Gut geplant ist halb befördert
Effiziente Aufzugstechnik im Hochhaus

Während 500 m hohe Gebäude mit rund 100 Etagen in Hong Kong oder Dubai keine Seltenheit sind, erreicht der Messeturm Frankfurt, bei seiner Fertigstellung das höchste Gebäude Europas, gerade einmal 256 m. Trotzdem ist die Planung von Hochhäusern  hierzulande keine Spezial­disziplin. Denn die gesetzlich definierte Hochhausgrenze von 22 m ist schnell erreicht. Die richtige Konzeptionierung von Aufzügen ist also nicht nur für international tätige Büros relevant.

Die gängigen Standardaufzugsmodelle sind für den Großteil der deutschen Projekte bereits ausreichend leistungsfähig. Darüber
hinaus gibt es spezielle Aufzugsmodelle für den High-Rise-Bereich. Sie zeichnen sich durch ein genau auf die Einbausituation abgestimmtes Antriebs-, Steuerungs- und Regelungssystem ab. Diese Modelle können Geschwindigkeiten bis zu 10 m/s und Nutzlasten bis zu 4 000 kg erreichen.

Am Anfang steht die Verkehrsanalyse

Um lange Wartezeiten vor Aufzügen, übervolle Kabinen und Gedränge in den Stauräumen und Verkehrsflächen innerhalb eines Gebäudes zu vermeiden ist es wichtig, die zu erwartenden Verkehrsströme im Vorfeld zu planen. Dazu bieten Fachplaner und Aufzugshersteller sogenannte Verkehrsanalysen oder Verkehrsberechnungen an. Dabei werden alle Eckdaten des geplanten Gebäudes, dessen Nutzung, Funktionstypen und die zu erwartenden Besucherströme in ein Berechnungs- und Simulationsprogramm eingegeben.

Mit zusätzlichen Parametern wie Aufzugstyp, ­Anzahl der Anlagen und Zeiten für die Aufzugstürenzyklen ermittelt dieses dann entsprechende Förderleistungen. Auch außer­gewöhnliche Situationen, wie z. B. starker Besucherverkehr und der gleichzeitige Ausfall eines oder mehrerer Aufzüge, können am Computer durchgespielt und anschließend bei der Projektierung berücksichtigt werden.

Wichtige Kenndaten für die Beurteilung des Verkehrsflusses sind Ankunftsrate und Transportkapazität. Die Ankunftsrate beschreibt, wie viele Passagiere in einer definierten Beobachtungsperiode bei einem Aufzug oder einer Aufzugsgruppe ankommen, um transportiert zu werden. Im Unterschied dazu ist die Transportkapazität die Anzahl der tatsächlich beförderten Passagiere. Solange die Aufzugsgruppe in der Lage ist, alle ankommenden Fahrgäste zu transportieren, ohne dass sich Warteschlangen bilden, sind Ankunftsrate und Transportkapazität gleich. Als durchschnittliche Wartezeit – also der Zeit von der Eingabe des Stockwerkrufs bis sich die Tür auf dem Einstiegsstockwerk zu öffnen beginnt – gelten in Bürohäusern 30 Sekunden als akzeptabel.

Wesentliches für die Entwurfsplanung

Wichtige Daten zu Schachtabmessungen, Kabinengrößen oder Maschinenräumen finden Planer in den Unterlagen der Hersteller. Daneben liefert die Muster-Hochhaus-Richt­linie einige entscheidende Eckpunkte. Sie gibt beispielsweise vor, dass jedes Stockwerk mindes­tens von zwei Aufzügen angefahren werden muss. Eine einzelne Anlage scheidet also unabhängig von der Objektgröße von vorneherein aus. Obligatorisch sind Aufzugsvorräume vor jeder Fahrschachttür, die einen unmittelbaren Zugang zu einem notwendigen Treppenraum gewährleisten. Auch einen Feuerwehraufzug mit spezieller Ausstattung und Halt auf jeder Etage sieht die Richtlinie vor.

Für einen effizienten Betrieb werden Personenaufzüge bei Hochhausprojekten in Gruppen von zwei bis zu zehn oder mehr Anlagen zusammengefasst. Sie sollten grund­sätzlich in der Nähe des Eingangsbereiches und mit direktem Zugang zu Fluren angeordnet werden. Häufig sind sogenannte Breitkabinen ausgeführt. Sie haben einen nahezu quadratischen Grundriss, gewährleisten einen möglichst schnellen Ein- und Ausstieg und sind ideal für hohes Verkehrsaufkommen.

Nicht in die Verkehrs­berechnung mit einbezogen werden sollten Panorama- und Glasaufzüge. Sie sind Ausdruck einer repräsentativen Architektur und werden in Größe und Form eher durch den Entwurf als durch die Transportkapazität bestimmt. Ohnehin können hohe Fahrgeschwin­digkeiten und Höhenangst unnötigen Stress bei der Nutzung von Glasaufzügen erzeugen. Lastenaufzügen kommt hingegen eine wichtige Funktion im Mobilitätskonzept zu. Dabei bietet es sich an, einen oder mehrere der Lastenaufzüge zusätzlich als Feuerwehraufzug auszustatten.

Per Express hoch hinauf

Je nach Nutzung, Verkehrsaufkommen und Gebäudehöhe werden den Personenaufzügen unterschiedliche Funktionen zugewiesen. Die Grundidee: Bedient eine Anlage nicht alle Etagen, können die Fahrgäste ihr Ziel mit weniger Zwischenstopps und damit bedeutend schneller erreichen. Unter Nahgruppen versteht man Aufzüge, die nur die untere Gebäudehälfte, beispielsweise die ersten 20 Stockwerke anfahren. Ferngruppen bedienen dementsprechend den oberen Gebäudeteil. Ab ca. 40 Stockwerken können zusätzliche Mittelgruppen sinnvoll sein. Um das Umsteigen zu erleichtern, kann in der Planung auch berücksichtigt werden, dass mindestens eine Haltestelle von zwei Gruppen gemeinsam erschlossen wird. Gebäude mit mehr als 30 Etagen können zusätzlich mit Expressaufzügen ausgerüstet werden, die nur bestimmte Stockwerke bedienen. Durch den Einsatz von Doppeldeck-Kabinen lässt sich die Beförderungskapazität deutlich erhöhen. Dabei sind zwei Kabinen übereinander angeordnet, so dass gleichzeitig zwei Etagen angefahren werden können. In der Einstiegsetage, in der Regel das Foyer, werden dann leistungsfähige Fahr­treppen installiert, die Fahrgästen den Zugang zu einem darüber­liegenden Galeriegeschoss und damit zur oberen Kabine ermöglichen.

Wichtig für den Planer: Auch bei Aufzugsfahrten durch einen sogenannten „toten Schacht“ muss der Zugang zur Anlage – und damit die Personenbefreiung – gewährleistet sein. Solche Situationen entstehen unter anderem, wenn eine Aufzugsanlage der Mittelgruppe den Zonenbereich der Nahgruppe durchfährt und in diesem Bereich keine Aufzugsschachttüren hat. Hier gibt die europäische Aufzugsnorm DIN EN 81-1 klar die Maß­nahmen vor, die umzusetzen sind, wenn
der Abstand zweier übereinanderliegender Schwellen von Schachttüren größer als 11 m ist. Eine Maßnahme ist der Einsatz von Nottüren in den „toten“ Etagen. Alternativ können nebeneinander fahrende Aufzugsanlagen mit sogenannten Notübersteigetüren ausgerüstet werden.

Der Lotse im Haus

Neben hohen Geschwindigkeiten und Transportkapazitäten leisten Steuerungssysteme einen entscheidenden Beitrag zum flüssigen Besucherstrom und optimieren die Auslastung der Aufzugsgruppen. Durch die Kombination mit einer intelligenten Gruppen­steuerung lässt sich die Förderleistung deutlich erhöhen. Die Steuerung ermittelt nach dem Eingehen eines Etagenrufes den Aufzug, der den Ruf am schnellsten bedienen kann.

Weitere Optimierung ermöglichen Verkehrsmanagementsysteme. Diese ermöglichen es, dass jede Aufzugsfahrt mit möglichst wenigen Zwischenstopps zum Ziel führt. Zu diesem Zweck gibt der Fahrgast bereits auf dem Weg zum Aufzug an einem Etagenterminal das gewünschte Stockwerk ein. Das System errechnet dann die schnellste Verbindung. Es gruppiert übereinstimmende Fahrtwünsche und weist dem Besucher den entsprechenden Aufzug zu. Im Verhältnis zu einer herkömmlichen Steuerung wird dadurch die Leistungsfähigkeit um bis zu 30 % gesteigert. Ein Beispiel dafür ist der höchste Wolkenkratzer Hong Kongs, das 2010 eröffnete International Commerce Center (ICC Tower). Als eines der ersten Gebäude wurde es mit dem Verkehrsmanagementsystem PORT ausgestattet. Nicht nur, damit die Personen in dem 484 m hohen Gebäude schnell zu ihrem Ziel kommen. Jährlich werden zudem 85 000 kWh Strom eingespart – allein dadurch, dass das System die Hälfte der Auf­züge in Zeiten mit wenig Verkehr stilllegt.

Noch effizienter kann das System arbeiten, wenn sich die Nutzer mit einem Identifikationsmedium – beispielsweise einer Code-Karte – ausweisen. Über das PORT-System lässt sich nicht nur der Zutritt zu bestimmten Etagen kontrollieren, es kann dem Nutzer über ein Display auch den Weg durchs Gebäude zeigen oder die Flurbeleuchtung steuern. Zusätzlich können auf dem Identifikationsmedium besondere Wünsche gespeichert werden, so dass zum Beispiel Rollstuhlfahrern leere Kabinen zugeteilt werden und sich Türöffnungszeiten automatisch verlängern.

Aufzugstechnik für Greenbuildings

Nachhaltigkeitszertifikate wie DGNB oder das amerikanische LEED-System haben sich im High-Rise-Bereich zum Standard entwickelt. Sie tragen zu einer erfolgreichen Vermarktung und Vermietbarkeit bei. Bei Bürotürmen haben die Aufzüge einen Anteil von bis zu 15 % am Gesamtenergieverbrauch des Gebäudes – im Rahmen der Zertifizierung sind Einsparpotenziale hier also durchaus relevant. Für Transparenz und Vergleichbarkeit beim Stromverbrauch sorgen Energieeffi­zienzklassen von A = sehr gut bis G = schlecht. Das aus dem Alltag bekannte Bewertungs-system wurde für Aufzüge im Jahr 2009 auf Grundlage der VDI-4707 eingeführt.

Regenerativer Antrieb ist lohnenswert

Heute bewegen sich alle gängigen Neuanlagen im Bereich der Energieeffizienz­klas­sen B bis A. Auch bei einer Modernisierung oder einem Austausch kann der Energieverbrauch durch gezielte, auf die jeweilige Anwendung abgestimmte Maßnahmen gesenkt werden. Mit energiesparenden getriebelosen Antrieben und elektronischen Steuerungen kann der Energieaufwand beim Betrieb deutlich gesenkt werden. Strom sparende LEDs als Kabinenbeleuchtung gehören im High-Rise-Bereich inzwischen zum Standard.

Wenn es um Einsparungspotentiale bei Aufzügen geht, ist häufig auch vom Einbau eines regenerativen Antriebs die Rede. Dabei können durch einen Wechselrichter beim Abbremsen und Beschleunigen der Anlage bis zu 40 % der Energie ins Stromnetz rückgespeist werden. Der Rückgewinnungseffekt entsteht bei schwer beladenen Kabinen in der Abwärtsfahrt, aber auch wenn die Kabinen in der Aufwärtsfahrt leichter sind als das Gegengewicht. Der Einsatz lohnt sich jedoch nicht immer. Zwar ist in Hochhäusern die notwendige Förderhöhe gegeben, doch spielt auch die Nutzung des Aufzuges eine Rolle. Als Richtwert kann eine Mindestzahl 100 000 Fahrten pro Jahr angenommen werden.

Nachhaltigkeit hat viele Dimensionen

Neben der Energieeffizienz stellen die Zertifizierungsgesellschaften ebenso hohe Anforderungen an die verwendeten Materialien und fordern Arbeitsweisen und Baustoffe, die sowohl für die menschliche Gesundheit, als auch für die Umwelt unbedenklich sind. Aufgrund der Komplexität der Materie kommt der Auswahl eines kompetenten Aufzugsunternehmens, das mit den Anforderungen und Abläufen der Zertifizierung vertraut ist, daher eine hohe Bedeutung zu. Bei der Wahl des Herstellers sollten Architekten auf eine Zertifizierung nach der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 achten.

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