Gut geplant ist halb befördert
Verkehrsplanung in öffentlichen Gebäuden

So verschieden die Anforderungen bei der Planung von Einkaufszentren, großen Hotels und Bürokomplexen, Krankenhäusern oder Bahnhöfen auch sein mögen - eines haben all diese Gebäudetypen gemeinsam:

Sie müs­sen in der Lage sein, zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich große Menschenmengen im Gebäude zu befördern. Um das zu gewährleisten, werden in einem frühen Planungsstadium Verkehrsanalysen durchgeführt. Art, Umfang und Zyklen zu erwartender Menschenströme in einem Gebäude können so genau berechnet werden. Wird auf eine Verkehrsanalyse verzichtet, besteht das Risiko, dass das Gebäude die aufkommenden Verkehrsströme nicht bewältigen kann und bestimmte Etagen nicht optimal erschlossen werden.

Experten frühzeitig einbinden

Bewegungsströme müssen fließen. Lange Wartezeiten vor Aufzügen, übervolle Kabinen und Gedränge in den Stauräumen und Verkehrsflächen von öffentlichen Gebäuden sind untrügliche Anzeichen dafür, dass in der Planungsphase nicht ausreichend über die richtige Dimensionierung und Ausstattung der Verkehrsanlagen nachgedacht wurde.

Derartige Probleme sind im Nachhinein nur schwer zu korrigieren. Aber sie üben einen entscheidenden Einfluss auf die Attraktivität und somit auf die Vermietbarkeit des Gebäudes aus.

Je mehr Publikumsverkehr ein Gebäude haben wird, desto wichtiger ist es, die zu erwartenden Verkehrsströme im Vorfeld zu planen. Eine sogenannte Verkehrsanalyse oder Verkehrsberechnung wird von Fachplanern und Aufzugsherstellern angeboten. Dabei werden alle Eckdaten der geplanten Gebäude, deren Nutzung und Funktionstypen und die zu erwartenden Besucherströme in ein Berechnungs- und Simulationsprogramm einge­geben. Dieses errechnet die erforderliche Anzahl und Art der Anlagen mit entsprechen­der Förderleistung. Verschiedene Lösungsansätze sind unter dem Einfluss veränderbarer Parameter sofort überprüfbar. Auch außergewöhnliche Situationen, wie zum Beispiel starker Besucher­verkehr und der gleichzeitige Ausfall eines oder mehrerer Aufzüge, können am Computer durchgespielt und bei der anschließenden Projektierung berücksichtigt werden.

Die für die Durchführung einer Verkehrsberechnung erforderliche Software ist schwer auf dem freien Markt erhältlich. Die großen Aufzugshersteller haben dafür eigene Programme mit unterschiedlichen Funktionalitäten entwickelt. Viele der unabhängigen
Planungsbüros arbeiten mit von Aufzugsunternehmen entwickelten Programmen, die auch Verkehrsströme in komplexen Gebäudetypen berechnen und simulieren können. Die Ergebnisse einer Verkehrsberechnung sind aber nicht produktspezifisch, sondern beruhen auf neutralen, wissenschaftlich nachvollziehbaren Kennziffern.

Kennziffern für Mobilität

Was Besuchern eines Gebäudes immer negativ auffällt, sind Menschentrauben und lange Wartezeiten vor dem Aufzug. Wichtige Kennziffern sind daher die Warte- und Zielzeit. Diese beziehen sich auf eine einzelne zu transportierende Person und werden wie folgt definiert: Bei der Wartezeit handelt es sich um die  Zeitdauer von der Eingabe des Stockwerkrufs bis zum Öffnen der Aufzugstür auf dem Ein-stiegs­stockwerk. Die Zielzeit ist dementsprechend die Zeitdauer bis sich die Tür des Aufzugs auf dem Zielstockwerk zu öffnen beginnt. Durchschnittliche Wartezeiten in Wohngebäuden betragen 60 Sekunden, in Bürogebäuden 30 Sekunden und in öffentlichen Gebäuden mit hohem Besucherverkehr, wie zum Beispiel Einkaufszentren, sollte die Wartezeit nicht mehr als 25 Sekunden betragen.

Weitere wichtige Parameter sind Ankunftsrate und Transportkapazität. Auch hier geht es darum, einen Beförderungsstau vor den Aufzügen gar nicht erst entstehen zu lassen. Die Ankunftsrate beschreibt, wie viele Passagiere in einer Beobachtungsperiode bei einem Aufzug oder einer Aufzugsgruppe ankommen, um transportiert zu werden. Im Unterschied dazu ist die Transportkapazität die Anzahl der tatsächlich transportierten Passagiere. Solange die Aufzugsgruppe in der Lage ist, alle ankommenden Fahrgäste zu transportieren, ohne dass sich Warteschlangen bilden, sind Ankunftsrate und Transportkapazität gleich.

Die Transportkapazität wird gemessen mit den Kennziffern P5 und HC5 (handling capacity). P5 beschreibt die Anzahl Personen, welche durchschnittlich innerhalb von 5 Minuten transportiert wird. HC5 ist der Prozentsatz der Population auf den durch die Aufzugsgruppe bedienten Stockwerken, welcher durchschnitt­lich innerhalb von 5 Minuten transportiert wird. Das heißt, wenn eine Aufzugsgruppe Stockwerke mit einer Population von 1 000 Personen bedient und dabei 600 Passagiere innerhalb von 30 Minuten transportiert, hat sie einen P5 von 100 Personen und HC5 von 10 %. Das ist gegebenenfalls nicht ausreichend, je nach Gebäudenutzung könnte ein HC5-Wert von 20 % erforderlich sein. Der Standardwert ist 15 %.

Fahrtreppen für die Massen, Aufzüge für

Barrierefreiheit

Bei diesen Zahlen wird schon deutlich, dass Aufzüge alleine für die Bewältigung von Mas­senverkehr in Gebäuden nicht das geeignete Transportmittel sind. In Bahnhöfen und auch Einkaufszentren übernehmen vorrangig Fahr-treppen und Fahrsteige diese Aufgabe. Der HC5 von Fahrtreppen beträgt in der Regel 100 %. Wenn ein erhöhter Transportbedarf ­besteht, kann die Geschwindigkeit der Fahr­treppe verändert werden. Das vom Gesetzgeber erlaubte Spektrum reicht von 0,5 m/sec (1,8 km/h) in Kaufhäusern und Einkaufszentren bis maximal 0,75 m/sec (2,7 km/h) in stark frequentierten Verkehrsbahnhöfen.

Trotzdem dürfen Aufzüge auch in Bahn­höfen und Einkaufszentren nicht fehlen. Denn öffentliche Anlagen mit Besucherverkehr sind barrierefrei zu planen, so dass Behinderte, ältere Menschen und Eltern mit Kinderwagen sie problemlos nutzen können. In den entsprechenden Bauvorschriften der Länder sind diese Anforderungen genau definiert. Für den Eingangsbereich sind schwellenlose Zugänge und Türdurchgangsbreiten von mindestens 0,90 bis 0,95 m vorgeschrieben. Rampen sollten eine maximale Steigung von 5 - 6 % nicht überschreiten und ohne Zwischenpodest nicht länger als sechs Meter sein. Sprechanlagen, automatische Öffnungshilfen oder Schiebetüren sind zusätzliche Hilfen für einen barrierefreien Zugang.

Der rollstuhlgerechte Aufzug darf nach EN 81-70 die Minima von 1,00 x 1,25 m nicht unterschreiten und muss auch eine Bedienung im Sitzen ermöglichen. Vor dem Aufzug und in Flurzonen muss ein Wendekreis für Rollstuhlfahrer von 1,50 mberücksichtigt werden.

Stellschraube Aufzugstechnik

Kommen wir zurück zu den Berechnungswer­ten Ankunftszeit, Transportkapazität, Wartezeit und Zielzeit. Diese können durch die Kombination mit weiteren Parametern verändert und angepasst werden. Wenn an der Gebäudeplanung nichts mehr geändert werden soll, ist die Aufzugstechnik die einzige Stellschraube, an der gedreht werden kann.

Erster Punkt, über den nachgedacht werden sollte, ist die Anzahl der erforderlichen Aufzüge. Bei Gebäuden mit einem hohen Besucher­aufkommen ist ein Aufzug allein hoffnungslos überfordert. Der Ausfall dieses einen Aufzuges durch Wartung oder Reparatur würde zum Verkehrskollaps führen. Aufzugsgruppen von zwei bis sechs Aufzügen sind daher dringend empfehlenswert. In Kombination mit einer intelligenten Gruppensteuerung lässt sich die Förderleistung weiter erhöhen. Die Steuerung ermittelt nach dem Eingehen eines Etagenrufes den Aufzug, der den Ruf am schnellsten bedienen kann.

Noch effektiver und besonders empfehlenswert für große Gebäude mit viel Besucher­verkehr ist eine sogenannte Zielrufsteuerung. Die Fahrgäste geben dabei nicht erst im Fahrkorb, sondern schon vorher ihre ­Zieletage ein und bekommen einen entsprechenden Aufzug zugewiesen. So lenkt das System Besucherströme bereits im Eingangsbereich und sorgt für eine optimale Auslastung der Aufzugsanlagen.

Weitere veränderbare Parameter sind die Größe des Fahrkorbes, die Art des Antriebes, die Fördergeschwindigkeit sowie die Öffnungs- und Schließzeiten der Aufzugstüren. All dies lässt sich in einem Programm zur Verkehrsbe­rechnung einstellen und der Erfolg der Maß­nah­me grafisch darstellen.

Jede Analyse betrachtet einen kompletten Bereich von Ankunftsraten und verwendet Werte für Transportkapazität sowie durchschnittliche Wartezeit als die wichtigsten Kriterien. Als allgemeine Richtlinie definiert Schindler eine Bewertung im Bereich 0.0 ­(am schlechtesten) bis 6.0 (am besten).

Fazit

Verkehrsberechnungen sind ein wichtiges Werkzeug bei der Planung von öffentlichen Gebäuden mit Besucherverkehr. Es ist em­pfeh­lenswert, bereits in einem frühen Planungs­­stadium die zu erwartenden Verkehrsströme zu berechnen und die Gebäudeplanung darauf abzustimmen. Wenn die Planungszeichnungen fertig sind, ist es meist zu spät.

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