Hans Hollein. Alles ist Architektur … oder?

Es muss etwas mit der Kulturgeschichte zu tun haben, mit dem Wetter, der Landschaft, mit der ganz besonders vielschichtigen biografischen und räumlichen Verknüpfung der Menschen, die in Österreich Kultur machen, für das Kulturelle stehen, die Meinungs- und Gestaltbildner sind. Aber reicht das aus, zu erklären, warum – nicht bloß Architekten – sie alle so wunderbar grantln können?

Der berühmteste Grantler ist natürlich Thomas Bernhard; kein Architekt. Dafür dann Günther Domenig, der immer etwas zu meckern hatte, so auch über den Freund und Kollegen Hans Hollein, der als Einziger dort bauen durfte, so der Grazer, „wo die Lipizianer gallopieren“. Also im heiligsten Stadtkern Wiens. Ein Haus baute dieser zudem, das mit seiner Glasfassade und den Versatzstücken der Postmoderne damals Zeitgenössisches in­sze­nierte vis-a-vis vom Steffl genannten Stephansdom. Heute ist es Architekturgeschichte unter starkem Anpassungsdruck.

Lang ist das her mit dem Haas-Haus im Domschatten, länger noch die Eröffnung eines Museums in Mönchengladbach, die 1982 für viel Aufregung sorgte. Das Museum, das sich so sehr auf das Räumliche bezieht, verweigerte sich dem Mainstream des White-Cube-Denkens der 1960er- und 1970er-Jahre und stellte die Kritiker vor die Herausforderung, Architektur eher als Landschaft denn als etwas Gebautes zu sehen. Dem Architekten Hollein, der am 30. März 1934 in Wien geboren wurde, war dieser Museumsbau ein erster großer Schritt auf eine zunehmend international ausgerichtete Bühne und, glaubt man den Worten des Mitkuratoren Wilfried Kuehn (Kuehn Malvezzi, Berlin, mit Susanne Titz, Museumsdirektorin), in gewisser Weise die in Stein gefrorene Quintessens seines bis dahin hauptsächlich theoretisch und durchaus aktionistischen Werks.

Hans Hollein, Künstler, Designer, Ausstellungsmacher und natürlich Architekt, hatte dem Joseph Beuys’schen Apodiktum vom „Jeder Mensch ist Künstler“ das „Alles ist ­Architektur“ hinzugefügt. Beuys hatte Hollein 1967 an die Kunstakademie in Düsseldorf geholt. Die Architektur wollte der Wiener „vom Bauen befreien“ und hatte das ganz prominent in der Zeitschrift „Bau – Schrift für Architektur und Städtebau“ formuliert, wo er als Redakteur die Möglichkeit hatte, das „Alles ist Architektur“ programmatisch auf die Titelseite zu hieven (s. Foto). Wie das Museum in Mönchengladbach, das Hollein nun Platz für den einen Teil einer deutsch/österreichischen Hollein-Erzählung bietet, waren viele der frühen Bauten schnell Kult. Seien es die Schatzkästchen Kerzenhaus Retti oder Juweliergeschäfte Schullin I und II, das Österreichische Verkehrsbüro, das auf der Website Holleins mit „1987 zerstört“ markiert ist und natürlich das Vulkanmuseum, das, so Wilfried Kuehn (hier auf den Seiten 12/13), zu den besten Arbeiten Holleins gehört.

In Mönchengladbach wird nun etwas ­versucht, was Hollein in seinem frühen Werk und bis heute versucht: die Verschleifung von Kunst und Architektur, von Auftragsarbeit und forschendem Experiment, von Form­findung und Formdeutung. Das, was in der Landschaftsarchitektur Abteiberg durchaus herausfordernde Haltung ist, nämlich das Sich-auf-den-eigenen-Weg-machen-müssen, der Aufforderung nach eigener Suche über die eigene Suche nachkommen etc., das soll in dem Essay über Hollein mit dem Titel „Alles ist Architektur“ über vielfache Überblendungen unterschiedlichster Aspekte des Werkes gelingen.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der grafischen, der konzeptionellen Arbeit Holleins (der ab Mitte Juni erweitert und ergänzt wird durch die Ausstellung im Wiener Museum für Angewandte Kunst MAK unter dem Titel „Hollein“). Nicht das Gebaute, von dem man über die Jahrzehnte geschaut ohnehin sagen kann, es hätte sich verfeinert aber wohl nicht vertieft, der Blick auf den Künstler, den multimedial agieren­den Designer, den Hans Dampf in allen Gassen steht im Mittelpunkt der sich über weite wie unübersichtlich sich entwickelnde Flächen ausbreitenden Erzähllandschaft. Doch neben dem Exkurs zu Hollein möchten die Kuratoren auch einen Beitrag dazu leisten, die Debatte über das Bauen von ­Museen erneut anzustoßen (dazu auch das Interview mit Wilfried Kuehn auf den Seiten 12/13). Dabei ließ Wilfried Kuehn auf der Pressekonferenz keinen Zweifel daran, dass er nicht mehr nur an die Enfiladen-, nicht mehr nur an die klassichen White Cube-Konzepte glaube. Junge Künstler wollten die Auseinandersetzung mit dem Raum, Kunst müsse sich wieder auf etwas beziehen dürfen, auch auf den Raum, in welchem sie ­stattfindet. Und allein diesen in Mönchengladbach zu entdecken lohnt die Reise. Das Haus, das Hollein in quasi herrschaftlicher Weise vom Direktor Johannes Cladders zugesprochen bekam, wurde in den vergangenen Jahren sanft saniert. Die Ausbaupläne sind bis heute am Geldmangel gescheitert. Hier wäre doch für Sammler, Stifter, Schenker die einmalige Gelegenheit, etwas für sich und für uns alle zu tun: Einen Museumsbau retten, der aus der Zeit gefallen scheint, vielleicht aber schon heute die Zukunft des Museums weltweit in sich trägt.

Zum 80. Geburtstag wollten wir natürlich unsere Glückwünsche gen Wien senden, leider konnten diese Hans Hollein nicht mehr erreichen, er verstarb, als dieser Text in Richtung Druckerei geliefert wurde. Die Architektur ist mit seinem Tod ein wenig ärmer geworden. Be. K.

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