DBZ Heftpartner MEIXNER SCHLÜTER WENDT, Frankfurt a. M.

Hochgebirgslandschaft mitten in der Stadt

Ein Haus ist ein Haus ist ein Haus. Ein Hochhaus ist ein Haus, und ein Wohnhochhaus ist ein Wohnhaus. Insofern betrachten wir ein Wohnhochhaus nicht als einen Solitär oder Sondertypus, für den konzeptuell ein grundsätzlich eigener Weg erforderlich wäre. Für ein Wohnhochhaus gilt prinzipiell das, was für jedes andere Haus gilt: Es sollte eine bewusste Beziehung zu seiner Umgebung eingehen. Die Art dieser Beziehung ist abhängig vom jeweiligen Kontext – von einer landschaftlichen bis hin zu einer urbanen Umgebung. Sie kann sehr unterschiedlich ausfallen – von einem Verschmelzen in einem Hochhausensemble bis zu einer Rolle als Landmarke an einer exponierten Stelle. In diesem Zusammenhang ist es ein besonderer Aspekt, dass ein Hochhaus aus unterschiedlichsten Entfernungen wahrgenommen wird und insofern vielfältige Bezugsräume entstehen. Inhaltliche Ressourcen des jeweiligen Ortes können eine große Rolle spielen.

Neben diesem Spektrum an kontextuellen Möglichkeiten ist das wesentliche Thema das Wohnen selbst. Zum einen ergibt sich aufgrund der Größe der Projekte die Chance, vielfältige Wohnungstypologien und Wohnsituationen zu schaffen. Daraus entsteht auch die Chance für neue Wohnformen und für eine neue Art des Zusammenlebens. Dies kann besonders bereichert werden durch eine Durchmischung mit kulturellen, gastronomischen oder gewerblichen Nutzungen.

Zum anderen ist es erforderlich, auf die Vielzahl der Wohneinheiten eines Wohnhochhauses eine bildnerische Antwort zu finden, die die Aura des individuellen Wohnens vermittelt. ­Neben einer generellen Varianz ist es oft hilfreich, die Anzahl der einzelnen Geschosse und Einheiten zu verschlüsseln und einen Ausdruck zu finden, bei dem ein Hochhaus eher wie ein Gesamtobjekt oder wie eine nicht zu entschlüsselnde Skulptur wirkt. Idealerweise entsteht dabei ein besonderes Verhältnis von dem Teil und dem Ganzen.

Die wesentliche Qualität im Wohnhochhaus ist das Wohnen in der Höhe in Verbindung mit der Weite eines landschaftlichen oder städtischen Raumes. Deshalb ist ein entscheidendes Thema die Kultivierung des Übergangs von innen nach außen. Im Besonderen geht es dabei um die Qualität von Loggien, Balkonen und Terrassen, die diesen Übergang erlebbar und spürbar machen. In diesem Punkt unterscheiden sich Wohnhochhäuser signifikant von Bürohochhäusern. Ein wegweisendes Beispiel dafür ist das legendäre, 1983 fertiggestellte Wohnhochhaus Kanchanjunga Apartments von Charles Correa in Mumbai.

Wie jedes Gebäude sollten Wohnhochhäuser den Anspruch an Nachhaltigkeit und die Schonung von Ressourcen erfüllen. Neben innovativen Konzepten zur Energieeinsparung werden aktuell Hochhäuser als Holzbaubaukonstruktionen entwickelt. Dafür gibt es viele Beispiele, die sich jedoch meist noch in Planung befinden und noch nicht fertiggestellt sind. Auch die Konversionen von Büro- in Wohnhochhäuser gehören in die Kategorie der Ressourcenschonung. Es wird spannend sein zu sehen, ob solche Umnutzungen in Folge der durch die Corona-Pandemie sich verändernden Städte eine größere Chance bekommen werden.

Dass seit einigen Jahren der Typus des Wohnhochhauses in Europa ein Comeback feiert, ist zunächst überraschend. Schließlich ist der Typus seit dem Massenwohnungsbau der 1960er- und 70er-Jahre außerordentlich negativ konnotiert. Die Großsiedlungen dieser Jahre – ob das Märkische Viertel in Berlin oder die Pariser cités – liegen in der Peripherie. Ihre kos-tenoptimierte Architektur ist in der Regel von bescheidener Qualität. Ausnahmen wie Harry Glücks genossenschaftliches Projekt Alterlaa in Wien bestätigen die Regel.

Die heutigen Wohntürme wachsen dagegen in attraktiven Stadtlagen. Sie werden meistens als Wohneigentum errichtet, haben einen entsprechend hochwertigen Ausbaustandard, Eingangshallen mit Concierge und attraktive Außenbereiche. Diese Generation von neuen Wohnhochhäusern entspricht einem im angloamerikanischen Vergleich schon lange gewohnten Standard und wird deshalb Bestand haben. Da diese Wohnhochhäuser bei geringer Flächenversieglung zusätzlichen Wohnraum schaffen können, werden sie sich auch in Zukunft weiterentwickeln.

Wohnhochhäuser werden dann geliebt, wenn sie das Potential von Kontext, Identität und Gemeinschaft ausschöpfen. Und sie können – zu Pulks oder Clustern zusammengefasst – geradezu aufregend sein, wenn sie sich in den Resonanzraum einer Skyline einbetten – in einen skulpturalen Zwischenraum vergleichbar mit einer Hochgebirgslandschaft mitten in der Stadt.

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