Gefahr von Beginn an bannen
Es ist eines der Horrorszenarien: Brandausbruch in einem Hochhaus. Damit es im Ernstfall nicht gleich zu einer Katastrophe kommt, ist der Brandschutz hier besonders wichtig. Welche Vorkehrungen getroffen und welche Maßnahmen unbedingt umgesetzt werden müssen, zeigt der Fachverband Tageslicht und Rauchschutz e.V. (FVLR).
Tritt der Ernstfall ein, ist die Flucht aus hohen Gebäuden komplizierter und zeitaufwendiger als aus einem einstöckigen Einfamilienhaus. Mehrgeschossige Gebäude werden durch Treppenräume erschlossen und diese sind der erste Weg, um sich im Gefahrenfall in Sicherheit zu bringen.
Auch sind sie der erste Zugang für Feuerwehren und Rettungskräfte, um möglichst schnell die erforderliche Hilfe im Gefahrenfall sicherzustellen. Dementsprechend müssen diese Flucht- und Rettungswege unterschiedlichen baurechtlichen Vorgaben gerecht werden. Nach der Musterbauordnung sind grundsätzlich immer zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie erforderlich.
Der erste Rettungsweg muss über eine notwendige Treppe führen. Der zweite Rettungsweg kann über entsprechende Rettungseinrichtung der Feuerwehr sichergestellt werden (MBO § 33). Auf einen zweiten Rettungsweg darf allerdings verzichtet werden, wenn der erste Rettungsweg als Sicherheitstreppentraum ausgeführt wird, in den im Brandfall kein Feuer oder Rauch eindringen kann.
Gebäude ab 22 m
Gebäude, bei denen die Aufenthaltsräume und damit auch die für die Rettung vorgesehenen
Fenster mehr als 8 m über der Geländeoberfläche liegen, darf der zweite Rettungsweg nur über die Rettungsmittel der Feuerwehr abgedeckt werden, wenn dafür die erforderlichen Hubrettungsfahrzeuge zu Verfügung stehen. Selbstverständlich müssen die jeweiligen Bereiche auch für diese Fahrzeuge befahrbar und zugänglich sein.
Der mögliche Einsatz von geeigneten Hubrettungsfahrzeugen wird bei höheren Gebäuden durch die technische Verfügbarkeit eingeschränkt, deshalb sind bei Gebäuden ab der Hochhausgrenze immer zwei bauliche Rettungswege erforderlich. Auch durch die häufig hohe Personenanzahl schließt sich eine Rettung über die Rettungsgeräte der Feuerwehren grundsätzlich aus. Als Hochhäuser werden nach der Muster-Hochhaus-Richtlinie Gebäude betrachtet, bei denen der Fußboden eines Aufenthaltsraums mehr als 22 m über Geländeoberfläche liegt.
Um den besonderen Anforderungen gerecht zu werden, ist mindestens eins von zwei notwendigen Treppenräumen als Sicherheitstreppenraum (≤ 60 m Höhe) auszuführen. Bei Gebäuden über 60 m Höhe müssen alle notwendigen Treppenräume als Sicherheitstreppenraum ausgeführt werden.
Sicherheitstreppenraum kompensiert
Dass Gebäude bis an die Hochhausgrenze oder auch darüber hinaus errichtet werden, ist meist in den begrenzten Grundflächen begründet. Um die zur Verfügung stehenden Flächen möglichst ökonomisch zu nutzen, kommt häufig der Sicherheitstreppenraum zur Kompensation des zweiten Rettungswegs zum Einsatz. Ein Sicherheitstreppenraum zeichnet sich dadurch aus, dass er sicher zu erreichen und so ausgeführt ist, das Feuer und Rauch nicht eindringen können (MBO § 33).
Um dies sicherzustellen, müssen Sicherheitstreppenräume aus nicht brennbaren Baustoffen ausgeführt werden. Es sind nur die für die Versorgung des Treppenraums erforderlichen Leitungen,
beispielsweise für die Beleuchtung, zulässig. Andere Leitungen dürfen nicht im Sicherheitstreppenraum installiert werden. Neben Sicherheitsschleusen, Vorräumen und selbsttätig schließenden, rauchdichten Türen sind Druckbelüftungsanlagen die Hauptkomponenten, die das Eindringen von Feuer und Rauch in den Sicherheitstreppenraum verhindern sollen.
Grundsätzliche Anforderungen für Druckbelüftungsanlagen finden sich in der Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR) und der Muster Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB). Rechtlich verbindlich sind jeweils die eingeführten Fassungen in den Bundesländern.
Rauchmelder lösen Druckbelüftung aus
Die Druckbelüftungsanlage soll einen kontinuierlichen Luftstrom von der Außenluftansaugung zu den Abströmöffnungen und Überströmöffnungen sicherstellen. Durch den kontinuierlichen Luftstrom soll möglicherweise eingedrungener Rauch abgeleitet werden. Wenn im Treppenraum Türen zu dem vom Brand betroffenen Geschoss geöffnet sind, muss die Strömungsgeschwindigkeit entgegen der Fluchtrichtung mindestens 2,0 m/s betragen. Um das weitere Eindringen von Rauch in den Sicherheitstreppenraum zu verhindern, baut die Anlage einen Überdruck im Sicherheitstreppenraum auf. Dieser Überdruck darf die Öffnungsmöglichkeit der Türen in den einzelnen Geschossen nicht beeinträchtigen, deshalb ist beim Betrieb der Anlage sicherzustellen, dass ein Türöffnungsdruck von 100 N nicht überschritten wird.
Wenn nur ein innenliegendes Sicherheitstreppenhaus zur Verfügung steht, ist die Druckbelüftungsanlage so zu konzipieren, dass bei Ausfall des für den Überdruck erforderlichen Geräts ein betriebsbereites Ersatzgerät dessen Funktion übernimmt. Druckbelüftungsanlagen sind grundsätzlich automatisch über Rauchmelder auszulösen. Um im Brandfall sicherzustellen, dass der Rauch nicht in den zu schützenden Bereich eindringt, müssen die Rauchmelder außerhalb des Treppenraums installiert sein. Diese Rauchmelder in den Nutzungseinheiten sollten in keinem Fall mit Rauchwarnmelder nach den jeweiligen Landesbauordnungen verwechselt werden. Die Rauchwarnmelder sind für die Warnung von Personen in den jeweiligen Wohnungen bei Rauch vorgesehen. Sie sind batteriebetrieben und nicht für die Ansteuerung einer Druckbelüftungsanlage oder einer anderen Sicherheitseinrichtung vorgesehen oder geeignet. Der Rauchmelder zur Auslösung der Druckbelüftungsanlage ist Bestandteil einer Brandmeldeanlage oder in die Steuerung der Druckbelüftungsanlage integriert.
Konzeption und Wartung wichtig
Dies sollte auch bei der Prüfung der Rauchwarnmelder in einem Gebäude mit Druckbelüftungsanlage berücksichtigt werden. Rauchmelder innerhalb einer Brandmeldeanlage oder zur Auslösung einer Druckbelüftungsanlage haben keinen Testknopf und sind damit im Rahmen der Prüfung der Rauchwarnmelder auch nicht experimentellen Testversuchen durch Zigarettenrauch usw. zu unterziehen. Druckbelüftungsanlagen, unabhängig davon, ob sie unterhalb oder oberhalb der Hochhausgrenze zum Einsatz kommen, müssen höchsten Sicherheitsanforderungen gerecht werden. Um den Nutzern der Gebäude im Notfall die Flucht durch den dann häufig einzigen Flucht- und Rettungsweg zu ermöglichen, muss geeignete Technik eingesetzt werden.
Die zugrundeliegende DIN EN 12101 Teil 6 und Teil 13 werden aktuell überarbeitet. Während sich der Teil 13 mit der Planung, Auslegung bis hin zu den erforderlichen Funktionstests, der Abnahme und dem Betrieb der Systeme beschäftigt, sind im Teil 6 der DIN EN 12101 Anforderungen an die erforderlichen Bausätze für die Systeme enthalten. Bedingt durch die unterschiedlichen Gebäudestrukturen innerhalb Europas in Kombination mit den unterschiedlichen Vorschriften und Regeln zur Anwendung von Differenzdrucksystemen auf nationaler Ebene, ergibt sich erwartungsgemäß eine gewisse Komplexität. Hinzu kommen aktuell grundsätzliche Erwartungen und Vorgaben der Europäischen Kommission an harmonisierte Normen, die derzeit ebenfalls diskutiert werden und sich in einem Veränderungsprozess befinden. Da der Teil 13 bisher nicht zu den harmonisierten Normen gehört, wird zur Beschleunigung des Verfahrens im Moment geprüft, ob auch für den aktuell noch harmonisierten Teil 6 auf die Harmonisierung verzichtet werden kann.
Wie dieser Prozess ausgeht, ist derzeit leider schwer abzuschätzen. Allerdings dürfte sich für PlanerInnen und ArchitektInnen relativ wenig ändern, da die Änderung der DIN EN vor allem die Hersteller betrifft. Umso wichtiger ist es jedoch, bei der Planung und Ausführung betreffender Anlagen auf eine langjährige Expertise zurückzugreifen. Denn bei Druckbelüftungsanlagen müssen – wie bei fast keinem anderen System im Brandschutz – detaillierte Anforderungen des Baurechts, der Lüftungs- und Steuerungstechnik sowie der Sensorik zu einem selbsttätigen, bei jeder Witterung zuverlässigen System kombiniert werden.