Technikfreak trifft Märchenprinz

Hotel Sonne, Füssen

Tourismus steht in der Region Königswinkel ganz unter dem Zeichen von Ludwig II. Schloss Hohenschwangau befindet sich hier und Neuschwanstein ebenfalls. So ist es kein Wunder, dass sich die Hotels im nur wenige Kilometer von den Schlössern entfernten Füssen bei der Gestaltung ihrer Innenarchitektur ebenfalls am bayerischen Märchenprinzen orientiert haben. An vielen Wänden hängen Plakate des Königs und im Bestandsbau des Hotels Sonne hatte die Hoteliersfamilie Martin und Beatrice Hanauer früher einmal sogar Kleider aus dem Kos-tümfundus des Musicals über den „Bayernkini“ präsentiert. Doch ein Gesamtkonzept für ein Themenhotel gab es nicht – und auch sonst nirgendwo im ganzen Ort.

Themenhotel rings um Ludwig II

„Wir könnten den Bayernkönig und seine Freunde zum Mittelpunkt unser Entwurfsidee machen“, schlug daher Florian
Schmidhuber vor, Partner des Büros OSA Ochs Schmidhuber Architekten, als Familie Hanauer die Münchner mit einem Um- und einem Erweiterungsbau ihres Hotels beauftragte. Dabei entstand auch die Idee, das Konglomerat aus Bestandsgebäuden zu einem stimmigen Ensemble zusammenzuführen. Dieses passt nun äußerlich in das unter Ensembleschutz stehende Zentrum von Füssen, während dessen Interieur Bezug zu Ludwig II nimmt.

Der älteste Teil des Bestands war bereits in den 1970er-Jahren errichtet worden: ein klassizistisch anmutender Baukörper mit Biergarten vor der Tür, Diskothek im Kellergeschoss und einem Parkplatz nebenan. 2005 hatte die Familie einen zweiten Baukörper ergänzt und dabei zeitgleich einen Bebauungsplan initiiert. Er bildete die Basis für den nun erfolgten Bauabschnitt Nummer drei. Dieser beinhaltete neben dem Erweiterungsbau mit 28 neuen Gästezimmern und Suiten auch einen im Erdgeschoss verglasten Verbindungstrakt zwischen Alt und Neu sowie die Sanierung der Innenräume im Bestand und die Umorganisation des Erdgeschosses inklusive der Gestaltung eines Foyers.

Schlichte Fassade mit Spiegeltrick

Der durch eine Tiefgarage ergänzte fünfgeschossige Neubau mit insgesamt 2 300 m2 Fläche stellt seither das Haupthaus der Hotelanlage dar. Während zuvor lediglich ein winziges Schild auf den Eingang verwies, setzt der Neubau nun auf ein deutlich erkennbares Entree mit Foyer und großzügiger Lounge. Von hier aus geht es zudem in die Küche und in das Spa sowie den Garten des Hotels.

Weil das Gebäude sich in den Ensembleschutz inklusive Bebauungsplan einreihen musste, waren die Positionierung sowie die Größe des Erweiterungsbaus von vornherein festgelegt. Auch die Fassade des aus Dämmziegeln realisierten Fünfgeschossers blieb den Auflagen konform und zwangsläufig schlicht: Roter Putz mit Besenstrich zieren den Neubau und die Schauseite des Verbindungstrakts.

Foyer – sinnlich und hell

Eine L-winkelige Küche, der Aufzug, die Treppe, das Back­office, Vor- und Rücksprünge, irgendwo ein Friseursalon, die Passage, der Hof: „So etwas würde kein Mensch jemals planen, doch im Hotel Sonne war dieses Konglomerat an Räumen, Wänden und Stützen im Erdgeschoss Realität“, räumt Planer Schmidhuber ein. Nachdem die Architekten das Tragwerk des Bestands nicht verändern konnten, schufen sie aus der Not ein sogenanntes Wohnzimmer als nutzungsübergreifenden Salon. Wände, die entfallen konnten, rissen die Handwerker in diesem Zusammenhang ab. Was bleiben musste, blieb. So entstand eine 450 m2 große Lounge, in der keine Wand den Blick in die Tiefe verstellt und eine Bar im Hintergrund die Gäste empfängt. In diesem Wohnzimmer finden auch der Frühstückssalon, das Abendrestaurant „Riwa“ und das Kaffeehaus Platz. Die einzelnen Bereiche gehen nahtlos ineinander über und wirken atmosphärisch sinnlich und hell: Leichte Stahlrohr- und Bugholzmöbel sind mit Sofas aus Korbgeflecht kombiniert, die Tapeten sind opulent, der Rezeptionstresen ist mit Messing verkleidet, das Licht präzise auf die gewünschte Stimmung abgestimmt.

Die Gästezimmer

Die neuen Zimmer des Hauses haben die Planer in drei Typen unterteilt: Wagner, Sissi und Ludwig II wiederholen sich. „Wenn ich hier buchen sollte, würde ich das Wagnerzimmer nehmen“, verrät Schmidhuber seinen Lieblingsort. Denn dieser sei nicht nur geräumig und groß, sondern auch der ungewöhnlichste Raum im ganzen Haus. Wie bei den anderen Zimmertypen haben sich OSA auch hier an der Persönlichkeit des Vorbilds orientiert. „Wagner, eine Lichtgestalt mit Schattenseiten, war ein guter Freund von Ludwig II“, betont der Architekt.

Optisch treffen sich im Wagnerraum daher Fischgrätparkett aus Eiche mit Sichtbeton als Deckenuntersicht und Wandvertäfelungen mit historischen Profilen sowie Tapeten mit Rahmendruck. Schwarz und Weiß verweisen auf die zweideutige Persönlichkeit des Komponisten, Diskokugeln an der Decke auf dessen Musik und außergewöhnliche Genialität. „Die Badewanne ist freistehend und riesig und der Duschbereich gewaltig“, rundet Schmidhuber das Bild des Wagnerthemas ab.

Für Sissi wählten die Planer ein anderes Konzept: Rosa und Hellgrün stehen für Weiblichkeit. Tennisschläger als Spiegel an der Wand verweisen auf die Fähigkeiten der sportbegeisterten Kaiserin, die eine hervorragende Tennisspielerin gewesen sein muss. Ihre Mäntel hängen die Bewohner eines Sissizimmers an Turnringen auf, „aber wer sich mit der Geschichte nicht beschäftigt hat, kommt auf den ersten Blick wohl nicht darauf, dass die österreichische Kaiserin die Inspirationsquelle dieser Umgebung war“, ist Schmidhuber überzeugt.

„In seinem ganzen Leben hat Ludwig II nur insgesamt 120 Tage in Füssen verbracht“, weiß der Architekt. Doch die Region lebt auch heute noch davon. Im Zuge der Planung hatten sich die Münchner Kreativen demnach intensiv mit den Leben von Ludwig II und dessen Freunden Sissi und Wagner auseinandergesetzt. „Ludwig war ein Nachtmensch“, ist Schmidhuber bekannt. Geschlafen habe er tagsüber, abends stand er auf. Deswegen ist Ludwigs Raumtyp auch in königlichem Dunkelblau gehalten. Die Blumenmotive der Tapeten sind expressiv, die Atmosphäre marokkanisch angehaucht. Denn Ludwig sei von Marokko fasziniert gewesen, hat Schmidhuber während seiner Recherchen gelernt. Die letzten Bauvorhaben des Königs waren daher alle vom Orient inspiriert.

Technikbegeisterung für Ludwig-Fans

Beim Hotel Sonne stehen nun die verschiedenen Persönlichkeiten rings um Ludwig II im Mittelpunkt und die Architekten haben dessen märchenhafte Phantasie zudem mit innovativer Ausstattung kombiniert. Die Zimmertür wird per Handy und QR-Code geöffnet. Dahinter liegt ein In-Room-Tablet als digitale Gästemappe aus. Damit können alle Services gebucht werden, etwa der Tisch im Restaurant, die Wellnessanwendung im Spa, die Sightseeingtour auf den Spuren des Königs oder eine Schlittenfahrt. Die Hoteliersfamilie hat darüber hinaus sogar eine eigene App entwickelt, über die der Gast Restauranttipps und Ratschläge für einen genüsslichen Aufenthalt in Füssen erhält. Christine Ryll, München

Projektdaten

Objekt: Hotel Sonne

Standort: Prinzregentenplatz 1, Füssen

Bauherrschaft: Beatrice und Martin Hanauer

General- und Objektplanung: OSA Ochs Schmidhuber Architekten GmbH, München, www.osa-muenchen.de

Tragwerksplanung: Dobler GmbH & Co. KG Planungsbüro, Kaufbeuren, www.dobler.de

Haustechnik: Ib B. Grasegger, Garmisch-Partenkirchen

Brandschutz: IGS Ingenieurgesellschaft Allgäu GmbH, Marktoberdorf, www.igs-mod.de

Fertigstellung: 2020

Preis pro Übernachtung: ca. 120 €

www.hotel-fuessen.de

Bei unserem Projekt Hotel Sonne ­haben wir mit zeitgenössischem ­Design König Ludwig II in unsere Zeit ­geholt. Die Digitalisierung der Hotellerie ist ein großer Mehrwert. Sie erlaubt dem Per­sonal, sich zeitlich intensiver um die Gäste zu ­kümmern.«
Florian Schmidhuber, Architekt
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