Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie, Phase 2
Nach 50 Jahren sei das so, da müsse man eben ein Haus sanieren. So jedenfalls die Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung BBR, Petra Wesseler, auf der Baustellenführung am 7. November 2017. Das BBR hatte Journalisten eingeladen, die Baustelle der Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie zu besichtigen. 50 Jahre, in denen es nur Reparaturen gegeben hatte, Flickarbeiten an einem Museum, dessen Kunsttempelanspruch unbestritten ist. Doch weil hier nicht bloß massive Steinquader den Tempelraum bilden, sondern eine extrem filigrane Stahl-/Glashaut über kassetierten Betondecken, das Ganze hinter Granit- und Marmorplatten und bemaltem Pressspan, muss das mit dem 50-Jahre-Tournus wohl stimmen. Die ersten durch das BBR durchgeführte Bestandserfassung ergab bauliche und technische Schäden und Mängel, unter anderem gerissene Glasscheiben, gebrochene Granitplatten auf der Terrasse und an der Fassade, nicht nutzbare Rettungswege, Asbest- sowie Vorkommen weiterer Schadstoffe, fehlende Brandschutzabtrennungen, stehendes Wasser auf dem Stahldach über der Ausstellungshalle, defekte Grundleitungen, korrodierter Stahl etc. Darüber hinaus hatten die technischen Anlagen und deren Infrastruktur ihre Lebensdauer überschritten und waren teils nur noch eingeschränkt funktionsfähig. Für einen Kunsttempel dieser Bedeutung zudem bedrohlich: Da das Ausstellungsklima (insbesondere im oberen Ausstellungsraum) und die Sicherheit die heute üblichen internationalen Standards in einem Maße unterschritten, dass ein Leihverkehr nur noch eingeschränkt möglich war, war der Ausstellungsbetrieb derart eingeschränkt, dass man der Bedeutung des von Mies van der Rohe 1965 bis 1968 errichteten Museumsbaus nicht mehr gerecht werden konnte. Dass ebenfalls die Besucher heute mehr erwarten, als eine hinreichende Zahl von Hutablagen, erscheint selbstverständlich.
Konzept der Grundinstandsetzung
Auf Basis der Bestandserfassung des BBR wurde im März 2011 der Beschluss zur Aufstellung einer Entwurfsunterlage (EW-Bau) für eine denkmalgerechte Grundinstandsetzung gefasst. In einem offenen, konkurrierenden Verfahren wurde dafür das Büro David Chipperfield Architects ausgewählt sowie nachfolgend das weitere Planungs- und Beratungsteam gebunden. Unter dem Leitsatz „So viel Mies wie möglich“ wurde seit Mitte 2012 das Konzept der Grundinstandsetzung mit zahlreichen Beteiligten entwickelt (so ist u. a. mit Dirk Lohan auch der Enkel Mies van der Rohes und ehemalige Bauleiter mit dabei). Das Konzept umfasst im Wesentlichen die Verlegung von Nutzungen (Garderobe, Shop, Café etc.) und die Schaffung neuer, unterirdischer Räume (Depots, Ausstellungsvorbereitung etc.). Zudem wird der Kunsttempel erstmals barrierefrei (Rampe außen, Aufzug innen).
Die Sanierung hat im Wesentlichen zwei Schwerpunkte: Einmal wird die schadhafte Fassade saniert, dann der teils schon marode Beton (Wände, Decken). Bei der Fassade werden wie ursprünglich wieder große Scheiben eingebaut (die kommen aus China, allein hier sind die ca. 3,5 x 6 m großformatigen Floatgläser herzustellen). Die Stahlrahmen werden saniert und so gerichtet, dass in Zukunft Spannungsbrüche nicht mehr auftreten sollen. Am Rande erzählt: Im Rahmen der Begutachtung der Stahlrahmen musste man feststellen, dass die vier Eckrahmenleisten nicht wie erwartet aus Vollstahl gefertigt waren, sondern aus zwei L-Profilen. Der Hohlraum in diesen stand voll Wasser.
Bei dem Boden / der Decke verhinderte eine ungewöhnlich randlagige Bewehrung eine sichere statische Berechnung. Um nun die Betonkassettendecke nicht komplett abreißen zu müssen, machte man Belastungstests. Deren überraschend gute Ergebnisse machten die Komplettsanierung überflüssig.
35 000 Puzzleteile
Um nun alle diese Arbeiten ausführen zu können, wurde in der Phase 1 die komplette Außenhülle als auch alle Innenbauteile bis auf den Rohbau demontiert. 35 000 Teile, sämtlich über Zahlencodes im Gesamten verortet, liegen jetzt in Depots und Werkstätten, um hier gesäubert oder restauriert, ertüchtigt und schließlich wieder montiert zu werden. In der im Spätsommer gestarteten und zurzeit laufenden Phase 2 wird der Rohbau saniert um schließlich in Phase 3 wieder mit den Originalteilen verkleidet zu werden.
2020 soll der Kunststempel wieder geöffnet werden. Ob die genehmigten Kosten von 101 Mio. € plus 9 Mio. € Risikoabdeckung reichen werden? Mit 10 bis 20 Prozent Risikoanteil muss man rechnen, so der Projektleiter beim BBR, Arne Maibohm. Er erklärte auch, dass die Einschränkungen, die die denkmalgerechte Sanierung der Fassaden mit sich bringen, durch die Optimierung der klimatechnischen Anlagen ausgeglichen werden. Zudem sei „eine saisonal angepasste Nutzung des Hauses“ vorgesehen. Das ist das schönste Statement in einer Zeit, in der das, was technisch möglich ist, auch umgesetzt wird. Muss aber gar nicht! Be. K.