Heftpate Wolfgang Lorch, Frankfurt a. M.
Kulturbauten? Was den öffentlichen Raum bestimmt

Stadt und öffentliches Leben werden maßgeblich durch Kulturbauten mitgeprägt. Aber was macht solche Bauten aus? Erfüllen sie in uns eine Sehnsucht nach den immer mehr schwindenden öffentlichen Räumen? Kulturbauten sind Elemente der Architektur, die sich über das alltägliche Bauen erheben, sie ragen in Form und Bedeutung über das reine „Behausung bieten“ oder das gewerblich Genutzte hinaus. Sollte man den Begriff „Kulturbau“ nicht besser durch „öffentlich relevante Bauaufgabe“ ersetzen? Relevant für die Gesellschaft oder für ein Gemeinwesen?! Früher wäre dieser Begriff möglicherweise primär Gotteshäusern zugefallen, die in unserer säkularen Gesellschaft vielleicht nicht mehr in dieser Fülle notwendig sind. Dennoch bestimmen sie immer noch zumindest das Stadtbild.

Gerne schmückt man sich mit Kultur, der Bilbao-Effekt steht wörtlich für ein Hoffen auf die Wirksamkeit extraordinärer Kulturbauten. Öffentliche Bibliotheken wie in Stuttgart oder in Heidenheim sind weit mehr als ihre Funktion – sie stehen für eine Politik der Zeichen. Und mit Blick auf die digitale Zeit muss man feststellen, dass sie zu allererst der Wunsch nach öffentlichen Räumen sind.

Vor diesem Hintergrund – Politik der Zeichen – ist es von Interesse, die Flut von aktuellen Museumsneubauten zu betrachten. Hier in Deutschland werden gegenwärtig parallel drei Bauhausmuseen geplant: in Berlin, Dessau und Weimar. Haben die alle eine eigene Sammlung? Oder die zur Zeit zahlreich realisierten oder sanierten Opernhäuser, bei denen Zeit- und Kostenrahmen gesprengt werden, um politisch gewünschte Zeichen zu setzen. Oftmals werden in diesem Kontext nicht die realen Kosten benannt, um einen politischen Baubescheid zu erwirken – sind Kulturbauten Gebilde reiner Zwecklosigkeit? Da die Bauherrschaft und damit auch die politische Verantwortlichkeit in Legislaturperioden wechselt, bleibt der Architekt als Kontinuum, als Verantwortlicher übrig. An dessen Scheitern ist das Interesse der Medien größer, als an einer gelungenen Architektur; frei nach dem Motto: Schlechte Nachrichten sind besser als gar keine.

Wie anfänglich gesagt ist die Bauaufgabe „Kulturbau“ untrennbar mit dem öffentlichen Raums verknüpft. Das Gebäude beginnt nicht an der Tür, mit ihm entstehen Stadträume. Exemplarisch könnte man den neuen Jakobsplatz in München nennen. Vormals ein abseitiger, wenig beachteter Raum ist er durch die dort angesiedelten neuen Funktionen Museum, Gotteshaus und Schule, zusammen mit der Gemeinde in den Stadtraum zurückgekehrt. Hier ist ein neuer öffentlicher Raum entstanden, der zudem nicht vom Kommerz geprägt ist.

Die Zukunftsentwicklung von Kulturbauten liegt weniger auf der grünen Wiese, als im städtischen Kontext und hier ist es das Umbauen, das Weiterbauen bestehender Strukturen, die durch weitere Zeitschichten ergänzt werden. Aktuelle Beispiele dafür sind das Archiv der Avantgarden in Dresden (Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin), die Neustrukturierung des Wilhelmspalais Stuttgart (Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart) oder die Erweiterung der Kunsthalle in Karlsruhe (Staab Architekten, Berlin), die mittlerweile vier denkmalgeschützte Flügel besitzt – von Heinrich Hübsch bis Heinz Mohl.

Zurück zur Frage, ob öffentliche Bauten Kulturbauten sind. Sogenannte Kulturcafés und Kulturzentren haben trotz ihres Namens oftmals nichts mit Baukultur zu tun. Der Verweis auf Kultur ist eben häufig ein sicheres Zeichen der Abwesenheit eben dieser. Der Begriff „Gegenkultur“ wäre es Wert, mehr beachtet zu werden – das subversive, temporäre Besetzen von Räumen, beispielsweise durch Clubs. Beinhaltet ein zur Galerie umgenutzter U-Bahnschacht weniger Kultur, als das darüber liegende Lehnbachhaus? Und ist das schon Ausdruck für ein neues Kulturverständnis, wenn ein Hinterhof in São Paulo in ein Off-Theater verwandelt wird (Teatro Oficina)? Oder der Umbau einer Industriebrache in ein neues Veranstaltungszentrum (SESC Pompéia; beide von Lina Bo Bardi)?

Diese Beispiele und viele weitere prägen die aktuelle Diskussion, ob der performative Raum oder die Gestalt wesentlich sind für die Neuinterpretation von (Kultur)Räumen insgesamt.

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