Glaubwürdig
umweltverträglichElbarkaden, HafenCity Hamburg
Im Hamburger-Stadtteil HafenCity ist dank der guten Zusammenarbeit der Architekten, des Energieplaners und des Bauherrn ein nachhaltiges Gebäude entstanden – die Elbarkaden. Darüber hinaus stand der Neubau Pate für einen Kriterienkatalog, der schon in Wettbewerben die Nachhaltigkeit von Gebäuden vergleichbar macht.
Unter Nachhaltigkeit versteht man fälschlicherweise oft nur die Energieeffizienz eines Gebäudes. Denn ganzheitlich betrachtet, sind weitere Faktoren von großer Bedeutung. Die ökologische und ökonomische Qualität eines Gebäudes tragen ebenso zu einem nachhaltigen Gebäude bei wie soziokulturelle Aspekte, der Bauprozess und der Standort.
Das Grundstück im Stadtentwicklungsgebiet der HafenCity in Hamburg wurde in drei Baufelder aufgeteilt. Für das Baufeld 1 stand bereits bei der Auslobung des Wettbewerbs fest, dass Greenpeace Mieter des Gebäudes werden würde. Weswegen bereits in dieser frühen Planungsphase Nachhaltigkeitsziele definiert waren, an denen die Architekten ihre Arbeiten messen lassen mussten. So ließ Greenpeace z. B. im Mietvertrag festschreiben, dass auf die Verwendung von Mineralwolle im gesamten Gebäude zu verzichten ist.
Hinzu kam beim Wettbewerb für die Elbarkaden, dass das Gebäude den Standard der Zertifizierungen des DGNB und HafenCity Ecolabel Gold erfüllen sollte. Die strengen Vorgaben waren eine Herausforderung für die Architekten. Doch Bob Gysin + Partner (BGP) konnten 2009 den beschränkten Wettbewerb für sich entscheiden, an dem noch 15 weitere Büros teilnahmen.
Nachhaltige Realität
Das Züricher Architekturbüro schlug einen kompakten, sechsgeschossigen Bau plus Warftgeschoss vor, der durch das Wegnehmen und Hinzufügen von Volumina ab dem 2. Obergeschoss eine mäandernde Form erhält. Durch den Rücksprung der Fassade im Erdgeschoss entsteht, so die Architekten, „eine Stadtloggia“, die sich in das Wegenetz bis hin zur HafenCity Universität Hamburg einfügt. Ebenso verbindet das Warftgeschoss, das teils unterirdische Geschoss zum Schutz vor Hochwasser, das Elbufer mit der HafenCity. Damit schaffen die Architekten eine Ausgewogenheit zwischen der dichten Bebauung des Grundstücks und der Aufenthaltsqualität, also zwischen privaten und öffentlichen (Stadt-)Räumen. Diese Ausgewogenheit war eine Vorgabe der Stadtentwicklungsgesellschaft HafenCity Hamburg GmbH und ist gleichzeitig ein Kriterium für den Punkt „soziale Nachhaltigkeit“ in der Bewertung zur Zertifizierung durch die DGNB.
Um Behaglichkeit in den Räumen zu schaffen, planten die Architekten ein Atrium. Es liefert Tageslicht und frische Luft für die innenliegenden Büroräume. Ursprünglich hatten die Architekten den Innenhof als „grünes Atrium“ geplant. Pflanzen sollten dort für ein angenehmes Raumklima sorgen. Diese Idee ist einem simplen, weißen Atrium gewichen. Grund dafür war, dass BGP zwar die LPH 1 – 4 betreuten und die Oberbauleitung für die Stadtloggia und die Fassade hatten, jedoch nicht für den Innenausbau.
Die Nachtauskühlung der Räume wird von einer Wasser geführten Bauteilaktivierung der Decken unterstützt. Damit erhöhen die Architekten die thermische Behaglichkeit in den Einzel- und Doppelbüros, da Zugluft durch die Flächenstrahlung minimiert wird. Um die Büroräume, die entlang des Atriums orientiert sind, mit ausreichend Tageslicht zu versorgen, war ein Tageslichtplaner seit der Vorentwurfsphase Teil des Teams. Auf einem Fassadenraster von 3 und 5 m angeordnet ist der Innenraum flexibel gestaltbar, auch für eine andere Nutzung. „In unserer Klimazone sind 40 % Fensteröffnungen des Gebäudevolumens in der Fassade optimal“, sagt Sebastian El khouli, Projektleiter sowie Nachhaltigkeits- und Energieberater bei BGP. Es ist die bestmögliche Balance, ausreichend Licht in das Gebäude zu bekommen, ohne die Räume zu überhitzen.
In der Entwurfsplanung noch als Holzelement-Fassade geplant, entschied der Investor aufgrund seiner schlechten Erfahrung mit Holz, das Holz durch Beton zu ersetzen. Vor die Betonelement-Fassade sind am Sockel und im Erdgeschoss Vollklinker gesetzt, in den oberen Geschossen sind es Riemchen auf WDVS. „Die betriebsenergetische Ebene muss die Materialwahl der Fassade kompensieren“, sagt El khouli. Daraufhin planten die Architekten eine größere PV-Anlage von 420 m². Diese sitzt auf dem Dach des Gebäudes neben den drei Windrädern, die schon von weitem sichtbar sind. Jedes dieser Windräder erzeugt 12,5 kW. Beide Ressourcen schonenden Energieerzeuger versorgen die Wärmepumpen der Elbarkaden mit „grünem“ Strom. „Durch die Kombination der Photovoltaik mit Windkraft und einer Holzpelletanlage kann die Schwäche der zeitlich begrenzten Verfügbarkeit der Sonnenenergie kompensiert werden“, erklärt El khouli.
Vom Pilotprojekt zum Forschungsprojekt
Dass die Vorgaben zur Nachhaltigkeit eingehalten wurden, überprüften Matthias Fuchs und sein Team von ee concept. Die Darmstädter Firma berät Bauherrn zu Energiekonzepten und erläutert, wie sich Baumaßnahmen auf das DGNB Zertifikat auswirken. So auch bei den Elbarkaden. Laura Rechert, Energieberaterin und DGNB Auditorin bei ee concept, erklärt: „Ob nun Stahlbeton oder Holz, in der Ökobilanz des Gebäudes ändert das lediglich nur wenige Prozent.“ Weswegen eine Kompensation über andere Energieträger möglich ist. Schon bei der DGNB-Vorzertifizierung wurde das Gebäude mit Gold ausgezeichnet. An einem realisierten Gebäude stichfeste Argumente für das nachhaltige Bauen zu finden, ist wesentlich einfacher als im Wettbewerb. Während der Planungsphasen des Projekts kam bei ee concept die Frage auf, wie Nachhaltigkeit in Wettbewerben einfach geprüft werden kann. „Teilweise sind 16 Arbeiten an einem Tag von der Jury zu bewerten,“ sagt Matthias Fuchs, DGNB Auditor und Geschäftsführender Gesellschafter von ee concept. Anhand der Elbarkaden entwickelten die Mitarbeiter von ee concept einen Kriterienkatalog. Daraus entstand das Forschungsprojekt „Systematik für Nachhaltigkeit in Planungswettbewerben“ – kurz SNAP. „40 bis 45 Kriterien gibt es, die ein nachhaltiges Gebäude erfüllen soll“, sagt Fuchs, „doch nur 15 Kriterien sind für den Vorentwurf entscheidend, wie wir in einer Studie herausfanden.“ So legte ee concept vier Themenfelder fest, worauf beim Vorentwurf eines nachhaltigen Gebäudes zu achten ist: Funktionalität, Komfort und Gesundheit, Wirtschaftlichkeit sowie Ressourcen und Energie. Diese übergeordneten Themen werden in Kriterien unterteilt, die wiederum Beurteilungsaspekten unterliegen. Anhand eines Ampelsystems – grün bedeutet „erfüllt“, rot „nicht erfüllt“ – bewertet die Jury, ob die Architekten die entsprechenden Kriterien einhalten.
Diese Kriterien erfüllten BGP in der Wettbewerbsphase mit den Elbarkaden, die in den späteren LPHs vom GU umgesetzt wurden. Das besondere des fertig gestellten Gebäudes: Es ist nicht an das Fernwärmenetz des städtischen Energieversorgers angeschlossen. Insgesamt verbessert das Energiekonzept die CO2-Bilanz des Gebäudes um ca. 60 %. Klar, dass es nun auch bald zertifiziert ist: mit DGNB Gold und dem Umweltsignet der HafenCity Ecolabel, ebenfalls in Gold. Dass diese beiden Auszeichnungen auch den Wert der Immobilie erhöhen, weiß jeder. Schließlich ist das DGNB Zertifikat eines der bekanntesten in Deutschland für nachhaltiges Bauen. BGP konnten mit ihrem Entwurf überzeugen und der GU die Ausführung gemeinsam mit ee concept entsprechend umsetzen, so dass an der Elbe ein adäquates Gebäude für Greenpeace entstanden ist – glaubwürdig umweltverträglich. S.C.