, Energiewende, wachsender Wettbewerb: Ebenso wie die Baubranche im Allgemeinen stehen Architekten vor gro­ßen Herausforderungen. Neben ästhetischen Gesichtspunkten werden Nachhaltigkeit, soziokulturelle und ökonomische Aspekte wie die Betrachtung der Lebenszykluskosten – von der ersten Idee bis hin zur Entsorgung – immer wichtiger. Auch aktuelle Entwicklungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Urbanisierung und der dringend nötige Ausbau der Infrastruktur besitzen das Potential, die Branche erheblich zu verändern. Um diesen neuen Entwicklungen erfolgreich zu begegnen, sind eine enge Zusammenarbeit mit allen Baubeteiligten sowie die intensive Auseinandersetzung mit dem Energieverbrauch von Gebäuden nötig.

Die Zukunft erfolgreicher Gebäudeplanung liegt mehr denn je in der themenübergreifenden Expertise von Errichtung, Nutzungs-, Wartungs-, Reparatur- oder Sanierungskos-ten bis zu Entsorgungs- oder Recyclingkosten. Bei immer komplexeren Anlagen und Arbeitsprozessen kann dies nur durch eine enge Zusammenarbeit der einzelnen Gewerke geleis-tet werden. Die gesetzlichen Verordnungen zur Energiewende im Gebäudesektor bieten einen weiteren Anlass für ein schnelles Umdenken. So sind ab 2020 Netto-Null-Energiegebäude im gewerblichen Bereich Pflicht. Sich also heutzutage bei Planung und Bau mit den Mindeststandards der EnEV zu begnügen, birgt das Risiko, dass die Immobilie schon kurz nach Fertigstellung bautechnisch überholt ist. Die verhältnismäßig geringen Mehrkosten eines energetisch höherwertigen Neubaus lohnen sich langfristig durch niedrigere Betriebskosten – insbesondere bei steigenden Energiepreisen. Ein weiterer Anreiz sind die Fördermittel, die bei Übererfüllung der EnEV-Anforderungen vergeben werden.

Hohe Energieeffizienz und Transparenz dank integraler Planung

Für erfolgreiche Zusammenarbeit steht das Konzept der integralen Planung, das heißt die frühzeitige und gleichzeitige Abstimmung aller am Planungsprozess beteiligten Unternehmen – vom Architekturbüro über Bauherren bis hin zuTGA-Planern, Anlagenbauern und Herstellern. Hierbei leistet die Ent-

wicklung von Werkzeugen, zum Beispiel für Gebäude- und Anlagensimulation, für energetische Bilanzierung, für Qualitätssicherung und Betriebsführung einen beträchtlichen Beitrag.

Das Konzept des Building Information Modeling (BIM) zielt auf einen digitalen Informationsaustausch über alle Phasen eines Bauvorhabens hinweg ab. So wird die Zeit von Projektphase bis zum fertigen Objekt verkürzt und das Fehlerrisiko reduziert. Mit Hilfe von BIM entstehen zum Beispiel Pläne für Plusenergiegebäude, die dank Maßnahmen wie solaraktiver Gebäudehüllen, hohem Wärmeschutz und energieoptimierter Gebäudetechnik mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Folglich werden Gebäude in Zukunft untereinander oder mit Energieversorgern interagieren und so eine größere Rolle im Zusammenspiel mit dem Stromnetz einnehmen. Dabei geht es jedoch nicht nur um Energieeffizienz und -einsparung, sondern auch um gesundheitliche, ökonomische und ökologische Aspekte. Diverse Tools und Objekt-Datenbanken mit modellierten Produkten erleichtern die Arbeit mit BIM. Mit der Autodesk-Software Revit, einer Planungs- und Dokumentationsplattform, können Objekte zum Beispiel praxisorientiert dargestellt und auf Umsetzbarkeit geprüft werden.

Die integrale Planung führt bei konsequenter Anwendung zu mehr Verbindlichkeit und Transparenz, da der geplante Standard klar dokumentiert und im gesamten Prozess fest verankert ist. Es wird hoffentlich dazu führen, dass die effizienzorientierte Planung nicht mehr so einfach den finanziellen Interessen von Generalunternehmern oder ausführenden Betrieben untergeordnet wird, weil die Folgen für den Betreiber bei abweichenden Produkten schneller sichtbar werden.

Erneuerbar Heizen und Kühlen mit niedrigen Lebenszykluskosten

In Hinblick auf Betriebskosten, aber auch auf Energiewende und EU Klimaschutzziele, ist ein effektives Lebenszykluskosten-Management, unter anderem durch den Einsatz erneuerbarer Energien für Investoren unabdingbar. Dennoch ist der Planungs- und Bauablauf bisher primär auf eine Minimierung der Herstellungskosten ausgelegt. Auch die Wahl der Gebäudetechnik erfolgt hinsichtlich der Investitionskosten und dies in dem Wissen, dass die Betriebskosten deutlich höher sind. Dabei sind schon heute Technologien für die Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich vorhanden, deren Investition bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Betriebskosten ökonomisch sinnvoll ist. Der Fokus liegt hier auf Wärmepumpen, die mit erneuerbaren Energien aus Luft, Grundwasser oder Erde arbeiten. Neueste Generationen werden mit dem klimaverträglichen Kältemittel R-32 betrieben, das – im Vergleich zum häufig eingesetzten R-410A – mit einem GWP (Global Warming Potential) von 675 nur ein Drittel des Treibhauspotentials aufweist. Darüber hinaus ist bei R-32 die erforderliche Kältemittelmenge bis zu 30 % geringer als bei R-410A. So kann das mengenbezogene GWP auf ein Viertel gesenkt werden.

Zusätzliche Einsparungen schafft die VRT-Technologie (VRT = Variable Refrigerant Temperature; variable Kältemitteltemperatur). Sie sorgt dafür, dass weniger Energie verbraucht wird, indem sie in Übergangszeiten mit geringem Kühl- oder Heizbedarf die Verdampfungs- beziehungsweise Verflüssigungs-temperatur im laufenden Betrieb an den Leistungsbedarf anpasst. Dadurch wird die saisonale Effizienz um 25 bis 30 % gesteigert. Die wesentlichen Bestandteile einer Wärmepumpe sind Außengerät (Verdampfer), Innen­gerät(e) (Verflüssiger) und Kältemittel. Die Wärmeenergie wird transportiert, indem das Kältemittel zwischen Außengerät und Innengerät(en) zirkuliert. Im Verdampfer wird das Kältemittel zu einem Gas verdampft. Dabei wird einer Quelle erneuerbarer Energie wie Luft, Wasser oder Erdwärme Wärmeenergie entzogen.

Der Verdichter sorgt dann dafür, dass die Temperatur des Kältemittelgases ansteigt. Der Verflüssiger gibt die Wärmeenergie an das Heizungssystem ab, dabei geht das Kältemittel wieder in den flüssigen Zustand über. Ein Expansionsventil sorgt für eine Verringerung des Drucks, wodurch das Kältemittel wieder verdampft und der Kreislauf von vorne beginnen kann. Großes Einsparpotential, ökonomisch und ökologisch, schaffen reversible Lösungen, die sowohl den Heiz- wie auch den Kühlfall mit einer Technologie bereitstellen. VRV-Systeme beispielsweise decken alle Anforderungen an moderne Gebäude. Dabei besteht auch die Möglichkeit der Wärmeverschiebung oder Rückgewinnung. Diese integrierten Systeme reduzieren damit Investitions- und Verbrauchskosten gleichermaßen. Damit neue Technologien auch zum Einsatz kommen können, müssen diese jedoch bei Architekten und Planungsbüros bekannt sein.

Dämmung, Automation und Analyse für nachhaltiges Energiemanagement

Neben der Auswahl energieeffizienter Systeme für Kühlung und Heizung gilt es bei der Planung weitere wichtige Faktoren zu beachten: Mit der richtigen Dämmung von Dachgeschoss, Keller und abgedichteten Gebäudefugen an Fenstern und Türen kann Wärmeverlusten vorgebeugt werden. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) ermittelte bei einem Einfamilienhaus mit optimal gedämmten Dach zum Beispiel eine Energieeinsparung von 9 000 kWh/a [1].

Einen weiteren Beitrag zu niedrigen Lebenszykluskosten kann sogenannte „intelligente“ Raumautomation in Neubauten und Bestandsgebäuden leisten. Diese umfasst u. a. Schaltschränke und Kabelnetze für die Mess-, Steuer-, Regelungstechnik (MSR-Technik) sowie die Informationsübertragung. Bei der digitalen Gebäudeautomation spielt auch die übergeordnete Technik für die Betriebsführung eine Rolle. Wichtige Aspekte dabei sind Ergebnisanalysen und Energiemanagement. Und doch wird bei intelligenten Regelsystemen oft gespart – an der absolut falschen Stelle. Für einen optimalen und effizienten Betrieb sind die digitalen Regelkomponenten unabdingbar. Die vermeintlichen Mehrkosten amortisieren sich schnell, wenn man bedenkt, dass damit Energieverschwendung Einhalt geboten wird. Führende Hersteller bieten hier Systeme an, die sich ohne großen Aufwand in die Infrastruktur einbinden lassen. Die Kosten von Hersteller basierenden Systemen sind zudem oft erheblich niedriger als die der etablierten Mess- und Regeltechnik-Anbieter.

Einbindung der TGA von Anfang an

Ein essentieller Punkt besteht darin, unnötige Kosten durch die richtige Dimensionierung und exakte Planung von Anfang an zu vermeiden. Eine frühzeitige Kommunikation der realistischen Planungs-, Kosten- und Terminfolgen schafft hier Sicherheit. Dazu ge-hören auch intensive Aufklärungsgespräche zwischen Architekten, Planern und Handwerkern vor Abgabe der Angebote. So können Unklarheiten bei ungewohnten Leistungen und Materialien beseitigt werden. Beispielsweise bringt ein zu groß angelegtes Innengerät diverse Nachteile mit sich: von negativen Auswirkungen eines unnötig zu hohen Luftvolumenstroms wie Zugerscheinungen bis hin zu einer Erhöhung von Energieverbrauch und Geräuschimmissionen.

Um auch beim Auftraggeber höchstmögliche Zufriedenheit zu garantieren, sollte eine Einbindung der TGA von Anfang an selbstverständlich sein. Dazu gehört auch die frühzeitige Einbindung der Regelungstechnik. Einem vernünftigen Automatisierungsgrad muss die Einflussnahme des Anwenders durch eine intuitive Steuerung entgegengesetzt werden. Die verschiedenen Ausprägungen des Smart Home sind Themen, denen sich auch Universitäten mit verschiedens­­­­ten Forschungsansätzen widmen. Das Ziel: Produkte, die von jedem Kunden – ob tech-nikaffin oder nicht – sofort intuitiv genutzt werden können.

Bausteine für die Sektorkopplung

Zum Gelingen der Energiewende und um die Klimaziele zu erreichen, ist es notwendig, den Stromsektor mit den Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie zu koppeln. Besonders einfach ist dies im Bereich Gebäude bei der Bereitstellung von Wärme zu erreichen. Jede eingesetzte Wärmepumpe ist ein Baustein bei der Sektorkopplung. Hierfür muss keine Infrastruktur geschaffen werden oder große Forschung betrieben werden. Die Technologie der Wärmepumpe ist ausgereift und steht hierfür schon seit langem zur Verfügung. Durch den konsequenten Einsatz dieser klimaverträglichen Alternative kann die Baubranche einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Unterstützt werden Bemühungen in Deutschland durch verschiedenste Verordnungen und Förderungen.

EnEV, EEG und KfW

Um das Ziel der Bundesregierung – ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 – durchzusetzen, wurde die Energieeinsparverordnung (EnEV) etabliert. Diese legt neben Obergrenzen für den Primärenergiebedarf von Wohn- und Nichtwohngebäuden fest, dass bereits in der Entwurfsphase eines Bauprojekts sowohl der Energieträger als auch das Versorgungskonzept bestimmt sein müssen. Zusätzlich muss zum Beispiel mittels des Blower-Door-Tests der Nachweis erbracht werden, dass die Gebäudehülle ordnungsgemäß gedämmt und luftdicht ist.

Die Zielvorgaben der EnEV lassen sich durch den Einsatz erneuerbarer Energien deutlich leichter erreichen als mit fossilen Energieträgern. Dies liegt an den hohen Primärenergiefaktoren, die zur Errechnung des Primärenergiebedarfs auf Grundlage der DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung herangezogen werden. Das Ergebnis wird aus der Division des Primärenergiefaktors Strom und der Jahresarbeitszahl der jeweiligen Technologie gewonnen. Dieser liegt bei Wärmepumpen zum Beispiel je nach Jahresarbeitszahl zwischen 0,4 und 0,6, während der Faktor bei Öl und Gas bei 1,1 liegt.

In Deutschland gibt es verschiedenste Förderprogramme für energieeffizientes und nachhaltiges Bauen. Dazu zählen Förderprogramme des Bundes, des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) und der einzelnen Länder. Günstige Darlehen und Tilgungszuschüsse können von der KfW-Förderbank beantragt werden, wenn die Vorgaben der EnEV übertroffen werden. Die KfW-Bank bietet verschiedene Förderungen für Energie & Umwelt sowohl für Privatpersonen wie auch Unternehmen an. Dazu zählen zum Beispiel der Energieeffizient Bauen-Kredit für Privatpersonen, der für KfW-Effizienzhäuser gilt oder das KfW-Energieeffizienzprogramm Energieeffizient Bauen und Sanieren für Unternehmen. Auch der Einsatz erneuerbarer Energien wird durch Mitfinanzierung der Kosten für Planung, Projektierung und Installation von Photovoltaik-, Windkraft, Stromerzeugungs- und KWK-Anlagen unterstützt.

Ein weiterer Bereich der gerade bei VRV-Systemen förderfähig ist, ist die Wärmerückgewinnung. Hier können aus den Fördermitteln der KfW bis zu 40 % der Netto-Mehrinvestitionskosten gefördert werden. Auch die In-vestition in effiziente Lüftungsgeräte ist mit bis zu 100 000 € pro Standort, je nach Unternehmensgröße des Antragstellers, förder­fähig. Wichtig dabei ist die rechtzeitige Antragstellung, die in der Regel vor der Auftragsvergabe erfolgen muss. Den Planern kommt dabei die Aufgabe zu, Planungsunterlagen wie Angebot und Datenblätter bereitzustellen, die die Einhaltung der Förderbedingungen hinsichtlich der Energieeffizienz belegen.

[1]https://shop.dena.de/fileadmin/denashop/media/Downloads_Dateien/bau/2086_Machen_Sie_dicht.pdf

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