Module machen Schule

Gymnasium Nord, Frankfurt a. M.

In Frankfurt steigen wie in anderen deutschen Großstädten die Einwohner- und damit die Schülerzahlen, sodass die Stadt in den nächsten Jahren zusätzliche Schulen fertigstellen muss. Um dem Zeitdruck zu begegnen, setzen die Verantwortlichen bei neuen Gebäuden zunehmend auf eine modulare Bauweise aus Holz. So auch beim Gymnasium Nord, das als Übergangslösung im Stadtteil Westhausen innerhalb weniger Monate aus Holz-Beton-Hybridmodulen errichtet wurde, bis ein endgültiger Standort für die Schule feststeht. Dabei geht die Qualität des Baus weit über ein Provisorium hinaus.

Für einen Holzmodulbau haben wir uns entschieden, weil uns Holz als regenerativer Baustoff wichtig ist. Außerdem ist die Atmosphäre in Holzbauten sehr angenehm. Auf der Baustelle hat uns besonders gut gefallen, dass dort so viele holzaffine Menschen arbeiteten. Das war ein gutes Miteinander. Es ist unser erstes Projekt als Modulbau. Wir sind begeistert, wie hoch die Qualität der Module ist und sind erstaunt, wie wenig modular das Gebäude aussieht. Beim Gymnasium Nord konnten wir in einer kurzen Bauzeit eine hohe Architekturqualität umsetzen. Dabei sind wir mit der Modulbauweise flexibel – können den Bau bei Bedarf problemlos erweitern oder wieder verkleinern. Wir haben nun einige Anfragen zu weiteren Modulbauten.«⇥Jon Prengel, Architekt


Eine breite, von einem kleinen Birkenhain eingerahmte Treppe führt von der Schulbushaltestelle im Nordosten des Grundstücks zum Schulgelände auf einer kleinen Anhöhe. Oben angekommen, öffnet sich ein großer Eingangsplatz mit dem dreigeschossigen Schulhaus, das zurzeit aus dem mittleren Haupttrakt und dem Seitenflügel auf der linken Seite besteht. Der eigentliche Entwurf sieht allerdings ein achsensymmetrisches Gebäude mit zwei Seitentrakten vor, die dem Motiv von öffnenden Armen als Willkommensgeste folgen. Wann der rechte Flügel realisiert wird, steht noch nicht fest. Aber auch ohne den noch fehlenden Bauteil fühlt sich der Betrachter gleich von einer beruhigenden Struktur empfangen, denn die Klarheit der Kubatur wird durch die Gestaltung der Gebäudehülle unterstützt: Die Bekleidung aus vorvergrauten Weißtannenleisten gibt der Fassade zusammen mit den schmalen raumhohen Fenstern mit Laibungen und Profilen aus Aluminium einen ansprechenden Rhythmus.

Da eine Schule heute nicht ohne eine Mensa und eine Sporthalle auskommt, sind diese Bauten ebenfalls Teil des neuen Schulstandorts. Die beiden quaderförmigen Gebäude befinden sich auf der anderen Seite des Schulhauses. Dort setzt sich auch das Materialduo aus vorvergrautem Weißtannenholz und eloxiertem Aluminiumblech fort. Bei der Mensa dreht sich die Materialwahl allerdings um: Das primäre Fassadenmaterial sind gelochte Profilplatten aus Aluminium mit Fenstern aus Holz. Bei der Sporthalle sind beide Materialien nahezu gleichmäßig verteilt, sodass das Erdgeschoss mit Holz bekleidet ist, während die hohen Hallenbauteile eine Aluminiumfassade erhielten. Damit entsteht ein harmonisches und klar strukturiertes Gesamtensemble auf dem Campus.

Im Inneren der Schule setzt sich diese stringente Ordnung in der eindeutigen Grundrisseinteilung fort. Die an den Längsseiten verbundenen beiden Gebäudeteile sind als Dreibund organisiert: An den Außenwänden sind die 60 Klassenzimmer für rund 1 500 Schüler, Räume der Schulverwaltung und das Lehrerzimmer angeordnet. In der Mittelzone befinden sich die Sanitär-, Technik- und Lagerbereiche sowie kleinere Facharbeitsräume. Begrünte Innenhöfe versorgen die Mittelzone und die Schulflure mit viel Tageslicht. Zu der einfachen Gebäudestruktur passt die unaufgeregte Gestaltung der Räume, denn Fichtenholzoberflächen, lediglich weiß lasiert, bestimmen im Inneren das Bild. Ergänzt werden diese durch grüne und ­anthrazitfarbene Linoleumböden sowie abgehängte Metalldecken, unter denen die Haustechnik verborgen ist. Mit der Klarheit der Architektur, der guten Orientierung im Inneren sowie der Konzentration auf wenige Materialien entsteht so ein ­attraktiver Ort zum Lernen und Leben sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer. Und das sind genau die Qualitäten, die die Stadt Frankfurt von ihren Schulbauten fordert.

Ein individueller Schulcampus als Interimslösung

Der Entwurf stammt von der Arbeitsgemeinschaft Raumwerk & Spreen Architekten, mit dem sie ein 2016 von der Stadt Frankfurt ausgeschriebenes Vergabeverfahren mit integriertem Wettbewerb für den neuen Schulcampus des Gymnasiums Frankfurt Nord gewinnen konnten. Das Gymnasium war erst 2016 für die nördlichen Stadtteile gegründet worden, nachdem die Schulplaner festgestellt hatten, dass die Zahl der Gymnasiasten in den kommenden fünf Jahren stark steigen würde. Da die Stadt aber über einen langen Zeitraum die Planung neuer Schulhäuser versäumt hatte, fehlte für das neue Gymnasium ein passendes Gebäude. Nun musste also eine schnelle bauliche Lösung her. Als Grundstück wurde eine ehemalige Friedhofserweiterungsfläche im Stadtteil Praunheim auserkoren, bis der endgültige Standort der Schule in den nächsten Jahren feststeht. Um eine zügige Fertigstellung zu erreichen, sahen die Wettbewerbsbedingungen vor, die Schule als Provisorium in einer entsprechenden Bauweise zu errichten. Zudem sollte nicht nur das Schulgebäude, sondern ebenso eine Mensa und eine Dreifachturnhalle geplant sowie ein bereits auf dem Areal befindlicher Schulpavillon des Gymnasiums berücksichtigt werden. Als Baustoff favorisierte die Stadt Holz, einerseits aus ökologischen Gründen, andererseits, weil das Material eine angenehme Haptik und Optik bietet und für eine gute Raumatmosphäre sorgt. Die im Wettbewerb siegreichen Raumwerk & Spreen Architekten boten mit ihrem Entwurf eine sowohl architektonisch anspruchsvolle als auch städtebaulich gelungene Lösung. „Unsere grundlegende Idee ist, dass wir die zwei angrenzenden Stadtteile mit unserem Schulcampus verbinden wollen“, erklärt Jon Prengel, Geschäftsführer bei Raumwerk Architekten. Eine breite Magistrale verknüpft daher die drei neuen Baukörper für Gymnasium, Mensa und Sporthalle, den Bestandsbau sowie die Wohnquartiere im Norden und Süden. Gleichzeitig entstehen mit der Campusquerachse differenzierte Außenräume für die Schüler. „Was die Konstruktion der Neubauten betrifft, war klar, dass Holz das Material der Wahl war“, fährt der Architekt fort. „Außerdem musste die Schule in kurzer Zeit gebaut werden. Wir wollten aber nicht auf gestalterische Freiheiten verzichten und für zukünftige Anpassungen des Gebäudes flexibel bleiben. Daher schlugen wir vor, das komplette Schulhaus in Holzmodulbauweise zu realisieren.“ Den Auftrag hierfür erhielt das Unternehmen Erne AG Holzbau aus Laufenburg in der Schweiz, ein Spezialist für dreidimensionale Raumzellen aus Holz.

Hohe Behaglichkeit dank hybrider Modulkonstruktion

Als nachwachsender Rohstoff gehört Holz heute zu den beliebtesten Baumaterialien für Gebäude, allerdings ist bei diesen unbedingt der sommerliche Wärmeschutz zu beachten. Jon Prengel: „Aufgrund der fehlenden Speicherfähigkeit des Baustoffs ist bei Holzmodulbauten im Sommer eine Überhitzung der Räume möglich. Daher kommen bei unserem Projekt Holz-Beton-Hybridmodule zum Einsatz.“ Der Clou bei diesen besonderen Erne-Modulen ist der Deckenaufbau mit einer 8 cm dicken Betonschicht. Sie sorgt für einen guten Schall- sowie hohen Brandschutz und wirkt als passive Wärmespeichermasse. Der Hersteller kombiniert also das geringe Gewicht und die hohe Zugfestigkeit von Holz mit der Druckfestigkeit und der Masse von Beton in einem Tragelement. In die Holz-Beton-Verbunddecke ist zudem ein mit Wasserleitungen funktionierendes Heiz- und Kühlsystem integriert. Der aktivierte Beton nimmt die Temperatur des Wassers auf und gibt sie langsam an den Raum ab. Im Winter wird so die Raumluft erwärmt, im Sommer gekühlt. Bei Spitzentemperaturen klimatisiert zusätzlich verwirbelte Luft die Klassenräume. Laut Hersteller sind mit der Kombination aus Holz, Beton und der Deckenklimatisierung Energieeinsparungen von bis zu 30 % im Vergleich zu herkömmlichen Klimatisierungsanlagen möglich.

Gute Vorplanung bedeutet kürzere Bauzeit

Die Vorfertigung der Module für das Gymnasium Nord erfolgte am Erne-Standort im schweizerischen Stein. Neben dem Tragwerk mit der Holz-Beton-Verbunddecke erhielten die 9 bzw. 18 m  langen, 2,80 m breiten und 3 m hohen Elemente dort unter anderem bereits alle Wandoberflächen, die Fenster sowie Haustechnikkomponenten. Zu rund 70 % wurden die Module fertiggestellt. Da die Vorfabrikation industriell unter geschützten Bedingungen geschieht, sind die Raumzellen von einer hohen Ausführungsqualität. „An den Fenstern sieht man beispielsweise, welche Präzision durch die Herstellung im Werk möglich ist: Sie sitzen millimetergenau in der Außenwand“, sagt Jon Prengel. Außerdem habe man als Auftraggeber mithilfe der Vorfabrikation eine Kosten- und Terminsicherheit. Allerdings, so der Architekt, müsse man etwas mehr Zeit in die Planung investieren, damit später auf der Baustelle alles reibungslos funktioniere. Vor allem was den Transport und die Baustellenlogistik betrifft, ist eine gute Vorplanung zu leisten. Bedingt durch die enge Zufahrt zur Schulbaustelle in Frankfurt konnte jeweils nur ein Schwertransporter mit einem Modul hochfahren. Ein Kran hob dann das bis zu 22 t schwere Element herunter. War der Lkw weg, lieferte der nächste sein Modul ab. Pro Tag konnten so fünf Module abgeladen und sofort montiert werden. Insgesamt 210 Module wurden in der Schweiz vorgefertigt und nach Deutschland zur Baustelle transportiert. Zwischenzeitlich war der Bau sogar Europas größte Schule in Holzmodulbauweise. „Alle Elemente sind gleich – es gibt also keine Spezialmodule für Sanitärbereiche oder Klassenräume“, betont Prengel. Die gewünschten Raumgrößen entstehen einfach durch das Zusammenfügen der einzelnen Zellen: Drei Elemente ergeben zum Beispiel ein 60 m2 großes Klassenzimmer.

Nach neun Monaten Bauzeit konnte der erste Bauabschnitt zum Schuljahr 2018/19 in Betrieb genommen werden, der zweite ein Jahr später nach nur fünf Monaten Bauzeit. Schüler wie Lehrer fühlen sich in ihrem Gebäude rundum wohl. Wie lange das Gymnasium Nord dort bleibt, ist allerdings unklar. Sollte es dennoch an einen endgültigen Standort umziehen, kann der Modulbau als Ausweichquartier für andere Schulen dienen. Oder er zieht einfach selbst auf ein anderes Grundstück, denn darauf sind die Raumzellen konstruktiv bereits vorbereitet.

                                                         Alexandra Busch, Darmstadt

Projektdaten

Standort: Muckermannstrasse 1, Frankfurt am Main

Bauherr: Stadt Frankfurt am Main Amt für Bau und Immobilien

Architekten: ARGE Raumwerk & Spreen Architekten – Raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH, Frankfurt a.M., www.raumwerk.net und Spreen Architekten Partnerschaft mbB, München, www.spreen-architekten.de

Team: Jon Prengel, Sonja Moers, Thorsten Wagner, Jan Spreen, Angela Spreen, Sophie Diener, Pascal Lurk, Nikolai Billing, Stephanie Schimmel,

Paul Frank (Bauleitung BGG Architekten + Ingenieure)

Bauzeit:

BA 1  = März 2018 – August 2018

BA 2 = Februar 2019 – Juli 2019

 

Fachplaner

Tragwerksplaner: merz kley Partner ZT GmbH, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

TGA-Planer: IB Schmid Janutin

 

Projektdaten

Nutzfläche Schule: 5 400 m²

BGF: Schule 8 900 m², Mensa 1 500 m2, Dreifeldhall e 2 250 m2

BRI: Schule 20 675 m³

 

Raummodule

Konstruktion: Raummodule mit Holz-Beton-Hybrid Konstruktion

Holzmodulbau/GU: Erne AG Holzbau, Laufenburg/CH, www.erne.net

Anzahl Module: 210

Abmessungen: 2,80 x 18,0m

Vorfertigungsgrad: 70 %, Raummodule inkl. Fenster und Vorinstallation der Haustechnik

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht im DBZ Sonderheft Modulbau 2019. Hier finden Sie Projektberichte, Fachbeiträge und Interviews mit Architekten zum Modularen Bauen.

Das komplette Heft gibt es kostenlos zum Download unter: DBZ Sonderheft Modulbau 2019

Lesen Sie auch DBZ Sonderheft Modulbau 2018: DBZ Sonderheft Modulbau 2018

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