Geringe Fehlertoleranz − nicht belüftete Flachdachkonstruktion in Holzbauweise
Zusammenfassung
Bei einer Flachdachkonstruktion in Holzbauweise mit Volldämmung in der Ebene der Balkenlage hatte sich noch innerhalb der Gewährleistungsfrist ein Schaden durch einen Holz zerstörenden Pilz eingestellt. Ursächlich hierfür war ein konvektiver Eintrag von Wasserdampf in die Konstruktion über eine Fehlstelle beim Anschluss der Dampfbremse an eine Durchdringung. Derartige Konstruktio-nen weisen – auch bei Verwendung feuchtevariabler Dampfbremsen – eine geringe Fehlertoleranz auf.
Sachverhalt
Nach der Errichtung eines Wohngebäudes in Holzbauweise rügte die Baufirma Mängel gegenüber einem Subunternehmer, der die Dachabdichtung erstellt hatte. Der Subunternehmer vertrat die Meinung, dass nicht die Dachabdichtung, sondern vielmehr eine nicht fachgerechte Dampfbremse schadensursächlich sei. Im Rahmen einer Begutachtung sollte die Situation untersucht werden und es sollte bewertet werden, inwieweit die Dachkonstruktion technische Mängel aufwies.
Feststellungen
Das Wohngebäude wies eine ungenutzte und nicht belüftete Flachdachkonstruktion in Holzbauweise auf. Die Dachfläche war näherungsweise quadratisch. Etwa von der Mitte der Dachfläche war ein Gefälle zu den vier Gebäudeecken vorhanden, wo sich jeweils Abläufe befanden. Darüber hinaus waren im Bereich der Attika Notabläufe vorhanden. Nahe der Attika bei einem Dachrand befand sich eine Durchdringung durch ein Lüftungsrohr der Schmutzwasser-Fallleitung (Bild 1). Die Dachabdichtung war durch Rollkies bedeckt.
Nahe dem Lüftungsrohr wurde zunächst auf der Dachfläche eine Öffnungsstelle angelegt. Die Dachabdichtung bestand aus einlagig verlegten Kunststoffbahnen. Darunter befand sich eine Gefälledämmung aus expandiertem Polystyrol (EPS) mit einer Dicke von ca. 13 cm an der untersuchten Stelle. Unter der Dämmung waren einlagig Bitumenbahnen verlegt; diese hatten nach Auskunft der Beteiligten als Notabdichtung während der Bauphase gedient. Die Bitumenbahn endete bündig bei einer Bohrung, die für die Durchdringung des Lüftungsrohrs der Schmutzwasser-Fallleitung angelegt worden war. Zu dem betreffenden Rohr war ein Spalt von bis zu ca. einem Zentimeter Breite vorhanden (Bild 2). Die Dachkonstruktion war in diesem untersuchten Bereich trocken. Angrenzend an die Durchdringung wurde die Bitumenbahn kleinflächig entfernt. Unterhalb befanden sich Holzwerkstoffplatten. Diese wiesen Verfärbungen auf. Zwischen der Holzwerkstoffplatte und der Bitumenbahn befanden sich Myzel und Stränge eines Pilzes (Bild 3).
Zur weiteren Prüfung der Flachdachkonstruktion in dem Bereich des Lüftungsrohrs wurde eine weitere Bauteilöffnung von der Deckenunterseite her vorgenommen. Dort war das Rohr der Schmutzwasser-Fallleitung in einer Holzständerwand zwischen zwei Bädern geführt. In beiden Bädern waren keine Schadensbilder in dem Wand- und Deckenbereich nahe dem Lüftungsrohr sichtbar.
Die Anlegung der Öffnungsstelle erfolgte in einem der Bäder im Bereich der Decke. Zunächst wurde die raumseitige Bekleidungsschicht aus Gipskarton-Bauplatten entfernt. Darüber befanden sich eine Lattung bzw. Installationsebene sowie eine weitere Schicht aus Bauplatten. Die Bauplatten oberhalb der Lattung wiesen unterseitig in dem an die Innenwand sowie die Außenwand angrenzenden Bereich einen Befall durch Schimmelpilze auf (Bild 4). Unmittelbar oberhalb dieser Bauplatten war eine feuchtevariable Dampfbremsbahn verlegt. Darüber waren die Balkenlage sowie eine Dämmung aus Hobelspänen ersichtlich. Nach Entfernen der Hobelspäne aus dem Bereich zwischen den Dachbalken wurde die Unterseite der Dachschalung aus Holzwerkstoffplatten sichtbar. Die Oberseite dieser Holzwerkstoffplatten war bereits von der Dachfläche aus freigelegt worden. Es wurde festgestellt, dass die Platten durch Myzel und Stränge eines Holz zerstörenden Pilzes bedeckt waren. Der Befall erstreckte sich ausgehend von dem Bereich des Lüftungsrohrs (Bild 5).
Durch die Untersuchungen von der Seite der Dachfläche und der Seite der Deckenuntersicht her war der Konstruktionsaufbau des Flachdachs nunmehr vollständig bekannt. Die vorhandene Dachkonstruktion stellte sich demnach insgesamt von außen nach innen wie folgt dar:
– Rollkies
– Schutzvlies
– Dachabdichtung aus Kunststoffbahnen
– Gefälledämmung aus expandiertem
Polstyrol (EPS)
– Notabdichtung aus Bitumenbahnen
– Holzwerkstoffplatte
– Balkenlage mit Hobelspänen im
Gefachbereich
– Dampfbremse (feuchtevariabel)
– Bauplatten unterseitig der Balkenlage
– Lattung bzw. Installationsebene
– Bauplatten als raumseitiger Abschluss
Zur weiteren Prüfung der Konstruktion im Bereich der Durchdringung des Lüftungsrohrs wurde die vorhandene raumseitige Öffnungsstelle erweitert. Dazu wurden die an das Lüftungsrohr angrenzenden Hobelspäne entfernt; diese waren feucht. Das Lüftungsrohr wies dicht unterhalb des Flachdachs einen geringen Verzug auf, der mit einem „Flexrohr“ mit geriffelter Oberfläche ausgeführt war (Bild 6). Der Anschluss der Dampfbremse an das Lüftungsrohr war jedoch nicht an das „Flexrohr“, sondern an ein darüber befindliches (glattes) Kunststoffrohr erfolgt. Der Anschluss war mittels Klebeband ausgeführt, wobei zwei unterschiedliche Produkte verwendet worden waren (Bild 7). Dabei war in dem die Durchdringung umgebenden Bereich auch die Unterseite der dortigen Bauplatten überklebt worden.
Der Anschlussbereich war aufgrund des Ständerwerks der Wand sowie der Deckenbalken erschwert zugänglich und einsehbar (vgl. Bild 6). Unmittelbar beim Lüftungsrohr wies die Verklebung Fehlstellen im Zentimeterbereich auf (Bild 8). Dort befand sich ein Wechsel im Bereich der Balkenlage. Der betreffende Wechselbalken war durch den Holz zerstörenden Pilz stark geschädigt (Bild 9). Das Holz wies dort keine Festigkeit mehr auf (Würfelbruch).
Bewertung
Ein vorhandener Wassereintritt über Leckagen in der Dachabdichtung konnte aufgrund weiterer vorgenommener Untersuchungen ausgeschlossen werden. Insofern ist eine Bewertung der Dachkonstruktion in feuchteschutztechnischer Hinsicht erforderlich. Nicht belüftete Flachdachkonstruktionen in Holzbauweise mit einer Volldämmung in der Ebene der Balkenlage sind kritisch zu beurteilen. In [1] wird allgemein auf die „latente Schadenanfälligkeit“ dieser Konstruktionen hingewiesen. In [2] werden sie als „wenig fehlertolerante Konstruktionen, die einen deutlich erhöhten Kontroll- und Inspektionsaufwand erfordern“, bezeichnet. Warum ist das so?
Aufgrund der raumseitig angeordneten Dampfbremse ist die Flachdachkonstruktion bei Anwendung des Perioden-Bilanzverfahrens nach DIN 4108-3 [3] (Glaserverfahren) nahezu oder vollständig tauwasserfrei. Bei der Berechnung wird allerdings ausschließlich der Wasser(dampf)-Transport infolge Diffusion berücksichtigt. Wesentlich leistungsfähiger als der diffusive ist jedoch der konvektive Transport von Wasserdampf mit einer Strömung.
Eine „konvektionsbedingte Tauwasserbildung ist durch luftdichte Konstruktionen zu minimieren“ [3]. Gelingt dies nicht in ausreichendem Maße, so kann warme und feuchte Raumluft durch Leckagen in der Luftdichtheitsschicht von innen nach außen strömen und sich dabei abkühlen. Der Taupunkt liegt für die vorgefundene Konstruktion bei Ansatz der Randbedingungen für die Tauperiode gemäß DIN 4108-3 bereits im oberen Bereich der Balkenlage bzw. unterhalb der auf den Balken aufliegenden Holzwerkstoffplatten. Die aus diesem Bereich entfernten Hobelspäne beim Lüftungsrohr waren feucht.
Die Einhaltung der Anforderungen an die Luftdichtheit des Gebäudes garantiert nicht, dass keine schadensauslösenden Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht vorhanden sind [4]. Das heißt: Auch bei sehr guten Ergebnissen im Rahmen von Druckdifferenzprüfungen („Blower-Door-Test“) können noch Fehlstellen vorhanden sein, die zu Schäden führen. Diese Fehlstellen bedürfen dann zwingend einer Überarbeitung.
Im vorliegenden Fall waren bei dem Anschluss der Dampfbremse an das Lüftungsrohr Fehlstellen im Zentimeterbereich vorhanden (vgl. Bild 8). Durch derartige Fehlstellen wird insbesondere während der kalten Jahreszeit Wasserdampf in die Flachdachkonstruktion eingetragen. Begünstigt wird der konvektive Eintrag durch den thermischen Auftrieb der (beheizten) Raumluft, der insbesondere unterhalb der Dachdecke einen Überdruck gegenüber der Außenluft bewirkt. Gegen einen solchen unplanmäßigen Eintrag von Wasserdampf bieten nicht belüftete Flachdachkonstruktionen in Holzbauweise unzureichende Reserven.
An dieser Stelle wird vielfach auf die – auch hier vorhandene – feuchtevariable Dampfbremse verwiesen, die ja eine Austrocknung etwaig entstandenen Tauwassers ermögliche. Eine feuchtevariable Dampfbremse bietet einen variablen Wasserdampf-Diffusionswiderstand (ausgedrückt durch die diffusionsäquivalente Luftschichtdicke) in Abhängigkeit der Umgebungsfeuchte. Bei niedriger Umgebungsfeuchte (beheizte Raumluft im Winter) ist der Diffusionswiderstand hoch; bei hoher Umgebungsfeuchte (im Sommer) ist der Diffusionswiderstand gering. Dadurch soll eine Austrocknung der Konstruktion während des Sommers zum Raum hin ermöglicht werden.
Tatsächlich sind damit gerade auch bei Flachdächern vergleichsweise große Diffusionsströme während des Sommers aus der Konstruktion möglich. Begünstigt wird dies durch hohe Oberflächentemperaturen infolge absorbierter Solarstrahlung auf der Dachoberfläche. Hierdurch bildet sich ein deutlicher Gradient des Wasserdampf-Partialdrucks mit der Folge eines deutlichen Diffusionsstroms aus der Konstruktion zur Raumseite. Allerdings verringert bereits eine Beschattung der Dachfläche den Partialdruck-Gradienten und damit den Antrieb des Diffusionsstroms deutlich. Die Leistungsfähigkeit einer feuchtevariablen Dampfbremse darf insofern nicht überschätzt werden. Mit der Wassermenge, die konvektiv über Fehlstellen der Luftdichtheitsschicht in die Dachkonstruktion eingetragen wird, ist auch eine feuchtevariable Dampfbremse regelmäßig überfordert.
Bei dem Lüftungsrohr wurden Fehlstellen in der Verklebung der Dampfbremse festgestellt. Die vom Hersteller der Klebebänder geforderte „schuppenförmige Abklebung“ der Rohrdurchdringung war nicht vorhanden. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse durch die Balken und das Ständerwerk war diese auch handwerklich kaum zuverlässig umsetzbar. Begünstigt durch den thermischen Auftrieb der beheizten Raumluft konnte somit warme und feuchte (Badezimmer!) Raumluft konvektiv in die Dachkonstruktion gelangen, wo der Wasserdampf kondensiert. Zur Schadensvermeidung wäre zumindest eine modifizierte Konstruktion erforderlich gewesen, bei der aufgrund der Platzverhältnisse ein fachgerechter Anschluss der Dampfbremse an das Lüftungsrohr möglich gewesen wäre.
Schadensvermeidung
Zur Vermeidung derartiger Schäden ist es zweckmäßig, auf nicht belüftete Dachkonstruktionen mit einer Volldämmung in der Ebene der Balkenlage gänzlich zu verzichten. Die Fehlertoleranz derartiger Konstruktionen ist gering. Statt dessen sollten Konstruktionen geplant und ausgeführt werden, bei denen z. B. die Wärmedämmung oberhalb der Tragkonstruktion angeordnet ist. Die Dampfbremse und Luftdichtheitsschicht kann dann handwerklich einfach auf der Dachschalung hergestellt werden. Allerdings gestalten sich dann die Anschlüsse der Dampfbremse beim Übergang Dach – Wand schwierig. Empfehlenswert sind daher alternativ auch belüftete Konstruktionen, wobei auf eine ausreichende Dachneigung (auch bei Flachdächern!) sowie ausreichende Be- und Entlüftungen zu achten ist.
[1] Fouad, N.A. (Hrsg.): „Lehrbuch der Hochbaukonstruktionen“, 4. Auflage, Springer Vieweg, 2013
[2] Oswald, R., Zöller, M., Spilker, R., Sous, S.: „Zuverlässigkeit von Holzdachkonstruktionen ohne Unterlüftung der Abdichtungs- oder Decklage“, Fraunhofer IRB Verlag, 2014
[3] DIN 4108-3:2014-11: „Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden – Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz – Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung“
[4] DIN 4108-7:2011-01: „Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden – Teil 7: Luftdichtheit von Gebäuden – Anforderungen, Planungs- und Ausführungsempfehlungen sowie -beispiele
[5] DIN 68800-2:2012-02: „Holzschutz – Teil 2: Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau“
Quintessenz
Nicht belüftete Flachdachkonstruktionen in Holzbauweise mit einer Volldämmung in der Ebene der Balkenlage sind kritisch zu beurteilen, weil sie eine geringe Fehlertoleranz aufweisen. Bereits bei vergleichsweise kleinen Fehlstellen in der Luftdichtheitsschicht entsteht Tauwasser in einer Menge, die auch über eine feuchtevariable Dampfbremse regelmäßig nicht per Diffusion abgeführt werden kann.
Schon gewusst?
In der DIN 68800-2 [5] sind Konstruktionsprinzipien für Außenbauteile aufgeführt, bei denen die Bedingungen der Gebrauchsklasse GK 0 erfüllt sind. Hierunter fallen auch nicht belüftete und voll gedämmte Dachkonstruktionen. Für diese ist dann jedoch ein Nachweis des Tauwasserschutzes mittels einer numerischen hygrothermischen Berechnung erforderlich. Eine mögliche Verschattung der Dachfläche, die während des Sommers den aus der Konstruktion zum Raum gerichteten Diffusionsstrom und somit die Austrocknung negativ beeinflusst, ist dabei zu berücksichtigen. „Sofern Verschattungsfreiheit vorausgesetzt wird, muss diese baurechtlich auf Dauer gesichert sein“ [5]. Dies dürfte im Regelfall kaum zu bewerkstelligen sein.