GroßbildlandschaftGDC Logistikzentrum, Niedernberg
Eine durchdachte Fassade kann selbst große Bauvolumen mit der Landschaft und deren Menschen versöhnen. Das zeigt ein Verteilzentrum der Gries Deco Company in Niedernberg bei Aschaffenburg, geplant von den Darmstädter netzwerkarchitekten zusammen mit dem Schweizer Generalunternehmer swisslog.
Auf der Autobahn verliert sich der menschliche Maßstab. Wälder wie dunkelgrüne Sträucher, Siedlungen wie verschüttete Linsen. Und Wegmarken aus übergroßen Kisten, Lager- und Logistikhallen, die mit knalligem Blech die Autobahnen säumen. Ihr Inhalt bleibt so unsichtbar wie die Menschen, denen die zersiedelte Landschaft gehört. Die Verteilzentren sichern die permanente, schnelle und kostengünstige Verfügbarkeit von Waren – eine Voraussetzung für wirtschaftliche Stärke. Doch ihr Bau hat zwei Seiten: Ihr hoher Flächenbedarf und ihre Großmaßstäblichkeit stehen gegen Umwelt- und Landschaftsinteressen. Und die für ihren Betrieb notwendigen Lkws verlärmen die Landschaft. Andererseits bringt und sichert ein Verteilzentrum Arbeitsplätze. Es stärkt die lokale Wirtschaft. Zwischen Erscheinung und Nutzung der Hallen klafft eine Lücke. Eine architektonisch und städtebaulich interessante Aufgabe. Doch nur selten beauftragen Unternehmen gute Architekten, um diesen Interessenkonflikt mit einer individuellen, für den Ort geeigneten Gestaltung zu lösen. Dass es geht, zeigt ein Verteilzentrum der Gries Deco Company in Niedernberg bei Aschaffenburg, geplant von den Darmstädter netzwerkarchitekten zusammen mit den Automatisierungsexperten und Planern der swisslog.
Denken in Bildern
Das Projekt ist eng verknüpft mit der Geschäftsidee des Bauherrn: Die Gries Deco Company entwickelte 1995 die Marke „DEPOT“ mit einem sehr erfolgreichen Filialkonzept: Möbel und Dekorationsartikel, Kerzen, Kissen und Keramik fügen sich zu atmosphärischen Ensembles und erzeugen assoziativ Bilder verschiedener Lebenswelten. Daraus leiteten die Architekten in Gesprächen mit dem Bauherrn das Motto ab: „Aus dem Kleinen entsteht das Große“. Dem Bauherrn war wichtig, nicht nur die räumlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Bauaufgabe zu sehen, sondern in Bildern zu denken, einem Landschaftsszenario außen, einer attraktiven Arbeitswelt innen.
2010 lud Christian Gries, CEO des Unternehmens, ausgewählte Planerbüros zu einem Wettbewerb für den Neubau eines Hochregallagers, einer Kommissionierung und eines Verwaltungsneubaus. Damals waren weder der Bebauungsplan noch der Standort entschieden. Der Entwurf musste flexibel genug sein, um sich an verschiedene Baulinien und Grundstücke anzupassen. Für den heutigen Standort gab es erst später einen Bürgerentscheid und hohe Auflagen an den Schallschutz, damit die Laster nicht bis in den Ortskern lärmen. netzwerkarchitekten, die Gewinner des Wettbewerbs, ordneten die drei Gebäude um einen Hof und bildeten einen Logistikcampus, der menschliches Arbeiten und automatisierte Prozesse sichtbar verbinden sollte. Der Hof öffnet sich zur Bundesstraße. Gegenüber sollte das Verwaltungsgebäude einen Lärmpuffer und eine Verbindung zwischen Hochregallager und Kommissioniergebäude bilden. Während der Planungen entschied der Bauherr, auf das Verwaltungsgebäude zu verzichten. Die Architekten planten stattdessen eine Lärmschutzwand, die beide Hallengebäude mit einem überdachten Steg verbindet. Der Fokus der Entwurfsidee war die Lösung der drei grundsätzlichen Probleme der großen Volumen: die meist fehlende Ablesbarkeit von Nutzung und Inhalt großer Hallen, ihr kaum zu fassender Maßstab und die fehlende Einbindung in die Landschaft.
Pakete in Himmelsfarben
Die B 469 führt südlich der A3 hinab in ein schmales Maintal. Kurz bevor die Hügel von Odenwald und Spessart direkt in den Fluss fallen, liegt die knapp 5 000-Seelen-Gemeinde Niedernberg. Eine idyllische Landschaft, aber ein ernüchternder erster Eindruck: Zahlreiche profane Hallen und Brachen begleiten die Zufahrt zum kleinen Ort. Am westlichsten Rand, mit Fernwirkung über die Bundesstraße, steht nun das Verteilzentrum der Gries Deco Company.
Die Ausmaße der Gebäude sind riesig, mit fast 9 000 m² und 14 000 m² Grundfläche und einer Höhe von 23,5 bzw. 34,5 m, dazu eine über 100 m lange Lärmschutzwand. Doch die Anlagentechnik im Innern lässt keine kleinteilige Parzellierung der Gebäude zu. So geht es netzwerkarchitekten vor allem um die Wirkung der Volumen nach außen. Sie brechen die großen Gebäudeseiten der beiden Hallen in unterschiedlich kleine Teilflächen auf, die das Auge maßstäblich besser erfassen kann. Diese belegen sie mit verschiedenen Materialien und Lackierungen, fügen sie ungeordnet übereinander und erzeugen damit das Bild gestapelter Pakete – ein Hinweis auf die Nutzung der Gebäude. Im Wettbewerbsentwurf verspringen die Fassadenfelder noch stärker gegeneinander und verstärken so das Bild gestapelter Pakete. Um aber die Idee wirtschaftlich und energetisch sinnvoll auszuführen, setzen die Architekten später alle Flächen bündig vor die Konstruktion. Um dennoch ein Relief und eine deutliche Trennung der Flächen voneinander zu erhalten, ordnen sie 8 und 10 cm breite Schattenfugen hinter die Flächen. So geglättet erinnert die Fassade unweigerlich an die abstrakten Landschaften Mondrians. Die Landschaft spiegelt sich auf dem Material der Flächen: Diese bestehen aus bandbeschichtetem Aluminium in unterschiedlichen Lackierungen von Weiß, Grau bis Schwarz, aus blankgeglühtem, dadurch stärker reflektierendem Edelstahl und aus spiegelnd bedampften Glasflächen. Je nach Tages- und Jahreszeit reflektiert das Licht unterschiedlich auf den Gebäudeseiten und gleicht es den natürlichen Lichtstimmungen und Himmelsfarben an.
Konstruktion der Fassade
Bei Verteilzentren bilden die Hochregallager im Innern meist auch die statisch tragende Gebäudekonstruktion. Die Gebäudehülle besteht daher, wie bei diesem Projekt, meist aus vorgehängten Stahlsandwichpaneelen, die als Klimabarriere wichtig, aber statisch nicht tragend sind. Die Ausführung einer weiteren, gestaltenden Fassadenebene hätte also regulär eine tragende Unterkonstruktion aus Pfosten und Riegeln benötigt. Oder aber eine Verbindung, die sich quer über beide Seiten der Sandwichpaneele schließt und so ein gewisses Gewicht tragen kann. Ersteres wäre auf die enorme Hüllfläche gerechnet sehr teuer. Zweiteres wäre eine Wärmebrücke und unvereinbar mit den hohen energetischen Anforderungen der Wand. Die Architekten planten daher die Aufhängung der kassettenförmigen Fassadenelemente an vertikal verlaufenden U-Aluminium- und U-Stahlprofilen. Diese befestigten sie nicht mittels Querriegeln, sondern direkt an die äußere Stahldeckschale der Sandwichpaneele und bilden so eine materialsparende Unterkonstruktion für eine vorgehängte, hinterlüftete Fassade. Diese Sonderlösung bedurfte zwar eines statischen Nachweises einer Materialprüfungsanstalt, sparte aber bei der Montage der Fassade Zeit und Geld. Denn die einzelnen, 30 cm breiten Metalllamellen einer jeden Kassette ließen sich auf der Baustelle mittels Klicksystem schnell in die U-Profile einhängen.
Trotz Zeit und Kostendruck
Wie bei allen Verteilzentren unterlag auch dieses Projekt einem starken Zeit- und Kostendruck und hohen Platz- und Klimaanforderungen durch die innere Anlagentechnik. So musste sich die Wettbewerbsidee während der Realisierung flexibel Veränderungen anpassen. Doch Oliver Witan von den netzwerkarchitekten resümiert: „Ein Konzept muss stark sein und auch Veränderungen tragen können. Ich denke, das ist unsere Stärke bei netzwerkarchitekten: Wir diskutieren alle Ideen gemeinsam und überprüfen diese schon früh auf ihre Beständigkeit.“ Die Ursprungsidee für die Fassade in Niedernberg bleibt gut ablesbar und zeigt, dass die Vermittlung von Bau und Landschaft auch mit großen Gebäudevolumen möglich ist. Rosa Grewe, Darmstadt