Hinter Bruchstein Holz
Haus-im-Haus,
Schöneiche bei Berlin

Auflagen des Denkmalschutzes werden von manchen Architekten/Bauherren als Einengung der Gestaltungsmöglichkeiten gesehen. Dass man aber mit strikten Volumen- und Oberflächenvorgaben auch kreativ und am Ende sehr effektiv umgehen kann, zeigt das „Haus- im-Haus“-Projekt in Schöneiche.

Voraussetzungen

Die sich selbst so nennende Gemeinde „Waldgartenkulturgemeinde Schöneiche“ liegt rund 25 km östlich vom Alexanderplatz und hat tief in die Geschichte zurückreichende Wurzeln. Da wundert es kaum, dass der histo-

rische Dorfkern Schöneiche unter Ensemble- und Einzelobjektedenkmalschutz steht.

Die Gründe dafür sind manchem wohl nur auf den zweiten Blick, dann aber ganz deutlich, offenbar: Rings um Kirche und Pfarrhaus und ein paar Wohnhäuser wachsen Neubauten ins Grüne, Wohnraum für Berliner, die im Zentrum nichts mehr finden/bezahlen können.

Hier im alten Dorfkern also findet sich das „Haus im Haus“-Projekt. Von der Straße aus unsichtbar im Hinterhof gelegen, ein ehemalig als Werkstatt, dann schließlich als Lagerraum für alles Mögliche genutztes langgestrecktes eingeschossiges Volumen mit Satteldach. Die Wände bestehen größtenteils aus mörtelarm gesetztem Bruchstein als Zwickelmauerwerk. In kleineren Segmenten finden sich Ausbesserungen mit Ziegeln. Dem Landesdenkmalamt war dieser Bestand im Hinterhof so viel wert, dass er dem Ansinnen eines Abrisses, ja nicht einmal dem eines Umbaus bei Teilerhalt zustimmen wollte. Damit war schnell klar, dass der Neubau, den die Tochter aus dem Vorderhaus nun mit ihrem Mann für sich und die beiden Kinder realisieren wollte, auf
Volumen- und Flächenvorgaben reagieren musste. Allein ein Ausbau des Dachgeschosses und die mäßige Erweiterung bereits vorhandener Öffnungen im Mauerwerk waren erlaubt.

Haus im Haus

Unter diesen Vorgaben war schnell klar, dass man ein Haus-im-Haus realisieren musste. Die Bestandswände konnten aus statischen Gründen nicht genutzt werden, beziehungsweise hätte ihre Ertüchtigung wie auch die der Fundamente den Aufwand zu groß werden lassen. Gemeinsam mit den Bauherrn wurde dann der Neubau als Neueinbau definiert, der in Holzbauweise (teils vorgefertigt) als komplett eigenständiges Bauwerk in den Bestand eingefügt wurde. Dabei wurden die vorgefertigten Wände beispielsweise mit einem Kran über das Vorderhaus in das Bruchsteinwändegeviert eingehoben.

Dachkonstruktion und Dachhaut, die man nicht hatte retten können, wurden entfernt. Das neue Dach nimmt jetzt mit neuer Haut und dezenten Dachschrägenfenstern die ursprüngliche Volumengeometrie wieder auf. Die Bestandsaußenwände wurden nur an den Stellen verändert, an denen es bereits Öffnungen gab. Zwei Zugänge und kaum sichtbar erweiterte Fensteröffnungen tragen jetzt zur besseren Belichtung der dahinter liegenden Räume im Erdgeschoss bei. Dass das Mauerwerk nicht angetastet wurde, darauf weist eine nur wenige Zentimeter weite, durchgehende Horizontalfuge zwischen Dachabschluss und Bruchsteinwand hin.

Durch den Rücksprung des Neubaus deutlich hinter die Mauerlinie wurde das Erdgeschoss kleiner in der Grundfläche als das Dachgeschoss. Im Erdgeschoss wurden Wohnküche, Schlafraum und Bad (Eltern) untergebracht sowie zwei Treppen. Diese waren von den Bauherren so gewünscht, da beide Treppen bereits jetzt schon und später sowieso die getrennte Erschließung der Kinder- und Erwachsenenräume erlauben. Im Dachgeschoss liegen – gleichsam als Enfilade organisiert – Kinderzimmer und Bad sowie ein Wohn- und Arbeitszimmer.

Bauherrenpartner

„Ich hätte im Detail vielleicht manches anders gemacht“, so Alexander Palowski. Auf der anderen Seite aber weiß der Architekt auch um den Wert, den Bauherrengesprä­che für die Präzisierung eines Projektes mit sich bringen. So war die Arbeit am Grundriss ebenso intensiv wie die Gespräche über Oberflächen oder die Auswahl der Fenster. Mal konnte der Architekt überzeugen, mal bestanden die Bauherren auf ihren Vorstellungen, die auch dem schmalen Budget geschuldet waren (OSB-Platte in Sichtqualität im Obergeschoss). Auch, dass der Lehmputz sichtbar gelassen wurde, aber sich auf Wänden, die möglicherweise mehr auszuhalten haben als die im Wohnzimmer, auf diese empfindliche Oberfläche verzichtet wurde, folgt dem Wunsch der Bauherrn. Wie diese in den kommenden Jahren ihr Haus weitergestalten und wie sie ihre Räume nutzen werden, die nicht direkt der Wohnnutzung zuzuordnen sind (z. B. der kalte „Außenraum“ oder auch die das Neubauvolumen umgebende Raumschicht hinter den Bestandsmauern) wird die Zukunft zeigen.

Fazit

Und gerade in diesem Weitergestalten wird sich zeigen, ob das architektonische Konzept aufgeht. Der knapp 1 m breite Zwischenraum zwischen Neu und Bestand beispielsweise, den man als klassisches transitorisches Element dieses speziellen Entwurfsaufbaus betrachten kann und den der Architekt selbst als „atmosphärischen Schutzraum zum offenen Hofbereich“ bezeichnet, steht in ständiger Gefahr, zugestellt zu werden.

Aber das ist möglicherweise eine zu idealistische Sicht auf das Gebaute, das hier in der „Waldgartenkulturgemeinde Schöneiche“ seinen Platz hat wie kein anderer der Neubauten in Steinwurfweite. Der Blick vom Schreibtisch durch die beiden Fenster im Nordgiebel geht weit in die mit alten Obst- und Nussbäumen bestandene Landschaft. Dass der Gegenblick nicht unbedingt das Neue verrät, das ist der Zusammenarbeit von Denkmalschutz, Architekt und Bauherren zu danken. Be. K.

Baudaten
Objekt: Haus-im-Haus (denkmalgeschützt)
Standort: Dorfaue Berlin-Schöneiche
Typologie: Einfamilienhaus
Architekt: Alexander Palowski, Berlin,
www.palowski-architektur.de
Fertigstellung: 04/2015
Fachplaner
Tragwerksplanung: BÜRO ENGELHARDT, Ingenieurbüro für Bauplanung + Konstruktion, Berlin
Holzbau: Schuchardt Zimmerei & Holzrahmenbau GmbH, Eggerdorf
Projektdaten
Grundstücksgröße: 2 289 m²
Brutto-Grundfläche: 216 m²
Wohnfläche: 115 m²
Wohnraumvolumen: 554 m³
Baukosten (nach DIN 276):
KG 200 – 700: 245 000 €
Hersteller
Dacheindeckung:
Braas GmbH, www.braas.de
Dachfenster: Velux, www.velux.de
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