Homogene Materialverwendung
Juwelier Mayrhofer, Linz/A







Geschmeide muss sorgsam aufbewahrt wer­-den. Schon seit Großmutters Zeiten gibt es
dafür das mit feinem Samt ausgekleidete Schmuckkästchen. Das Juweliergeschäft Mayrhofer in Linz ist eine Transformation dieser Schatulle in den großen, den begehbaren Maßstab.

Der Verkaufsraum des Geschäftes ist vollstän­dig mit einem samtweichen Veloursteppich überzogen – Boden, Wände, Decke. Alles ist auf das sinnliche, intime Erlebnis des Schmuck-
Kaufens ausgerichtet. Die Oberflächen des Innenraumes werden zur Analogie der mensch­lichen Haut, auf der der Schmuck letztendlich getragen wird.

Um die weiche, einhüllende Wirkung des Raumes nicht zu schwächen, ist die Möblierung von schlichter Glätte. Schleiflackbeschichtetes, dunkles Ziricote-Holzfurnier und verdeckt liegende Beschläge lassen die Vitrinen als statische, geometrische Körper in den Hintergrund treten. Die Halogenspots sind flächenbündig in Möbel und Decke eingesetzt, so dass das Lichtkonzept die homogene Raumwirkung vervollständigt.

Der Bestand, der den Raum für den Laden­einbau bot, war teilweise denkmalgeschützt. Die Architekten fanden ein Ziegelgewölbe vor, in das die komplizierte Geometrie mit Hilfe einer Holzspantenunterkonstruktion mit glasfaserarmierten Faserzementplatten eingefügt wurde. Die Realisierung des Decke-Boden-Wand-Kontinuums erforderte in der räumlichen Umsetzung ungeheueres handwerkliches Geschick. Zur Unterstützung der bauseitigen Montage wurde ein 1 : 1-Grundrissdruck fußbodenfüllend aufkaschiert. Der Teppichbelag musste teilweise gezerrt und gestaucht werden, um der homogenen Haut die gewünschte Glätte zu verleihen. Doch das Ergebnis beweist, dass die unorthodoxe Verwendung von gewöhnlichen Materialien, hier Teppich, sich lohnen kann, um eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Hier ist wahrlich eine weiche Schatzhöhle entstanden. SG

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